Aldabra-Riesenschildkröte (Aldabrachelys gigantea) im Zoo Zürich
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern
Ordnung: Schildkröten (TESTUDINATA)
Unterordnung: Halsbergerschildkröten (CRYPTODIRA)
Familie: Landschildkröten (Testudinidae)
Aldabra-Riesenschildkröte
Aldabrachelys gigantea • The Aldabra Giant Tortoise • La tortue géante d'Aldabra
- Körperbau und Körperfunktionen
- Verbreitung
- Lebensraum und Lebensweise
- Gefährdung und Schutz
- Bedeutung für den Menschen
- Haltung
- Taxonomie und Nomenklatur
- Literatur und Internetquellen
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Aldabrachelys gigantea ist die einzige überlebende Riesenschildkröte der Inseln im indischen Ozean. Sie ist ein attraktives und beliebtes Zootier, das sich als Botschafterart für den Schutz von Inselfaunen bestens eignet und auf die Gefahren des durch den Klimawandel ansteigenden Meeresspiegels aufmerksam machen kann.> Körperbau und KörperfunktionenDie größte bisher bekannte Aldabra-Schildkröte wies bei ihrem Tod eine Carapaxlänge von 140 cm und ein Gewicht von 254 kg auf. Die meisten Tiere sind aber deutlich kleiner und leichter, auf Aldabra zwischen 20 und 50 kg. Dort erreichen Männchen eine Carapaxlänge von 100-122 cm, Weibchen bis zu 87 cm. Männchen werden größer als Weibchen. Der schwärzliche Carapax ist gleichmäßig hochgewölbt. Es ist ein Nackenschild vorhanden, die Kehlschilder sind normal ausgebildet, das Supracaudalschild ist ungeteilt und auf jeder Seite befinden sich 11 Marginalschilder. Ein nach caudal zeigendes Divertikel der ventralen Wand des Nasenganges kann das Riechareal verschließen und ermöglicht das Trinken durch die Nase [1; 3; 6]. VerbreitungAutochthone Population nur auf dem Aldabra-Atoll (hauptsächlich Terre Grande) der Seychellen. Eingeführte Tiere auf den Hauptinseln der Seychellen, Mauritius und Réunion sowie Prison Island bei Sansibar [11; 12; 13]. Lebensraum und LebensweiseAuf Aldabra besiedelt die Art vorzugsweise Gebiete mit hohen Kräutern und niederen Büschen (0,15 - 2 m Bewuchs) sowie Bereiche mit Gräsern und Seggen. Pro Hektar können bis zu 70 Tiere vorkommen. Auf Grande Terre bildet der sogenannte "tortoise turf" die Hauptnahrung der Schildkröten. Es handelt sich um ein aus 22 Arten genetisch verzwergter Gräser, Kräuter und Seggen zusammengesetztes Pflanzengemisch, dessen Blüten- und Fruchtstände unterhalb der Bisshöhe der Schildkröten wachsen. Je nach Jahreszeit werden zusätzlich Langgräser, Kräuter, Laub, Seggen, Blüten und Früchte gefressen, auch die Aufnahme von Ziegenkot sowie von Aas in Form von toten Schildkröten, Krebsen und Knochen konnte nachgewiesen werden. Die Tiere haben morgens und abends jeweils eine Aktivitätsphase, während der heißesten Tageszeit ziehen sie sich unter Büsche und in Schlammlöcher zurück. Die Paarungszeit beginnt nach den ersten Niederschlägen der Regenzeit und dauert ungefähr von Oktober bis April. Die Eiablage erfolgt während der kühleren Trockenzeit [3]. Pro Gelege produzieren die Weibchen 5-21 Eier. Die Jungen schlüpfen je nach Temperatur nach 85-161 Tagen und mehr [8]. Gefährdung und SchutzDie Art gilt nach einer Beurteilung aus dem Jahr 1996 als gefährdet [12]. Die Arnold- (A. g. arnoldi) und die Seychellen-Riesenschildkröte (A. g. hololissa) sind in der Wildbahn ausgestorben [7; 11]. Für die Arnold-Schildkröte gibt es ein Zuchtprogramm, das bis 2009 insgesamt 138 Jungtiere erzielt hat [4]. Von der Seychellen-Riesenschildkröte gab es 2011 insgesamt 37 adulte und eine Anzahl Jungtiere. Auf Cerf Island lebte ein Exemplar und auf Cousine Island wurden 8 Erwachsene und 40 Jungtiere wiedereingebürgert [5]. Der internationale Handel ist nach CITES Anhang II geregelt. Zoogestütztes Artenschutzprojekt (Beispiel):
Bedeutung für den MenschenIm 17. Jahrhundert entdeckten Seefahrer auf ihrem Weg nach Indien auf den Inseln des westlichen Indischen Ozeans Riesenschildkröten, die dort in gewaltigen Mengen vorkamen. Die Tiere dienten als willkommene Ergänzung des Speiseplans. Entweder wurden sie an Ort und Stelle geschlachtet, oder aber als lebender Vorrat auf die Schiffe verfrachtet. Zum Teil wurden sie auch auf anderen Inseln wieder freigelassen, so etwa auf Sansibar, Sri Lanka oder Tonga. Der Raubbau war derart, dass bis um 1800 die Bestände der Inseln Mauritius, Réunion, Rodriguez und der zu den Seychellen gehörenden Farquhar-Inseln, die verschiedenen Arten angehörten, ausgerottet waren [6]. BREHM berichtet, dass im Jahre 1691 die Riesenschildkröten auf Rodriguez noch so häufig gewesen, waren dass man zwei- oder dreitausend von ihnen in dichten Scharen zusammensehen "und über hundert Schritte weit auf ihren Rücken dahinschreiten" konnte. Um 1740 legten die nach Indien segelnden Schiffe, um sich mit ihnen zu versorgen, bei Mauritius an, und noch zwanzig Jahre später waren mehrere kleine Fahrzeuge fortwährend beschäftigt, tausende von Schildkröten, hauptsächlich zur Verwendung im Krankenhaus, hierhin zu bringen. Von dieser Zeit an scheinen sie sich rasch vermindert zu haben. "Einige wenige werden noch auf den Seschellen in Gefangenschaft gehalten, und von den im engeren Gewahrsam erzeugten Jungen entläuft dann und wann auch wohl eins und das andere und treibt sich selbständig im Freien umher." Einzig auf Aldabra waren Riesenschildkröten damals noch häufig. "Fänger, welche alljährlich hierher zur Jagd kamen, hatten besondere Stapelplätze mit Mauern umgeben, um die Thiere bis zur Verschiffung nach Madagaskar oder an das afrikanische Festland einsperren zu können. In einem solchen Zwinger sahen unsere Gewährsleute zweihundert, in einem anderen dreihundert Stück, welche einfach mit Gras und Laub gefüttert wurden. Ein Hamburger Kaufmann erzählte, daß auf Aldabra noch im Jahre 1847 von hundert Menschen, der Bemannung zweier Schiffe, binnen kurzer Zeit zwölfhundert solcher Schildkröten gefangen wurden, darunter immer noch Riesen von vierhundert Kilogramm Gewicht." [17]. Auf den Hauptinseln der Seychellen überlebten einige wenige Exemplare in Gehegen bis heute, auf dem abseits des Seewegs gelegenen Aldabra-Atoll schaffte es eine lebensfähige autochthone Population bis ins 21. Jahrhundert. Einzelne gehaltene Schildkröten haben es wegen ihrer Langlebigkeit oder ihres Kalibers zu Berühmtheit gebracht, so z.B. die Marions-Schildkröte, die 152 Jahre (1766-1918) auf Mauritius lebte, bis sie einem Schießunfall zum Opfer fiel, oder der heute (2019) noch lebende "Jonathan" von St. Helena, dessen Alter auf 188 Jahre geschätzt wird [6; 15]. Für den Schildkrötenmann "Esmeralda" von Bird Island wird ein Alter von 246 Jahren und ein Gewicht von 400 kg herumgeboten. Das kann aber kaum stimmen (siehe Abbildung). HaltungHaltung in europäischen Zoos: Die Art wird in über 90 Institutionen gehalten, wovon sich gegen ein Viertel im deutschsprachigen Raum befinden. In England halten zwei Institutionen Tiere, die der Unterart hololissa angehören. Bei allen anderen handelt es sich um Vertreter der Nominatform. Für Details siehe Zootierliste. Seit 2021 gibt es ein Europäisches Erhaltungszuchtprogramm, das als "New Style"-EEP vom Zoo Prag koordiniert wird. Wie Aldabra-Riesenschildkröten gehalten werden (Beispiel):
Forschung im Zoo: Am Zoo Zürich und am ErlebnisZoo Hannover wurden Forschungsarbeiten über die Fortpflanzung der Aldabra-Riesenschildkröte durchgeführt [3; 8]. Am Tiergarten Schönbrunn und anderen Zoos wurde eine Studie über die Lernfähigkeit und das Erinnerungsvermögen erwachsener Aldabra-Riesenschildkröten gemacht, bei der festgestellt wurde, dass die Tiere sehr rasch lernen und über eine sehr lange anhaltende Erinnerung verfügen [14]. Mindestanforderungen an Gehege: Nach Reptiliengutachten 1997 des BMELF soll ein Terrarium für eine Kleingruppe mindestens 8x so lang und 4x so breit sein wie die Carapaxlänge. Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.02.2024) schreibt für 1-2 Tiere ein Gehege vor, welches das 8x4-fache der Carapaxlänge misst. Für jedes weitere Tier kommt das 2x2-fache der Carapaxlänge dazu. Sofern die Witterungsverhältnisse es erlauben, ist den Tieren Auslauf im Freien zu gewähren. Bei Unverträglichkeit müssen die Tiere einzeln gehalten werden. Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2024) ist für 1-2 Tiere ein Innengehege von 10 m² und ein Außengehege von 20 m² anzubieten. Für jedes weitere Tier ist die Fläche innen um 5 m², außen um 10 m² zu erhöhen. Taxonomie und NomenklaturDie Artbezeichnung "gigantea" wurde 1812 vom Erlanger Naturforscher August Friedrich SCHWEIGGER verliehen. Bis 1957 wurde sie in die Gattung Testudo gestellt, danach mit Unterbrüchen in eine eigene Gattung Aldabrachelys. Im CITES-Kontext wurde sie zur Gattung Geochelone gezählt, daneben waren die Bezeichnungen Dipsochelys und Megalochelys in Umlauf [11]. Aufgrund äusserlicher Merkmale wurden in den 1990er Jahren einige auf den Seychellen gehaltene Schildkröten als Angehörige der um 1840 ausgestorbenen Arten Arnold-Riesenschildkröte (Aldabrachelys arnoldi) und Seychellen-Riesenschildkröte (Aldabrachelys hololissa) identifiziert. Die ungetrübte Freude über die Wiederentdeckung währte jedoch nur kurz, denn jüngere genetische Untersuchungen bezweifelten, dass die Tiere Vertreter eigenständiger Arten sind und gehen davon aus, dass es sich - trotz abweichender Panzerform - um Aldabra-Riesenschildkröten handelt [7], die gegenwärtig als Unterarten qualifiziert werden. Nach aktuellem Stand werden vier Unterarten anerkannt [11; 13]:
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Literatur und Internetquellen
- CITES IDENTIFICATION MANUAL
- CITES TRADE DATA BASE
- EBERSBACH, K. (2001)
- GERLACH, J. (2009)
- GERLACH, J. (2011)
- OBST, F. J. (1985)
- PALKOVACS, E.P., MARSCHNER, M., CIOFI, C., GERLACH, J. & CACCONE, A. (2003)
- PFEIFFER, M. (2000)
- ROGNER, M. (2008)
- SINN, A.D. (2004)
- THE REPTILE DATA BASE
- TORTOISE & FRESHWATER TURTLE SPECIALIST GROUP (1996). Geochelone gigantea. The IUCN Red List of Threatened Species 1996: http://www.iucnredlist.org/details/9010/0. Downloaded on 20 May 2017.
- TURTLE TAXONOMY WORKING GROUP (2014-21)
- GUTNICK, T., WEISSENBACHER, A. & KUBA, M. J. (2019)
- JONATHAN THE TORTOISE
- BAXTER, R. P. H. (2015)
- BREHM, A. E. (1882-1887)