Antilopen

Hirschziegenantilope

Hirschziegenantilopen-Paar (Antilope cervicapra) Hirschziegenantilopen-Paar (Antilope cervicapra)
© Thomas Kauffels, Opel-Zoo

Überordnung: LAURASIATHERIA
Taxon ohne Rang: CETARTIODACTYLA
Ordnung: Paarzeher (ARTIODACTYLA)
Unterordnung: Wiederkäuer (Ruminantia)
Familie: Hornträger (Bovidae)
Unterfamilie: Gazellenartige (Antilopinae)
Tribus: Gazellen (Antilopini)

D LC 650

Hirschziegenantilope

Antilope cervicapra • The Blackbuck • L'antilope cervicapre

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Hirschziegenantilope (Amtilope cervicapra), Bock im Safaripark Sa Coma, Poro Cristo, Mallorca © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Approximative Verbreitung der Hirschziegenantilope (Antilope cervicapra)

 

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Hirschziegenantilope (Antilope cervicapra) Weibchen im Safaripark Sa Coma, Port Cristo, Mallorca © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Hirschziegenantilope (Antilope cervicapra), Rudel im Chester Zoo © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Hirschziegenantilope (Antilope cervicapra) Böcke im Zoo Montpellier © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Hirschziegenantilopen im Zooparc de Trégomeur © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Junge Hirschziegenantilopen im Opel-Zoo Kronberg © Archiv Opel-Zoo

 

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Hirschziegenantilope (Antilope cervicapra) im ehemaligen Safaripark Gänserndorf © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 


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Hirschziegenantilope (Antilope cervicapra) mit neugeborenem Kitz im Zoo Zürich © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Hirschziegenantilopen-Weibchen (Antilope cervicapra) im Opel-Zoo Kronberg © Archiv Opel-Zoo

 

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Hirschziegenantilopen-Bock (Antilope cervicapra) im Zoo Zürich © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Hirschziegenantilopen (Antilope cervicapra), Weibchen mit Kindergarten im Zoo Zürich © Zoo Zürich

 

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Hirschziegenantilopenkitz (Antilope cervicapra) im Tierpark Hagenbeck © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Hirschziegenantilopen (Antilope cervicapra) vergesellschaftet mit Vietnam-Sikas (Cervus nippon pseudaxis) und Nilgaus (Boselaphus tragocamelus) im Tiergarten Schönbrunn © Daniel Zupanc (TG Schönbrunn (Pressefoto)

 

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Die Hirschziegenantilope ist eine kleinere, in ihrer Heimat nicht mehr gefährdete Antilopenart, die als Charaktertier des indischen Subkontinents, wegen ihres ausgeprägten Sexualdimorphismus und wegen ihrer kulturellen Bedeutung im Hinduismus sowohl eine gute Botschafterart für Natur- und Artenschutz in Indien oder Nepal abgibt als auch zoopädagogisch interessant ist. Sie ist naxg der Elenantilope, die eigentlich zur Rinderverwandtschaft gehört, die am häufigsten in europäischen Zoos gezeigte Antilope und wird oft auf Gemeinschaftsanlagen gehalten.

Körperbau und Körperfunktionen

Mit einer Kopf-Rumpflänge von 120-132 (100-150) cm, einer Schulterhöhe von 68-84 (60-85) cm und einem Gewicht von etwa 20-45 kg bei den Böcken bzw. 19-33 kg bei den Ricken ist die Hirschziegenantilope größenmäßig zwischen Reh und Damhirsch anzusiedeln. Der Schwanz ist 8-17 cm lang. Der Größenunterschied zwischen männlichen und weiblichen Tieren ist gering. Ansonsten ist der Geschlechtsdimorphismus sehr ausgeprägt. Allein die männlichen Tiere tragen im Extremfall bis 82 cm lange, imposant geschraubte Hörner mit Querwülsten. Ihr Fell ist oberseits dunkelbraun bis schwarz und kontrastiert stark mit der weißen Unterseite. Die Ricken, Jungtiere und nicht geschlechtsreifen bzw. kastrierten Böcke sind oberseits gelbbraun mit einem hellen Längsstreifen auf den Flanken. Beide Geschlechter haben eine weiße Brille und einen weißen Spiegel. Auffällig ist die bei den Böcken stark entwickelte Voraugendrüse. Fener sind Inguinal- und Carpaldrüsen vorhanden. Die Ricken haben zwei Zitzen [3; 5; 11].

Verbreitung

Südasien: Indien. In Bangladesch, Nepal und Pakistan ausgestorben, in Nepal im seit 2009 bestehenden, 16 km² großen Khairapur-Wildschutzgebiet südlich des Bardia-Nationalparks wiederangesiedelt. Wiederansiedlung auch in Pakistan, hier mit Tieren aus Texas. Ansiedlungen außerhalb des Artareals in Argentinien und den USA. Der Bestand in Texas umfasste im Jahr 1996 über 35'000 Tiere [1; 4; 5].

Lebensraum und Lebensweise

Die Hirschziegenantilope besiedelt Grasland, Dornbusch und lockere Wälder. Die Tiere ernähren sich überwiegend von Gras. Wenn dessen Quaität abnimmt, weichen sie auf Blätter und Früchte aus und suchen landwirtschaftliche Kulturen heim. Die Ricken bilden mit ihrem Nachwuchs in Abhängigkeit von der Lebensraumstruktur sehr unterschiedlich große Herden. Bei den Böcken gibt es welche, die sich einer Weibchenherde anschließen, andere sind territorial und verteidigen sehr kleine bis einige Hektar große Brunftterritorien gegen Geschlechtsgenossen, ferner gibt es Junggesellenverbände. Die Territorien werden mit Latrinen und dem Sekret der Voraugendrüse markiert. Letzteres wurde übrigens von HEDIGER im Zoo erstmals beobachtet und beschrieben. Kämpfe sind stark ritualisiert [3; 5; 11].

Es gibt keine ausgesprochene Fortpflanzungsperiode sondern nur regional unterschiedliche Zeiträume mit erhöhten Paarungsaktivitäten. Nach einer Tragzeit von 170-180 Tagen wird in der Regel ein einzelnes, 3.5-5 kg schweres Kitz gesetzt. Die jungen Böcke werden mit 12 Monaten geschlechtsreif und gelangen mit 18 Monaten erstmals zur Forpflanzung. Bei den weiblichen Tieren tritt die Geschlechstreife mit 8-14 Monaten ein [6; 11].

Gefährdung und Schutz

Die Hirschziegenantilope wurde im Rahmen einer Beurteilung aus dem Jahr 2008 als potenziell gefährdet eingestuft (Rote Liste: NEAR THREATENED), da ihr Lebensraum immer mehr durch das Bevölkerungswachstum und die dadurch verbundenen Ausweitungen der Siedlungen und der Landwirtschaft eingeschränkt wird. 2017 erfolgte aufgrund einer Neubeurteilung eine Rückstufung in die Kategorie nicht-gefährdet [4].

Im 20. Jahrhundert wurde die Antilopenart in ihrer indischen Heimat durch Bejagung stark dezimiert. Die ehemals mehrere Millionen Tiere umfassenden Bestände schrumpften zwischenzeitlich auf weniger als 10.000 Individuen zusammen. Erfolgreiche Schutzbemühungen haben dazu geführt, dass sich die Freilandzahlen mittlerweile wieder nahezu verfünffacht haben [4]

Der internationale Handel wird wird nur in Nepal nach CITES-Anhang III geregelt. Die Einfuhr aus den Ursprungsländern ist aber wegen der restriktiven Veterinärbestimmungen der EU so gut wie ausgeschlossen.

Bedeutung für den Menschen

Wirtschaftliche Bedeutung: Die Hirschziegenantilope war früher ein beliebtes Jagdwild. Nachdem sie nach nationaler Gesetzgebung geschützt ist, wird sie nur nochgelegentlich illegal erlegt, zumal auf Wilderei drastische Strafen drohen. So wurde ein Bollywood-Schauspieler, der 1998 illegal zwei Hirschziegenantilopen geschossen hatte, zu 5 Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von 10'000 Rupien verurteilt. Bezoarkugeln aus dem Magen dieser Antilope gelten als besonders heilkräftige Arzneimittel und finden vielfache Anwendung [2; 4; The Economic Times vom 07.05.2018]. In den USA und Argentien wurde die Hirschziegenantilope zu jagdlichen Zwecken eingeführt.

Kulturelle Bedeutung: Im Hinduismus gilt die Hirschziegenantilope als heiliges Tier und wird oft zahm gehalten. BREHM sagt dazu: "Frauen sind mit der Pflege des Halbgottes betraut und tränken ihn mit Milch; Musiker spielen ihm Tonstücke vor. Nur die Braminen dürfen sein Fleisch genießen. Aus seinen Hörnern bereiten sich die Geistlichen und Heiligen der Hindu eigenthümliche Waffen, indem sie dieselben unten durch eiserne oder silberne Querzapfen so befestigen, daß die Spitzen nach beiden Seiten von einander abstehen. Diese Waffe trägt man wie einen Stock und gebraucht sie wie einen Wurfspieß" [2].

Haltung

Hirschziegenantilopen werden häufig auf Indien- oder Asienanlagen mit Kranichen und anderen Vögeln, sowie Säugetieren wie Kamelen, Bantengs, Yaks, Nilgauantilopen, Axis-, Sika- oder Leierhirschen vergesellschaftet.

Das Höchstalter wird von WEIGL mit 23 Jahren und 5 Monaten für eine in einem amerikanischen Zoo gehaltene Ricke angegeben [10].

Haltung in europäischen Zoos: Die Art wird in über 100 Zoos gehalten, von denen sich etwa ein Viertel im deutschsprachigen Raum befinden. Sie ist damit die am häufigsten in unseren Zoos anzutreffende Antilopenart (Die Elenantilope ist noch häufiger, gehört aber zu den Rindern). Für Details siehe Zootierliste. Die europäische Erstzucht gelang vermutlich 1875 im Zoo Berlin [PM Zoo Berlin, 10.10.2011].

Forschung im Zoo: Viele Erkenntnisse über das Verhalten der Art wurden im Zoo gewonnen. So konnten z.B. das Markieren mittels Voraugendrüse und das ritualisierte Kampf- und Paarungsverhalten an in Zoos gehaltenen Tieren dokumentiert werden [8; 9]. Die Hirschziegenantilope ist gelegentlich auch Gegenstand von Dissertationen. So wurden z.B. im Tiergarten Nürnberg Untersuchungen zur Pansen- und Klauengesundheit in Zusammenhang mit dem Fütterungsmanagement durchgeführt [7].

Mindestanforderungen an Gehege: Das Säugetiergutachten 2014 des BMEL gibt für eine Gruppe von bis zu 5 Tieren ein Gehege mit einer Mindestfläche von 200 m² vor, für jedes weitere Tier 20 m² mehr. Die Stallfläche sollte etwa 3 m² pro Tier betragen.

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für bis zu 10 Tieren ein Gehege mit Trenn- oder Absperrmöglichkeit vor, dessen Grundfläche 500 m² misst. Für jedes weitere Tier kommen 40 m² zur Basisfläche dazu. Ferner ist ein Stall mit einer Fläche von 4 m²/Tier erforderlich.

Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) ist für 1-5 Tiere ein Außengehege von 500 m² erforderlich, für jedes weitere 50 m² mehr. Zudem ist ein beheizter Stall mit einem Mindestausmaß von 4 m² pro Tier mit einer Mindesttemperatur von 10°C vorgeschrieben. Die Haltung hat in Gruppen mit einem erwachsenen Männchen, mehreren Weibchen und deren Nachwuchs zu erfolgen.

Taxonomie und Nomenklatur

Die Hirschziegenantilope wurde 1758 von Carl von LINNÉ als "Capra cervicapra" wissenschaftlich beschrieben. Der Berliner Naturforscher Peter Simon PALLAS stellte sie 1766 als Typusart in die neue und bis heute gültige Gattung Antilope. Es werden gegenwärtig zwei Unterarten anerkannt [4; 11]:

  • Antilope c. cervicapra, verbreitet im größten Teil Indiens
  • Antilope c. rajputanae, beschränkt auf Nordwest-Indien und Teile Pakistans, im Mittel etwas größer als die Nominatform und weiße Färbung der Unterseite ausgedehnter

Literatur und Internetquellen

  1. BLINCOW (2013) Nepal - Terai Mammals Chitwan NP & Bardia NP
  2. BREHM, A. E. (1882-1887)
  3. GRZIMEK, B. (ed., 1970)
  4. IUCN SSC Antelope Specialist Group (2017). Antilope cervicapra. The IUCN Red List of Threatened Species 2017: e.T1681A50181949. http://www.iucnredlist.org/details/1681/0. Downloaded on 14 June 2018
  5. JOHNSINGH, A. & MANJREKAR, N. (eds., 2015)
  6. PUSCHMANN, W., ZSCHEILE, D., & ZSCHEILE, K. (2009)
  7. SCHILCHER, B. (2010)
  8. WALTHER, F. (1966)
  9. WALTHER, F. (1968)
  10. WEIGL, R. (2005)
  11. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)

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