Donnerstag, 14 Juni 2018 14:58

LANGGUTH, S. (2002)

Haltung, Fütterung, Fortpflanzung und Krankheitsgeschehen des Lippenbären (Melursus ursinus, Shaw 1791) in Zoologischen Gärten unter besonderer Berückschtigung des Metastasierenden Extrahepatischen Gallengangskarzinomes (MEG).

Reproduction, feeding, keeping conditions and diseases of Sloth bears (Melursus ursinus, Shaw 1791) in Zoological gardens, with special consideration of cholangiocarcinoma.

Dr. med. vet. Dissertation

97 Seiten, 4 Abbildungen, 32 Tabellen, 193 Literaturangaben, Anlagen

Ganzer Text

Veterinärmedizinische Fakultät der Universiät Leipzig
Betreuer: Prof. Dr. vet. med. Klaus Eulenberger
Zoo Leipzig

Zusammenfassung:

Ziel dieser Arbeit war es, wissenschaftliche Grundlagen zur Verbesserung der Haltung von Lippenbären (Melursus ursinus, Shaw 1791) in menschlicher Obhut zu schaffen. Im Rahmen einer Literaturstudie wurden für die Betreuung der Tierart wichtige Daten, wie physiologische und labordiagnostische Werte, sowie notwendige Aspekte für die Diskussion der Haltungsprobleme herausgegriffen und systematisch dargestellt. Im zweiten Teil der Arbeit wurde die Lippenbärenhaltung in 4 europäischen Zoologischen Gärten auf Gehegegestaltung, Fortpflanzungsbiologie, Fütterung, Häufigkeitsverteilung klinischer Erkrankungen und Todesursachen im Zeitraum von 1960-2000 untersucht. Die häufigsten klinischen Krankheitsfälle waren Endoparasitosen, Erkrankungen des Verdauungsapparates und Traumata. Bei den Todesursachen adulter Lippenbären stand mit einer Inzidenz von 47,6 % das Metastasierende Extrahepatische Gallengangskarzinom (MEG) im Vordergrund. Dabei ergaben sich betreffend Verlauf, Histologie und Metastasierungsgrad auffallende Gemeinsamkeiten mit dem cholangiolären Karzinom des Menschen. Die Jungtiersterblichkeit lag bei über 67,3 % in den ersten zwei Lebensjahren. Optimale räumliche und klimatische Bedingungen in den Wurfkäfigen sind als die wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Aufzucht erkannt worden. Weiterhin wurden im Rahmen der Arbeit Vergleichswerte für labordiagnostische Parameter bei klinisch gesunden Tieren und geeignete Kombinationen zur Neuroleptanalgesie erarbeitet. Ein Schwerpunkt der Arbeit lag auf der Analyse möglicher Zusammenhänge zwischen der Fütterung und dem als häufigste Todesursache der adulten Tiere festgestellten MEG. Zu diesem Zweck wurden von 26 Zoos die Futterrationen (n = 47) erhoben und mit den Angaben von Untersuchungen aus der Wildbahn verglichen. Basierend auf den quantitativen Verzehrsanalysen wird eine detaillierte Fütterungsempfehlung angeboten, die den Kern eines Maßnahmenkataloges zur Verbesserung der Lippenbärenhaltungen in menschlicher Obhut bildet.

Abstract:

The goal of this study was to determine, how to better care for Sloth bears (Melursus ursinus, Shaw 1791) in captivity. A literary study was performed to determine physiological and laboratory parameters as well as other important factors for the husbandry of Sloth bears. Records from 1960-2000 on the care of Melursus ursinus kept in four European Zoological gardens have been evaluated. Specifically investigated were enclosure design, reproduction, feeding conditions, incidences of diseases and morbidity. The main clinical problems were parasitosis, indigestion and traumatism. The dominant cause of death of adult Sloth bears was cholangiocarcinoma with an incidence of 47,6 %. Common aspects to the human cholangiocarcinoma were discovered, such as course, histology and metastatic invasion. The mortality of juveniles was 67,3 % during the first two years. It was found that optimum spatial and climatic conditions in the denning enclosures and cubing boxes were most important for successful rearing. Reference values for laboratory parameters and immobilization of Sloth bears were established. The possible connection between feeding and the high incidence of cholangiocarcinoma in adult animals was investigated. This was obtained by analyzing 47 diets from 26 Zoological Gardens and comparing them with the natural diets of the animals. Based on this quantitative consumption analysis a detailed feeding plan was developed. This plan is shaping the heart of the developed guideline to improve the keeping conditions of Sloth bears in Zoos.

 

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Donnerstag, 14 Juni 2018 12:34

Lippenbär

Überordnung: LAURASIATHERIA
Ordnung: Raubtiere (CARNIVORA)
Taxon ohne Rang: Landraubtiere (FISSIPEDIA)
Unterordnung: Hundeartige (Caniformia)
Familie: Bären (Ursidae)
Unterfamilie: Eigentliche Bären (Ursinae)

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EEPLippenbär

Melursus ursinus • The Sloth Bear • L'ours lippu des Indes

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Lippenbär (Melursus ursinus) im NaturZoo Rheine © Achim Johann, NaturZoo Rheine

 

 

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Approximative Verbreitung des Lippenbären (Melursus ursinus). Dunkelblau: Gegenwärtig noch vorhanden oder möglicherweise noch vorhanden; rot: ausgerottet

 

 

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Lippenbär (Melursus ursinus) im Zoo Sofia © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

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Sri Lanka-Lippenbär (Melursus ursinus inornatus) im Zoo Moskau © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

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Sri Lanka-Lippenbär (Melursus ursinus inornatus) im Zoo Moskau © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

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Zwei Tage alter Lippenbär (Melursus ursinus) im Zoo Rheine © Zoo Rheine (Pressefoto)

 

 

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Zwei Monate alter Lippenbär (Melursus ursinus) im Zoo Berlin © Zoo Berlin (Pressefoto)

 

 

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Drei Monate alter Lippenbär (Melursus ursinus) "Balou" im Zoo Berlin © Zoo Berlin (Pressefoto)

 

 

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Drei Monate alter Lippenbär (Melursus ursinus) "Balou" im Zoo Berlin © Zoo Berlin (Pressefoto)

 

 

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Drei Monate alter Lippenbär (Melursus ursinus) "Balou" im Zoo Berlin beim ersten Spaziergang im Außengehege © Zoo Berlin (Pressefoto)

 

 

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Junger Lippenbär (Melursus ursinus) auf Mutter reitend im Zoo Berlin © Wolfgang Dreier, Berlin

 

 

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Junger Lippenbär (Melursus ursinus) mit Mutter im Zoo Berlin © Zoo Berlin (Pressefoto)

 

 

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Auseinandersetzung zwischen Lippenbär (Melursus ursinus) im Zoo Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

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Lippenbär (Melursus ursinus) im Zoo Leipzig © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

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Lippenbär (Melursus ursinus) als Reittier für jungen Rhesusaffen © Zoo Leipzig (Pressefoto)

 

 

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Lippenbär (Melursus ursinus) auf nicht-tiergerechter Anlage in einem osteuropäischen Zoo im Jahr 1988 © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

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Lippenbären-Motiv auf Briefmarke. Vereinte Nationen

 

Weitere Bilder bei BioLib

Der in seiner Heimat gefährdete Lippenbär wird heute nicht mehr sehr häufig in europäischen Zoos gehalten. Wo vorhanden, kann er als Beispiel dafür eingesetzt werden, wie die vermeintliche medizinische Wirkung von Körperteilen die illegale Jagd befördert und katastrophale Auswirkungen auf die Bestände der betroffenen Tierart haben kann, zudem ist er aufgrund seiner von anderen Bären abweichenden Anatomie zoopädagogisch interessant.

Körperbau und Körperfunktionen

Der Lippenbär ist ein mittelgroßer Bär, etwa vom Kaliber eines Baribals. Seine Kopf-Rumpflänge beträgt 130-180(-190) cm, die Schulterhöhe etwa 65-100 cm, die Schwanzlänge 10-12(8-17) cm. Bären werden 70-145(-190) kg schwer, Bärinnen 50-95(-120) kg. Tiere aus Sri Lanka sind etwas kleiner als solche vom Festland. Die Schnauze ist hell und kaum behaart, die Lippen sind verlängert, sehr beweglich und ausstülpbar. Die schmale Zunge ist bis 25 cm lang und kann weit herausgestreckt werden. Die Nasenlöcher können geschlossen werden. Die elfenbeinfarbigen Krallen der Vorderpfoten sind bis 8 cm lang, jene der Hinterfüße um die Hälfte kürzer. Die meisten Lippenbären sind schwarz, es gibt aber auch braune. Auf der Brust haben sie einen U- oder Y-förmigen, weißen, gelblichen oder bräunlichen Fleck. Das Fell ist rau und zottelig, die Haare bis 20 cm lang [1; 2; 14].

Wie für Bären typisch, besitzt der Lippenbär als Jungtier im Milchgebiss 42 Zähne. Als besondere Spezialisierung an die primär aus Termiten und Ameisen bestehende Nahrung werden aber die oberen zwei Incisivi im Nachhinein reduziert. Die Größe der übrigen Zähne nimmt ebenfalls ab, so können die Insekten direkt ins Maul gesaugt und verschluckt werden [7].

Verbreitung

Südasien: Bhutan, Indien, Nepal, Sri Lanka. In Bangladesch vermutlich ausgestorben [4].

Lebensraum und Lebensweise

Lippenbären besiedeln vor allem tiefere Lagen bis etwa 1'500 m, in den Western Ghats bis 2'000 m. Sie nutzen unterschiedlichste Lebensräume: tropische Feuchtwälder, Trockenwälder, Busch, Savanne und Grasland. Sie ernähren sich vorab von Ameisen und Termiten, wobei ihnen ihre langen Grabklauen zum Öffnen der Termitenbauten dienlich sind, sowie von Früchten. Nach dem Eröffnen eines Termitenbaus strecken sie ihre Schnauze in das Loch, saugen die Insekten ein und blasen Schmutzpartikel wieder aus, eine Tätigkeit, die mit erheblichem Geräusch verbunden ist. Bei den Früchten wird eher Fallobst gefressen als auf die Bäume geklettert. Ein erwachsener Lippenbär hat keine ernstzunehmenden Feinde. Selbst der Tiger mag sich nicht mit diesem wehrhaften Dschungelbewohner einlassen. Deshalb gehört der Lippenbär zu den wenigen Tieren, die sich einen tiefen, ausgiebigen Schlaf gönnen können. Weil er sich beim Schlafen nicht stören ließ, hielten ihn die alten Indienfahrer zunächst für ein Riesenfaultier, und auf Englisch heißt er heute noch "Sloth Bear", Faultier-Bär [4; 8; 14].

Lippenbären sind Einzelgänger, die nur zur Paarungszeit oder in Mutterfamilien zusammen sind. In Waldgebieten sind sie tagsüber oder während der Nacht aktiv. Sie haben Streifgebiete, die sehr unterschiedlich groß sind, auf Sri Lanka bei Bärinnen ab 2 km², bei Bären ab 4 km². Andererseits wurden in Indien Flächen bis zu 100 km² ermittelt. Die Streifgebiete überlappen sich, allerdings scheinen Bärinnen die Kernzonen als exklusive Territorien zu beanspruchen [13].

Lippenbären machen keine Winterruhe. Die Fortpflanzungszeit fällt auf Mai bis Juli, wobei sich beide Geschlechter mit jeweils mehreren Partnern paaren. Die befruchtete Eizelle macht zuerst eine Keimruhe von durch. Die gesamte Trächtigkeit dauert um die 7 Monate. Die meist 1-2 Jungen kommen zwischen November und Januar in einer natürlichen oder von der Mutter gegrabenen Höhle zur Welt. Sie verlassen den Bau mit 2.5 bis 3 Monaten. Während 6-9 Monaten reiten die Jungen oft auf dem Rücken der Mutter. Sie werden 12-14 Monate gesäugt und bleiben 1.5-2.5 Jahre bei der Mutter [14].

Gefährdung und Schutz

Aufgrund einer Beurteilung aus dem Jahr 2016 gilt der Lippenbär als gefährdete Tierart (Rote Liste: VULNERABLE), hauptsächlich durch Verlust des Lebensraums und illegale Bejagung. Es werden auch junge Lippenbären lebend gefangen, um als Tanzbären abgerichtet zu werden. Es liegen keine verlässlichen Schätzungen der Bestände vor, aber vermutlich liegt der Gesamtbestand unter 20'000 Individuen. Nachdem projiziert wird, dass die Bevölkerung Indiens in den nächsten drei Jahrzehnten um 366 Millionen Menschen wachsen wird, lässt vermuten, dass es bis dann außerhalb von Schutzgebieten kaum noch Lippenbären geben wird [4].

Der Handel ist seit 1990 nach CITES-Anhang I eingeschränkt. Motivation für die Aufnahme in Anhang I waren illegale Ausfuhren von Gallenblasen.

Bedeutung für den Menschen

Zumindest früher kam es relativ häufig zu Angriffen von Lippenbären auf Menschen, die oft zu bösen Gesichtsverletzungen führten, was z.B. HEDIGER, der die Angriffe als kritische Reaktion der die im tiefen Schlaf aufgeschreckten Bären interpretiert, fotografisch dokumentiert [1; 8].

Wirtschaftliche Bedeutung: Lippenbären werden zur Gewinnung ihrer Geschlechtsteile als Aphrodisiakum, von Knochen, Zähnen und Klauen zum Vertreiben böser Geister sowie von Fett als Heil- oder Haarwuchsmittel für den Hausgebrauch oder ihrer Galle für den Handel illegal gejagt, allerdings auf tiefem Niveau. Ebenfalls abgenommen hat das Einfangen von Jungtieren als Tanzbären für Gaukler. Im Rahmen von CITES wurden im Zeitraum 1977-2017 lediglich die Ausfuhr von einem lebenden Wildfang aus Sri Lanka und von 6 sowie einem "Body" aus Indien registriert. Im selben Zeitraum wurden 48 Nachzuchttiere international verschoben, wovon 14 aus Indien und 12 aus Sri Lanka stammten [3; 4].

Kulturelle Bedeutung: Der Lippenbär heißt auf Hindi Bhalu und auf Bengali Bhalluk, er ist also "Balu, der Bär" in Rudyard KIPLINGs Dschungelbuch - und nicht etwa der Braunbär, wie uns Walt DISNEY glauben machen möchte [9]. Dementsprechend wird "Balu" oder "Balou" in Zoos als Hausname für einzelne Tiere verwendet, z.B. für ein im Winter 2016/17 im Zoo Berlin geborenes Jungtier [PM Zoo Berlin].

Haltung im Zoo

In ihrer Heimat als gefährlichstes Raubtier gefürchtet, können Lippenbären im Zoo sehr zahm und zuverlässig werden. In Basel gab es in den 1940er-Jahren  einzelne Besucher, die - zum Entsetzen des Personals - den Lippenbären durch das Gitter hindurch die Pfoten streichelten, oder die langen Lippen mit den Fingern zurücklegten, um Einzelheiten des Gebisses zu demonstrieren [8]. Früher war es durchaus üblich die drei asiatischen Tropenbären auf einer gemeinsamen Anlage zu halten, eventuell gar mit weiteren Bärenarten, wie um 1960 in Hannover. Dies ging nicht immer gut. Im Zoo Zürich wurde 1960 und 1964 je ein weiblicher Lippenbär von einer Kragenbärin, ev. Malaienbärin getötet [6]. Lippenbären können im Zoo ein Alter von über 33 Jahren erreichen [13]. Seit 1996 gibt es ein Internationales Zuchtbuch, das ehemals vom Zoo Rhenen, jetzt von der Madai Wildlife Group geführt wird, und in dem im Februar 2016 insgesamt 490 lebende Tiere in 50 Institutionen erfasst waren [IZY 52].

Haltung in europäischen Zoos:
Die Art wird nur in wenigen Zoos gehalten, von denen sich etwa die Hälfte im deutschsprachigen Raum befinden. Die Tiere gehören überwiegend der Nominatform an. Für Details siehe Zootierliste.

Die europäische Erstzucht glückte 1963 im Zoo Leipzig. Seit 1990 gibt es ein Europäisches Erhaltungszuchtprogramm (EEP), das seit 2023 vom Allwetterzoo Münster als "New Style EEP" koordiniert wird. Die Bärenspezialisten-Gruppe der EAZA hat Empfehlungen für Bau und Gestaltung neuer, die sinnvolle Verwendung alter Anlagen sowie den Einsatz von Programmen zur Umweltanreicherung herausgegeben [10; 12].

Wie Lippenbären gehalten werden (Beispiele):

Forschung im Zoo: Mit dem Ziel, wissenschaftliche Grundlagen zur Verbesserung der Haltung von Lippenbären in menschlicher Obhut zu schaffen, wurde an Zoo und Uni Leipzig eine Dissertation zur Haltung, Fütterung, Fortpflanzung und Krankheitsgeschehen des Lippenbären in Zoologischen Gärten unter besonderer Berücksichtigung des Metastasierenden Extrahepatischen Gallengangskarzinomes (MEG) verfasst. Für das MEG wurde bei den adulten Lippenbären eine Inzidenz von 47,6 % ermittelt. Es ist somit die häufigste Todesursache [11].

Da Lippenbären in Europa nicht häufig gehalten werden, sind sie ansonsten selten Gegenstand von Forschungsarbeiten. Dabei werden sie oft im Kontext mit anderen Arten abgehandelt, etwa im Rahmen von Untersuchungen zur Fortpflanzungsphysiologie und Geburtenkontrolle bei in Menschenhand gehaltenen Bären oder in einer Arbeit über Ursidae in der Sammlung von Koenigswald [5; 7].

Mindestanforderungen an Gehege: Das Säugetiergutachten’96 des BMEL sah für ein Außengehege für zwei Lippenbären 150 m² und für jedes weitere Tier zusätzlich 20 m² vor. Das war zweifellos anpassungsbedürftig. Allerdings sollten sich, wie bei anderen solitär lebenden Tieren, die Maße für die Grundeinheit eines Geheges auf ein Einzeltier beziehen und nicht, wie im Säugetiergutachten 2014 des BMEL auf drei Tiere. Weil Bären solitär lebende Tiere sind, ist die Einzelhaltung in vielen Fällen mit weniger Stress verbunden als die Gruppenhaltung. Für bestehende Anlagen wäre demnach eine Fläche von 150 m² für jedes Tier zu fordern, d.h. für drei Tiere 450 m², was in der Größenordnung der Vorgabe des Gutachtens (500 m²) liegt. Dass die Innenboxen in jedem Fall verbindbar sein müssen ist nicht einzusehen, bei Wurfboxen wäre dies ohnehin kontraindiziert. Je nach Konstellation des Stallgebäudes sind unterschiedliche Möglichkeiten denkbar.

Da sich an der Situation, dass Lippenbären ausschließlich in EAZA Zoos gehalten werden, kaum etwas ändern wird, ist davon auszugehen, dass sich Neuanlagen hinsichtlich Dimensionen und Ausstattung an den umfangreichen Empfehlungen der EAZA orientieren werden und nicht am Gutachten.

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für 1-2 Lippenbären eine Landfläche von 150 m² und ein Wasserbecken von 50 m² mit einer mittleren Tiefe von 1 m vor. Für jeden weiteren Bären ist die Landfläche um 20 und die Wasserfläche um 2 m² zu erhöhen, (was allerdings eine unsinnige Bestimmung ist). Für jedes Tier ist eine Schlafbox von 6 m² vorzusehen.

Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) ist für 1-2 Tiere ein Gehege von 300 m² und ist pro Tier eine Schlafbox von 8 m² erforderlich.

Taxonomie und Nomenklatur

Der Lippenbär wurde ursprünglich wegen seines Verhaltens, seiner Gestalt und des Fehlens der beiden ersten oberen Schneidezähne als Faultier angesehen und 1791 von George SHAW, einem englischen Arzt und Naturforscher, der als Kustos am Britischen Museum tätig war, als "Bradypus ursinus" beschrieben. Erst nachdem zu Beginn des 19. Jahrhunderts lebende Tiere nach Europa gelangten, stellte man fest, dass er ein echter Bär ist. Zurzeit wird er in die monospezifische Gattung Melursus gestellt, es gibt aber auch Autoren, welche die Meinung vertreten, er gehöre in die Gattung Ursus. Es werden gegenwärtig zwei Unterarten anerkannt, die Nominatform auf dem Festland und Melursus ursinus inornatus auf Sri Lanka [1; 4; 14].

Literatur und Internetquellen

  1. BREHM, A. E. (1882-1887)
  2. CITES IDENTIFICATION MANUAL
  3. CITES TRADE DATA BASE
  4. DHARAIYA, N. , BARGALI, H.S. & SHARP, T. 2020. Melursus ursinus (amended version of 2016 assessment). The IUCN Red List of Threatened Species 2020: e.T13143A166519315. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2020-1.RLTS.T13143A166519315.en. Accessed on 17 February 2023.
  5. DIETERMANN, A. (1996)
  6. DOLLINGER, P. (1971)
  7. HARTMANN, D. (2004)
  8. HEDIGER, H. (1949)
  9. KIPLING, R. (2003)
  10. KOLTER, L., KAMPHORST, N.F. & RUVEN, S.A.W. (2007)
  11. LANGGUTH, S. (2002)
  12. USHER SMITH, J. & KOLTER, L. (2007)
  13. WEIGL, R. (2005)
  14. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)

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