HEDIGER, H. (1965)
Mensch und Tier im Zoo: Tiergartenbiologie.
332 Seiten, 188 s/w.Photo auf Bildtafeln.
Albert Müller Verlag, Rüschlikon-Zürich, Stuttgart, Wien. Verlags-Nr. 1/4-811/65.
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Gehegeeinrichtung
Gehegegliederung
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Bei Gruppenhaltung sind die Gehege so zu strukturieren, dass soziale Konflikte minimiert werden. Dazu werden z.B. Sichtblenden, wie Palisadenwände, Pflanzinseln, Felsen oder Hügel eingebaut und Rückzugsbereiche geschaffen, etwa durch die Unterteilung des Geheges durch einen Wasserlauf, der für die Tiere zwar überwindbar ist, aber trotzdem von den Individuen als Grenze zwischen ihren Interessensphären wahrgenommen werden kann. In einem derart strukturierten Gehege können sich die Tiere aus den Augen gehen und können sich sozial unterlegene Tiere zurückziehen. Werden verschiedene Bodensubstrate verwendet, wird bei den Übergängen darauf geachtet, dass möglichst keine Verletzungsgefahr besteht. Bei manchen Hirscharten hat es sich bewährt, den Tieren zwei Gehege zur Verfügung zustellen, die durch "Brautgänge" miteinander verbunden sind, d.h. Durchlässe, die so eng sind, dass sie von den Hirschkühen und -kälbern problemlos passiert werden können, die aber wegen des Geweihs für männliche Hirsche ein Hindernis darstellen. Eine originelle Möglichkeit, bei Mardern die Geschlechter zeitweiliog zu trennen, gibt es im Highland Wildlife Park in Kingussie: Das Baummarderpaar bewohnt zwei versetzt angeordnete Volieren. Dort, wo diese aneinandergrenzen, ist die Maschenweite des Gitters so bemessen, dass die Fähe durchpasst, nicht aber der Rüde. Da dem Gitter an dieser Stelle ein Schiebetor mit derselben Maschenweite vorgebaut ist, kann man die Tiere dadurch ganz trennen, dass man das Tor um eine halbe Maschenweite verschiebt. |
Infrastruktur
Bei der Einrichtung von Gehegen achten die Zoos darauf, dass sie alle Fixpunkte und Strukturen einbauen, die von den Tieren benötigt werden. Dazu gehören Schlaf- und Ruheplätze, Futterstellen und Tränken, je nach Tierart geeignete Stellen für Kot- und Harnabsatz, Aussichtspunkte, Verstecke, damit sozial schwächere Tiere sich außer Sicht dominanter Gruppenmitglieder begeben können, Einrichtungen für das Komfortverhalten, wie Bäder, Sandbäder, Suhlen, Kratzbäume, Gegenstände und Einrichtungen zum Spielen und allgemein eine Infrastruktur, die es den Tieren erlaubt, ihr arttypisches Bewegungsverhalten auszuüben. [HEDIGER, 1965]
Literatur:
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PD - 31.12.2010; 09.08.2011; 29.10.2022
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Was Menschen wollen
Zoos werden von Menschen für Menschen gemacht. Deshalb müssen sie nicht nur den Ansprüchen der gehaltenen Tiere genügen, sondern auch die Bedürfnisse und Vorgaben der menschlichen Gesellschaft berücksichtigen. Sie sind, im Sinne der Definition HEDIGERS (1973), gleichzeitig Freizeiteinrichtung, Lernort, Forschungsstätte und Naturschutzzentrum. Sie haben demzufolge verschiedene Anspruchsgruppen, die unterschiedlichste Anforderungen stellen.
Gesetzgeber, Politik
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Die Gesetzgebung hat in den letzten Jahrzehnten inflationäre Züge angenommen. Alles wird geregelt, möglichst bis ins letzte Detail. Wenn ein internationales Übereinkommen abgeschlossen wird, kann man davon ausgehen, dass es bei der Umsetzung durch die Europäische Union zu Verschärfungen kommt, dass dann die Bundesrepublik noch eins draufsetzt und dass schließlich der Vollzug durch die Bundesländer uneinheitlich ist. Der Gesetzgeber macht den Zoos in Zusammenhang mit der Tierhaltung heute Vorgaben betreffend Tierschutz, Schutz vor Tierseuchen, Schutz der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit, Artenschutz, Schutz der biologischen Vielfalt, Landschaftsschutz, Baumschutz, Arbeitnehmerschutz und so weiter. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass sich die Vorgaben der verschiedenen Gesetzgebungen widersprechen. Einige Politiker wollen Zoos abschaffen und fördern daher schwer oder nicht erfüllbare gesetzliche Vorgaben. Mehrheitlich wird aber ein gutes Verhältnis gesucht, man zeigt sich bei Anlässen im Zoo oder übernimmt Tierpatenschaften. Leider geht aber trotzdem im Gesetzgebungsprozess oft vergessen, dass Vorgaben, die eigentlich auf die Landwirtschaft gemünzt sind, oft auch die Zoos betreffen, aber deren Situation nicht gerecht werden. |
Geldgeber
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Im deutschsprachigen Raum sind die größeren Zoos überwiegend im Besitz der öffentlichen Hand oder sind gemeinnützige private Einrichtungen. Rendite ist deshalb in der Regel kein Thema. Vielmehr soll aus der Sicht der Kommunen oder gemeinnützigen Betreiber der Zoo eine preisgünstige, allen Bevölkerungsschichten zugängliche Möglichkeit sein, die Freizeit zu verbringen. Andererseits haben die Geldgeber, namentlich die Kommunen, alles Interesse, Defizite zu vermeiden. Nachdem neue Anlagen unterschiedlichen, aber stets hohen Ansprüchen genügen müssen, ist Bauen im Zoo teuer und kann nur selten aus Überschüssen der Betriebsrechnung finanziert werden. Die Geschwindigkeit und Frequenz, mit der neue Tiergehege realisiert werden können sind daher wesentlich von der Finanzkraft der Kommunen abhängig. Viele Bauvorhaben wären nicht möglich, wenn die Zoos nicht auf einen enormen Rückhalt in der Bevölkerung zählen könnten. Fast jeder Zoo hat einen Freunde- oder Förderverein, der ihm helfen will. 69 Vereine in Deutschland, der Schweiz, Österrreich, den Niederlanden und Spanien - mit etwa 80'000 Mitgliedern - haben sich in der Gemeinschaft der Zooförderer (GDZ) zusammengefunden. Aus dem GDZ-Budget werden gemeinsame Projekte gefördert, so etwa eine neuen Schneeleopardenanlage in Tallinn. Hauptsächlich unterstützen aber die einzelnen Vereine Projekte ihres jeweiligen Zoos. Einige Beispiele: 1999-2009 - Zoofreunde Leipzig insgesamt 3.6 Mio €, Zoofreunde Krefeld 110'000 € zum Bau des Forscherhauses, 2010 - Freunde des Duisburger Tierparks 320'000 € an die neue Bärenanlage, Heidelberger Tiergartenfreunde 100'000 € zum neuen Elefantenhaus; 2011 - Freunde Hauptstadtzoos 110'000 € zum Umbau des Vogelhauses im Berliner Zoo. Die Freundevereine von sieben Schweizer Zoos wiesen im Jahr 2015 zusammen 53'920 Mitglieder auf, welche die Zoos mit 1.675 Mio. CHF unterstützten. |
Tier- und Artenschützer
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Die Zooleute verstehen sich selbst als Tier- und Artenschützer und sehen in der Regel keinen Konflikt zwischen den Anforderungen der beiden Schutzziele, wenn man davon absieht, dass die Zoos, ebenso wie die Natur- und Artenschutz-Organisationen, dem Erhalt und guten Funktionieren einer Population Vorrang vor dem Erhalt des Lebens eines Individuums geben, ein Standpunkt, der von "Tierschützern" nicht unbedingt geteilt wird. Naturschutzorganisationen haben mittlerweile begriffen, dass von den Zoos keine Gefährdung der freilebenden Tierwelt ausgeht, sondern dass sie vielmehr der wichtigste Multiplikator sind, um den Natur- und Artenschutzgedanken in die Bevölkerung hinauszutragen, und dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten Schutzprojekte nicht nur ideell, sondern auch mit Fachwissen, Tieren, Material und Geld unterstützen. Währenddem das Verhältnis zwischen Zoos und Naturschützern in der Regel unproblematisch ist und oft eine enge Zusammenarbeit praktiziert wird, trifft das für Tierschutzorganisationen nicht im selben Maße zu. Zwar kann auf lokaler Ebene ebenfalls pragmatisch zusammengearbeitet werden, auf nationaler Ebene werden aber von den Organisationen, die ja selbst nicht in der Verantwortung stehen, vielfach überzogene Forderungen gestellt. Zoos sollen sich sachlich begründeter Kritik stellen, sie müssen sich aber auch gegen ungerechtfertigte Vorwürfe oder gut gemeinte, aber unzweckmäßige Vorschläge wehren. Dass mit Organisationen, die aus ideologischen Gründen ein Verbot der Haltung aller oder bestimmter Tierarten fordern, ein Dialog schwierig bis unmöglich ist, versteht sich von selbst. Zum Glück sind diese Organisationen, so lautstark sie sich gebärden, nicht repräsentativ für die große Mehrheit der Bevölkerung und ihre Argumentation ist wenig stichhaltig, was aber manche Politiker nicht daran hindert sie zu unterstützen. |
Tierpflege-Personal
Tierpfleger haben in der Regel ihren Beruf gewählt, weil sie sich zu Tieren hingezogen fühlen und sich mit ihnen beschäftigen wollen. Sie wünschen sich daher ausreichend Zeit, um sich mit den Tieren abzugeben und z.B. Programme zur Umwelt- und Verhaltensanreicherung oder für das sogenannte "Medical Training" zu erarbeiten und durchzuführen. Vom Arbeitgeber erwarten sie zudem, dass die betrieblichen Einrichtungen und Arbeitsabläufe so gestaltet sind, dass Gefährdungen der Gesundheit, Unfälle und Überbeanspruchungen nach Möglichkeit vermieden werden und dass nicht nur den Schaugehegen, sondern auch den Zugängen zu den Gehegen und den Einrichtungen hinter den Kulissen, wie Personalräume, Werkstätten, Zucht- und Abtrenngehege, Material- und Futterlager, Klimatisierung sowie Entsorgung, die nötige Aufmerksamkeit geschenkt wird. |
Zoopädagogen
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Wissensvermittlung und Pädagogik sollen ein integraler Bestandteil der Gehegegestaltung und Bestandsplanung sein. Methoden, die Bildungsprogramme umzusetzen, können unter anderem umfassen: Schilder, Ausstellungen, permanente oder temporäre Ausstellungen, audio-/visuelle Darstellungen, interaktive Elemente, Computer-gestützte Informationen, Zooführer und Veröffentlichungen oder Veranstaltungen von Mitarbeitern. Wenn pädagogische Programme erfolgreich sein sollen, müssen die Zootiere optimal gehalten werden, in Anlagen, die es ihnen ermöglichen, so natürlich zu leben und sich zu verhalten, wie es eben möglich ist. Tiere, die an physischen und/oder psychischen Einschränkung zu leiden scheinen, sind kontraproduktiv für die Pädagogik und konterkarieren die Naturschutzbotschaft. Darbietungen mit Tieren können hilfreich sein, es soll aber ihre pädagogische Wirksamkeit belegt und der Tierschutz in jedem Fall gewährleistet sein. Unnatürliches Verhalten der Tiere oder ihre Vermenschlichung sind zu vermeiden. Um ihrer Tätigkeit nachzugehen wünschen sich die Zoopädagogen eine gute schulische Infrastruktur mit Klassenzimmern, Wetlabs, Sammlungsraum sowie Einrichtungen, um vor Tiergehegen ungestört vom übrigen Publikum zu unterrichten. |
Besucher
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Hauptmotiv für einen Zoobesuch ist in der Regel, seine Freizeit in angenehmer Umgebung zu verbringen und dabei etwas zu erleben, allein, mit Partner, im Kreis der Familie oder mit Freunden. Die Besucher wollen Tiere sehen, möglichst ohne störende Gitter und in einer naturnahen Umgebung. Große, hauptsächlich exotische Säugetiere, wie Menschenaffen, Bären, Löwen, Tiger, Elefanten, Nashörner, Flusspferde und Giraffen, sowie Meeressäugetiere und Pinguine stehen in der Beliebtheitsskala ganz oben. Es soll etwas los sein - die "Fütterung der Raubtiere" ist zum stehenden Ausdruck geworden, schlafende Tiere werden kaum beachtet. Man will Tieren nahe kommen, Streichelgehege oder Möglichkeiten Tiere zu füttern sind äusserst populär. Ob eine Haltung als tiergerecht beurteilt wird, hängt wesentlich davon ab, ob sie besuchergerecht ist, denn die meisten Menschen wissen wenig über die Bedürfnisse der Tiere sondern schließen von sich selbst auf das Tier. Selbstverständlich wollen die Besucher nebst einem positiven Tiererlebnis auch eine ihren Bedürfnissen angepasste Infrastruktur, wie rollstuhl- und kinderwagengängige Wege, im Park verteilte Sitzbänke, eine gute Gastronomie, saubere Toiletten und attraktive Kinderspielplätze. |
Literatur:
- DOLLINGER, P. (Hrsg., 2008)
- DOLLINGER, P. (Hrsg., 2016)
- HEDIGER, H. (1965)
- HEDIGER, H. (1973)
- POLEY, D. (Hrsg., 1993)
- POLEY, D. (1994)
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PD - 31.12.2010; 07.01.2011; reaktiviert 25.08.2023
2110
Was Tiere brauchen
Wer Tiere hält, muss sie entsprechend ihrer Art und ihren Bedürfnissen angemessen ernähren, pflegen und sie verhaltensgerecht unterbringen*. Um das zu tun, muss man wissen, was sie brauchen, was ihre elementaren Grundbedürfnisse sind. Diese Grundbedürfnisse ergeben sich aus der Notwendigkeit der Selbsterhaltung. Freiheit ist kein Bedürfnis von Tieren. Sie ist grundsätzlich auch in der Natur stark eingeschränkt. Gründe dafür sind der (im Vergleich zum Menschen geringere) Grad der Cerebralisation sowie viele endogene und exogene Faktoren. In Menschenobhut gehaltene Tiere brauchen aber in jedem Fall Gehege, die so eingerichtet und gestaltet sind, dass sie darin alle ihre Grundbedürfnisse befriedigen können, und die ihrem Verhalten angemessen Rechnung tragen.
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GrundbedürfnisseUm als Individuen und als Art zu überleben, müssen Tiere
Es besteht in dieser Hinsicht kein grundsätzlicher Unterschied zwischen dem Leben im natürlichen Lebensraum und dem Leben im Zoo, wenn man einmal davon absieht, dass die Tiere sehr rasch lernen, dass sie im Zoo sicher vor Fressfeinden sind. Brauchen die Tiere Freiheit?Tiere haben keine abstrakte Vorstellung davon, was "Freiheit" ist. Viele ihrer Handlungsweisen sind durch Reflexe diktiert, das Tier hat in diesen Fällen also gar keine Wahlfreiheit. Dies ist umso ausgeprägter, je geringer der Grad der Cerebralisation der betreffenden Art ist. Wird in Zusammenhang mit Zootieren von "Freiheit" gesprochen, geht es in der Regel um die freie Wahl des Aufenthaltsorts, die im Zoo offensichtlich durch die Gehegebegrenzung beschränkt ist. Dem als Gefängnis verstandenen Zoogehege wird die "goldene Freiheit" gegenübergestellt, die das Tier in der Natur genießen soll. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung sind die Tiere aber auch im natürlichen Lebensraum nicht "frei", sondern ihre Bewegungsfreiheit ist, wie im Zoo, Einschränkungen unterworfen: In der Natur sind Tiere Teile von Ökosystemen, d.h. es bestehen Wechselwirkungen zwischen dem Tier und seiner belebten und unbelebten Umwelt. Im Zuge der Evolution haben sich Arten herausgebildet, die unterschiedlichste Lebensräume nutzen können. Manche haben sich soweit spezialisiert, dass sie eine bestimmte ökologische Nische optimal besetzen können, in anderer Umgebung aber nicht überlebensfähig sind (stenöke Arten). Andere wiederum sind Generalisten (euryöke Arten), die unterschiedliche Biotope innerhalb einer Ökozone, oder sogar unterschiedliche Ökozonen besiedeln können. Entsprechend der Anpassungsfähigkeit einer Art ist auch ihr Verbreitungsgebiet, das Areal unterschiedlich: Ein Beispiel für eine stenöke Art ist der Koala, der nur in subtropischen Wäldern leben kann, wo bestimmte Eukalyptusarten vorkommen, die er als Nahrung braucht. Ein noch viel kleineres Areal von nur wenigen Quadratkilometern hat der Bergbilchbeutler (Burramys parvus) aus Südostaustralien, der nur in mit Büschen bestandenem Geröllfeldern in 1500 bis 1800 Metern Seehöhe lebt. Eine euryöke Art ist z.B. der Wolf, der sämtliche auf der Karte gezeigten Ökozonen mit Ausnahme der immerfeuchten Tropen besiedelt. Stenöke Arten stellen auch im Zoo spezifischere Ansprüche als euryöke Arten. So muss ein Koala mit Eukalyptusblättern gefüttert werden und er braucht eine frostfreie Umgebung. Der Wolf dagegen frisst von frischtoten Tieren über Hundekuchen bis zu Gammelfleisch und Eiern so ziemlich alles, zur Abwechslung noch ein paar Früchte, und er toleriert Temperaturen von etwa -35ºC bis +35 ºC. In ihrem Lebensraum bewegen sich Tiere nicht frei und regellos. Vielmehr haben sie ein Aufenthalts- oder Streifgebiet (Home Range), in dem sie alles vorfinden müssen, was sie zum Leben und für die Fortpflanzung brauchen und das sie ihne Not nicht verlassen. Die Größe von Streifgebieten kann durch physische Barrieren oder als Folge einer hohen Populationsdichte stark eingeschränkt sein [7]. Im Westen des Kantons Genf, wo eine große Wildschweinpopulation lebt und zahlreiche Verkehrsträger die Landschaft durchschneiden, haben die einzelnen Rotten Streifgebiete von nur 1.4 bis 2.5 km², im benachbarten Frankreich dagegen sind es gebietsweise bis 60 km². Nahrungs- oder Wassermangel kann die Tiere zwingen, saisonal einen anderen Einstand aufzusuchen oder großräumige Wanderungen zu unternehmen, wobei sie festen Routen folgen. Bekannt sind z.B. die jahreszeitliche Wanderung der Gnus und Zebras im Serengeti/Masai-Mara-Gebiet oder die Wanderrouten der Zugvögel. Aufenthaltsgebiete, die dauernd oder während einer bestimmten Jahreszeit von Tieren gegen Artgenossen verteidigt werden, nennt man Territorien. Territorien können gebildet werden von einem Einzeltier, einem Paar oder einer Gruppe. Territorien können dazu dienen, die Nahrungsgrundlage sicherzustellen, in diesem Fall sind sie in der Regel permanent, oder aber sie dienen saisonal der Fortpflanzung (z.B. Brutterritorien von Vögeln) und werden anschließend aufgegeben. Im Folgejahr wird meistens versucht, wieder dasselbe Territorium zu besetzen. Innerhalb des Territoriums werden keine fremden Artgenossen geduldet, wenn man davon absieht, dass sich Territorien von Männchen- und Weibchen überlappen können (z.B. beim Luchs). Dadurch wird das theortisch bewohnbare Areal stark parzelliert, das einzene Tier wird zum Gefangenen seiner Nachbarn. Der Mangel an freien Territorien führt bei permanent territorialen Arten zu einer hohen Sterblichkeit bei den unabhängig werdenden Jungtieren, die von ihrer Mutter nicht mehr geduldet werden, denn es können nur so viele Tiere überleben, wie Territorien vorhanden sind. Die Jungtiere müssen unter Umständen weit wandern, bis sie ein freies Territorium finden. Dabei laufen sie Gefahr von Territoriumsbesitzern getötet zu werden, zu verunfallen oder zu verhungern. Dienen Territorien nur der Fortpflanzung, so limitieren sie die Zahl der Individuen, die sich fortpflanzen können. Innerhalb ihres Territoriums sind die Tiere einem "Raum-Zeit"-System unterworfen, d.h. sie suchen bestimmte Örtlichkeiten (Fixpunkte) zu bestimmten Zeiten auf. Fixpunkte können sein z.B. Bau oder Schlafnest, Tränke, Bad, Sandbad, Suhle, Aussichtspunkte, Markierpunkte etc. Die Fixpunkte sind durch feste Wege, sogenannte Wechsel verbunden, die regelmäßig benützt werden. Auch ein Zoogehege enthält solche Fixpunkte, die von den Tieren durch Wechsel erschlossen werden [1]. In sehr kleinen Gehegen kann das Wechselsystem auf eine Ellipse oder eine Acht reduziert sein, auf der die Tiere ihr Laufpensum absolvieren. Das sieht in jedem Fall unschön aus und kann sich zu einer zwanghaften Stereotypie auswachsen, der durch Beschäftigung zu begegnen ist [5]. Das Raum-Zeitsystem kann sehr starr sein und die Wahlfreiheit des Tieres, was es wann tun will, stark einschränken. So sind z.B. die Aktivitätsphasen des Dachses mit dem Sonnenauf- und -untergang korreliert. Man kann auf 15 Minuten genau sagen, wann ein Dachs seinen Bau verlässt und wann er wieder einfährt [4; 6]. Bei Vögeln ist das Zugverhalten angeboren: ob ein Vogel zieht, wann bei ihm die Zugunruhe einsetzt und meistens auch in welche Richtung er zieht, ist genetisch festgelegt [2]. Schließlich darf man auch nicht vergessen, dass menschliche Aktivitäten den Lebensraum der wild lebenden Tiere immer mehr einengen. Ihre "Freiheit" wir durch den Bau immer neuer Verkehrsträger, durch den durch Siedlungsbau bedingten Lanschaftsschwund und landwirtschaftliche Monokulturen immer mehr eingeschränkt. Viele Großtiere sind mit Forstwirtschaft, Landbau oder der Haltung von Nutztieren nicht kompatibel. Aus diesem Grund ist das Vorkommen des Rothirschs in den meisten deutschen Bundesländern auf behördlich festgelegte Rotwildbezirke beschränkt. Gebiete außerhalb dieser Bezirke - in Bayern z.B. 86 % der Landesfläche - sind per Gesetz "rotwildfrei zu machen und zu halten" [3]. In Südafrika sind aus dem selben Grund die allermeisten Nationalparks, Provinzparks und anderen Schutzgebiete eingezäunt worden. Frei lebende Löwen gibt es im ganzen Land keine mehr und auch Elefanten nur ganz wenige. In den eingezäunten Reservaten müssen die Tierbestände intensiv gemanagt werden: es werden Tiere zwecks Wiedereinbürgerung oder Bestandesstützung eingesetzt, überzählige Tiere werden entweder eingefangen und an andere Reservate oder in den Tierhandel abgegeben oder aber abgeschossen und verwertet, oder es wird, etwa bei Löwen, Empfängnisverhütung praktiziert. Die Abgrenzung zwischen Freiland und Zoo verwischt sich so immer mehr. Wann ist eine Haltung tiergerecht?Eine Haltung ist dann tiergerecht, wenn sie die Anpassungsfähigkeit der Individuen nicht überfordert; überforderte Anpassungsfähigkeit äußert sich in Störungen des Verhaltens, in chronischem Stress, in morphologischen Schäden und in chronischen somatischen Dysfunktionen [8]. |
Literatur und Internetquellen
- ALTHAUS, T. (1994)
- BERTHOLD, P., GWINNER E. & SONNENSCHEIN, E. (Eds., 2003)
- DEUTSCHE WILDTIER-STIFTUNG
- HEDIGER, H. (1961)
- HEDIGER, H. (1965)
- NEAL, E. (1986)
- RUMER, B. (2016)
- STAUFFACHER, M. (1993)
* Die hier verwendete Terminologie entspricht jener der Tierschutzgesetze der deutschsprachigen Länder, Ethologen sprechen in diesem Zusammenhang eher von "Ansprüchen" oder "Bedarf"
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STUDER-THIERSCH, A. (2005)
Behavioural considerations in flamingo enclosure design. EAZA Bird TAGs Meeting, Heidelberg 19.-21.5. 2005. CD EAZA European Association of Zoos and Aquaria.
STUDER-THIERSCH, A. (2000a)
Behavioural demands on a new exhibit for Greater Flamingos at the Basel Zoo, Switzerland. Waterbirds 23, spec. publ. (1): 185 - 192.
STUDER-THIERSCH, A. (1991)
Flamingos - Ethologischer Beitrag zur Planung der neuen Anlage. Zolli-Bulletin: Nr. 67: 4 - 5
HEDIGER, H. (1951)
Jagdzoologie - auch für Nichtjäger.
212 Seiten, 37 Tafeln. mit 76 s/w-Fotos.
Verlag Friedrich Reinhardt AG, Basel. ISBN-13: 978-3724502968.
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Haltung im Dienst der Umweltbildung
Dass Zoos der "volkstümlichen Belehrung des breiten Publikums" dienen sollen, hat der Schweizer Zoodirektor Heini HEDIGER [5] schon zur Mitte des letzten Jahrhunderts gefordert. Diese Forderung ist in die Zoo-Richtlinie der EU eingegangen [10]. Sie gehört heute zu den Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in Zooverbänden [9] und ganz allgemein zum Selbstverständnis zeitgemäßer Zoos.
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Anlässlich des 4. Rigi-Symposiums [1] hielten die Zoos der Alpenländer dazu folgendes fest:
Damit der Zoo seine Aufgaben im Bildungsbereich optimal erfüllen kann, sind bei der Planung und Gestaltung von Tiergehegen die Belange der Zoopädagogik zu berücksichtigen. Das Design moderner Tieranlagen fokussiert längst nicht mehr ausschließlich auf die Haltungsbedingungen der Tiere. Verstärkt rücken die Bedürfnisse der Zoobesucher und die Absicht der Zoos, ihre Gäste für die Belange der Biodiversität zu informieren und zu sensiblisieren, in das Blickfeld von Architekten und Planern. Die Diplomarbeit von Susann VOSS [8] zeigt auf, welche Überlegungen in diesem Zusammenhang angestellt werden (können), damit sowohl den Anforderungen der Tiere als auch den Besuchererwartungen Genüge getan wird. Ein gutes Informationsangebot trägt zu einer Attraktivitätssteigerung von Anlage und Tier bei. Die Aufnahmefähigkeit der Besucher darf jedoch nicht überstrapaziert werden und spielerisches, müheloses Lernen sollte angeregt werden [6]. Bis zum Zweiten Weltkrieg waren für viele Tierarten kleine, schwer vergitterte Gehege mit minimalistischer Einrichtung vorherrschend. Diese ähnelten oft Gefängniszellen und prägen bis heute die Zoosicht vieler Zoogegner, die bei ihrer Zookritik immer noch Rainer Maria Rilkes Gedicht "Der Panther" aus dem Jahr 1902 zitieren, auch wenn der Käfig, auf den dieses sich bezog, schon vor über 80 Jahren abgerissen wurde. Dass es nicht möglich war, vor einem solchen Gehege, von der Tiergestalt an sich einmal abgesehen, etwas über das Tier zu lernen, versteht sich von selbst. Als Folge der bahnbrechenden Veröffentlichungen Heini HEDIGERs über Tierpsychologie und Zootierhaltung [4; 5] entstanden ab den 1950er-Jahren Gehege, die den Tieren arttypische Verhaltensweisen ermöglichten, was auch ihren Informationswert steigerte. Die Gehegeeinrichtung war vorerst in vielen Fällen rein funktional, auf Hygiene ausgerichtet und zeigte das Tier in einer Umgebung, die mit seinem natürlichen Lebensraum nichts zu tun hatte. Mit dem Ersatz der ersten Generation moderner Gehege setzte die Phase der naturalistischen Gehegegestaltung ein, die eine Vorstellung des Tieres in einer naturnahen Umgebung ermöglichte, aber eine klare Trennung von Besucher- und Tierbereich vornahm. Naturalistische Gehege werden als ästhetischer und eindrucksvoller empfunden als rein funktionale, was der Auseinandersetzung mit dem Tier zweifellos förderlich ist. Mit dem Einbezug des Besucherbereichs und der ganzen Umgebung in die Gestaltung sowie dem Ersatz von Gittern durch nicht sichtbare Barrieren oder dem gänzlichen Verzicht darauf enstanden die sogenannten Immersionsgehege, deren Bauweise ein barrierefreies Beobachten, oft von verschiedenen Standpunkten aus, und den nahezu oder tatsächlichen direkten Kontakt zwischen Tier und Publikum ermöglicht. Gehege nach dem Immersionsprinzip stellen oft einen Bezug zu einem vom Zoo geförderten in situ-Projekt her und helfen, negative Sichtweisen der Besucher gegenüber den Tieren und ihrer Haltung in Menschenhand zu verringern. Da mit positiven Emotionen gelernte Informationen besser im Gedächtnis bleiben, kann die Erlebniswelt unmerklich zur Lernwelt werden. Der Zoo bietet sich damit als erlebnisorientierter Lernort an, der positiv auf Motivation und Interesse der Besucher einwirkt. Jede Gehegegestaltung ist auch “angewandte Pädagogik”. Der europäische Zoo- und Aquarien-Verband EAZA hat deshalb eine Arbeitsgruppe “Exhibit Design & Education” eingerichtet. Darum sollten die Spezialisten dieses Bereiches bei der Gehegeplanung nicht ausgeschlossen bleiben, was der ehemalige Zoopädagoge des Berliner Zoos, PIES-SCHULZ-HOFEN schon zur Beginn der 2000er-Jahre gefordert hatte [2; 3; 6; 7]. Eine Studie über Designtrends und pädagogische Einflüsse in deutschsprachigen, zoologischen Einrichtungen wurde von Britta HABBE et al. [3] durchgeführt. Dabei kam heraus, dass den sogenannten Zoo-Erlebniswelten bei rund 80% der befragten Institutionen pädagogische Konzepte zugrunde liegen. |
Ergänzend zu diesem Artikel:
- Fotodokumentation: Die Bären-Wolfsanlage in Goldau
- Beispiele für neuere Gehege und Anlagen
- Powerpoint-Präsentation Gehegeschilder
- Habbe, B. et al. (2010) Volltext
Literatur:
- DOLLINGER, P. (Hrsg., 2010)
- GANSLOßER, U. (2002)
- HABBE, B., GANSLOßER, U. & PÜTZ, N. (2010)
- HEDIGER, H. (1942)
- HEDIGER, H. (1973)
- MATTHES, C. (2008)
- SALZERT, W. (2010)
- OSS, S. (2009)
- WAZA (2005)
- ZOO-RICHTLINIE DER EU (1999)
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HEDIGER, H. (1942)
Wildtiere in Gefangenschaft. Ein Grundriss der Tiergartenbiologie.
250 Seiten. Mit einem Vorwort von Adolf Portmann.
Verlag Benno Schwabe, Basel.
Englische Ausgabe: (1950) Wild animals in captivity - an outline of the biology of zoological gardens. Butterworths Scientific Publications.
Englische Ausgabe, Paperback: (1964) Wild animals in captivity - an outline of the biology of zoological gardens. Dover Publications, New York.
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