Freitag, 21 Mai 2021 15:59

PROBST, C. (2008)

Epidemiologie ausgewählter Infektionskrankheiten von Zooungulaten: Einzelart- versus Gemeinschaftshaltungen.

Vet. med. Diss. FU Berlin. Mensch-und-Buch-Verlag, 2008 — VI, 199 Seiten. ISBN: 978-3-86664-347-5

Zusammenfassung:

In zoologischen Gärten leben Tierarten, die sich in den verschiedensten Erdteilen über lange Zeiträume hinweg unabhängig voneinander entwickelt haben, in hoher Dichte zusammen. Zudem werden Zootiere immer häufiger in Gemeinschaftsanlagen gehalten, wo verschiedene Spezies in engem direktem und indirektem Kontakt miteinander leben. Insbesondere Ungulaten werden häufig vergesellschaftet, wodurch sich aus epidemiologischer Sicht eine interessante Situation ergibt, deren Folgen bislang nicht untersucht worden sind: Infektionserreger, die gemeinsam mit ihren natürlichen Wirten evoluiert sind, können auf andere Spezies übertragen werden, für die sie zum Teil eine unterschiedliche Pathogenität besitzen. Insbesondere Herpesviren verursachen bei ihrem natürlichen Wirt eine klinisch inapparente Infektion, während sie bei anderen Spezies zur schweren Erkrankung führen können. In der vorliegenden epidemiologischen Studie wurde untersucht, wie hoch die Exposition der drei Huftierfamilien Boviden, Cerviden und Cameliden gegenüber solchen Infektionserregern ist.

Dafür wurden elf zoologische Gärten mit einer möglichst hohen Zahl von Gemeinschaftsanlagen bzw. einer möglichst hohen Zahl von Huftieren ausgewählt: Zoologischer Garten Berlin, Tierpark Berlin-Friedrichsfelde, Zoo Dortmund, Zoo Dvúr Králové (Tschechische Republik), Zoom-Erlebniswelt Gelsenkirchen, Tierpark Hagenbeck, Hamburg, Zoo Hannover, Zoo Karlsruhe, Zoo Leipzig, Tiergarten Nürnberg und der Zoologisch-botanische Garten Wilhelma, Stuttgart. Die Infektionserreger wurden nach folgenden Kriterien ausgewählt: (1) Sie sollten zwischen verschiedenen Huftierspezies übertragbar sein. (2) Sie sollten eine praktische Relevanz besitzen. Um die praktische Relevanz zu ermitteln, bestand der erste Teil der Arbeit in einer Auswertung der veterinärmedizinischen Archivbefunde jedes zoologischen Gartens von 1998 bis 2004. Ihr zufolge lagen die Schwerpunkte der Diagnostik in den letzten sieben Jahren auf Mycobacterium avium ssp. paratuberculosis (M.pt.), Coxiella (C.) burnetii und Chlamydophila (C.) psittaci. Chlamydien und Coxiellen (bzw. gegen diese Erreger gerichtete spezifische Antikörper) wurden am häufigsten nachgewiesen. Im zweiten Teil der Arbeit wurden 926 Huftiere mittels Virusneutralisationstest bzw. ELISA auf Antikörper gegen acht interspezifisch übertragbare Infektionserreger untersucht. Gegen alle acht Erreger konnten spezifische Antikörper nachgewiesen werden. Bezogen auf die Gesamtzahl der untersuchten Tiere ergaben sich folgende Seroprävalenzen: 1,5% (14/926) für Bovines Herpesvirus 1 (BHV-1); 0,2% (2/926) für Caprines Herpesvirus 1 (CHV-1); 0,2% (2/926) für Cervides Herpesvirus 1 (HVC-1); 21,2% (180/850) für Bösartige Katarrhalfieber Viren (BKFV); 1,4% (13/926) für Bovines Virusdiarrhoe Virus (BVDV); 19,6% (165/843) für C. psittaci; 0,1% (1/754) für C. burnetii; 2,8% (19/667) für M.pt. Die Ergebnisse der Arbeit belegen Folgendes:

  • Die Prävalenz von Antikörpern gegen Alphaherpesviren (BHV-1, CHV-1, HVC-1) und BVDV liegt jeweils unter 3% (n=926). Daraus lässt sich schließen, dass Zooungulaten zurzeit gegenüber diesen Erregern nicht in bedeutendem Maße exponiert sind.
  • Zooungulaten sind in allen Zoos gegenüber BKFV exponiert. Die Prävalenz von Antikörpern gegen BKFV liegt bei 21% (n=850) und ist innerhalb der Unterfamilie Caprinae mit 54% (n=219) am höchsten. Das bedeutet, dass Zooungulaten gegenüber BKFV in signifikantem Maße exponiert sind und insbesondere Schafe und Ziegen eine Infektionsquelle für empfängliche Huftiere darstellen können.
  • Zooungulaten sind in allen Zoos gegenüber C. psittaci exponiert. Die Prävalenz von Antikörpern gegen C. psittaci liegt bei 20% (n=843) und ist innerhalb der Familie der Cameliden mit 32% (n=74) am höchsten. Das bedeutet, dass Zooungulaten gegenüber C. psittaci in signifikantem Maße exponiert sind und insbesondere Cameliden eine Infektionsquelle für empfängliche Huftiere darstellen können.
  • Die Prävalenz von Antikörpern gegen C. burnetii und M.pt. liegt unter 3% (n=754 resp. 667). Aus diesem Ergebnis lässt sich jedoch nicht schlussfolgern, wie hoch die Expositionswahrscheinlichkeit der Zooungulaten gegenüber diesen Erregern ist, da die diagnostischen Möglichkeiten für den Nachweis einer Infektion bei Wildtieren noch sehr begrenzt sind. Insbesondere bei M.pt. ist aufgrund der spät auftretenden humoralen Immunantwort mit einer gewissen Anzahl infizierter, seronegativer Tiere zu rechnen.

Zusätzlich zur taxonomischen Klassifizierung der Tiere (Familie, Unterfamilie, Spezies), ihres Alters, Geschlechts und ihrer Herkunft wurden folgende Einflussfaktoren auf die Expositionswahrscheinlichkeit von Zooungulaten gegenüber Infektionserreger diskutiert: Haltungsform (Einzelarthaltung, verschiedene Formen der Gemeinschaftshaltung, Streichelzoo), Gehegegröße, zur Verfügung stehende Fläche pro Tier sowie die Jahreszeit. Entscheidenden Einfluss auf die Seroprävalenz von BKFV hatten die Faktoren Haltungsform und Populationsdichte: Der höchste Anteil an seropositiven Tieren wurde mit 61% (n=66) in Streichelzoos und mit 50% (n=109) in Anlagen mit einer hohen Populationsdichte (unter 45 m²/Tier) nachgewiesen. Der Anteil C. psittaci seropositiver Tiere zeigte in den verschiedenen Haltungsformen keine Unterschiede.

Anhand der Untersuchungsergebnisse kann folgende Schlussfolgerung gezogen werden: Infektionserreger werden nicht nur über Art- sondern auch über Gehegegrenzen hinweg übertragen. Deshalb ist die Gefahr der interspezifischen Übertragung in einer Gemeinschaftsanlage nicht höher als zwischen Tieren unterschiedlicher Anlagen innerhalb einer Einrichtung. Demnach sollte jeder zoologische Garten als eine einzige epidemiologische Einheit betrachtet und entsprechend behandelt werden.

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Samstag, 16 Februar 2019 18:55

MATZAT, T. (2012)

Beitrag zum Bösartigen Katarrhalfieber  bei Wiederkäuern in zoologischen Gärten.

Vet. med. Diss Leipzig.
79 Seiten, 32 Abbildungen, 12 Tabellen, 178 Literaturangaben, Anhang

Zusammenfassung:

Bösartiges Katarrhalfieber ist eine unheilbare Virusinfektion bei Paarhufern, die wiederholt in zoo-logischen  Gärten  auftrat,  ohne  dass  die  erkrankten Fehlwirte  Kontakt  zu  Reservoirwirten  hatten. Die  BKF-auslösenden  Gammaherpesviren  sind  eng  miteinander  verwandt  und  werden  von  ver-schiedenen klinisch gesunden Reservoirwirten latent beherbergt und ausgeschieden.  Einige  dieser  Reservoirwirte  sind  seit  längerem  bekannt,  andere  wurden  erst  kürzlich  identifi-ziert  und  es  wird  vermutet,  dass  es  noch  weitere  unerkannte  Reservoirwirte  für  BKF-Viren  gibt. Hervorzuheben  ist,  dass  die  Viren  normalerweise  eng  an  ihre  Reservoirwirte  gebunden  sind.  Es traten  in  letzter  Zeit  jedoch  immer  wieder  Fälle  auf,  in  denen  auch  Fehlwirte  zwar  infiziert  waren, aber nicht erkrankten oder das Virus sogar ausschieden. Der Zusammenhang zwischen dem Verhalten der BKF-Viren bei Fehl- und Reservoirwirten und den  ungeklärten  BKF-Fällen  in  zoologischen  Gärten  wurde  in  der  hier  vorliegenden  Studie  näher untersucht. Es sollte herausgefunden werden, ob Wildwiederkäuer, die bisher nicht als Reservoirwirte für  BKF-Viren galten,  diese  Viren  ausscheiden  und  so  möglicherweise für  die  oben  erwähnten BKF-Fälle verantwortlich waren. Es  wurden  Proben  auf  die  vier  verschiedenen  BKF-Viren  getestet,  die  am  häufigsten  zu  BKF führen,  in  zoologischen  Gärten  von  hoher  Relevanz  und  nachweislich  sehr  pathogen  sind:  Alcelaphines  Herpesvirus  1,  Ovines  Herpesvirus  2,  Caprines  Herpesvirus  2  und  Malignant  catarrhal fever virus – White-tailed deer. Wie  die  Untersuchungsergebnisse  zeigen,  ist  die  Verbreitung  der  hier  untersuchten  BKF-Viren sehr  unterschiedlich.  AlHV-1  wurde  bei  keiner  Tierart  in  den  Tupferproben  nachgewiesen.  Den-noch darf nicht außer acht gelassen werden, dass Tiere, die momentan AlHV-1 nicht ausscheiden trotzdem  latente Träger sein  können  und  möglicherweise  zu  einem  späteren  Zeitpunkt  Virus  aus-scheiden. Im Gegensatz dazu wurden das OvHV-2, das CpHV-2 und das MCFV-WTD bei mehre-ren Tieren festgestellt. Der Nachweis dieser Viren ausschließlich bei Hauswiederkäuern lässt vermuten,  dass  diese  Viren  nicht massiv  von Wildwiederkäuern  ausgeschieden  werden.  Dennoch  ist es  möglich,  das  die  Wildwiederkäuer  in  dieser  Studie  latent  infiziert  waren  und  nur  zu  dem  Zeit-punkt der Tupferprobenentnahme kein Virus ausschieden. Um latente Infektionen auszuschließen sind weitere Blutuntersuchungen nötig. Die  Übertragung  der  BKF-Viren  auf  Tiere,  die  keinen  direkten  Kontakt  zu  Reservoirwirten  im Zoo hatten, kann auf aerogenem Wege erfolgt sein, da BKF-Viren auch über weite Distanzen hin-weg und passiv übertragen werden können. Auch können Schafe oder Ziegen außerhalb der Zoos oder längst aus dem Bestand entfernte Reservoirwirte die Viren übertragen haben.

Der  Nachweis  von  MCFV-WTD  bei  Ziegen  war  unerwartet.  Bisher  war  unbekannt,  welche  Tierart diesem Virus als Reservoirwirt dient. Der Nachweis dieses Virus in der Nasenschleimhaut von Zie-gen  zeigt,  dass  diese  Tiere  das  Virus  ausscheiden  und  somit  der  Reservoirwirt  dieses  Virus  sein könnten. Diesen Sachverhalt gilt es ebenfalls weiter zu untersuchen. Letztendlich sollte in zoologischen Gärten und Wildparks weiterhin darauf geachtet werden, be-kannte Reservoirwirte streng getrennt und weit entfernt von empfänglichen Tierarten zu halten und sie auf keinen Fall zu vergesellschaften. Die Einhaltung strenger Hygienevorschriften und der Ein-satz unterschiedlicher Pfleger für Reservoir- und Fehlwirte ist unverzichtbar. Um  die  Anzahl  von  Reservoirwirten  zu  minimieren,  besteht  außerdem  die  Möglichkeit  Schafe und Ziegen durch Handaufzucht virusfrei aufzuziehen oder ganz auf die Haltung von Reservoirwir-ten zu verzichten. Bei Neuzugängen oder Vergesellschaftungen von Wiederkäuern aller Art ist eine strikte Quarantäne und individuelle Beprobung der Tiere durchzuführen um festzustellen, ob diese Tiere BKF-Viren ausscheiden oder latent beherbergen. Außerdem können so möglicherweise bis-her unerkannte Reservoirwirte identifiziert werden.

 

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© Peter Dollinger, Zoo Office Bern hyperworx