Mittwoch, 09 Januar 2013 10:28

RÜBEL, A. (2010)

Die Aufgaben der Zoos und die Arterhaltungsprogramme, eine kritische Sicht

In: DOLLINGER, P. (Hrsg.) Die Rolle der Zoos für die Erhaltung der Biodiversität. Verhandlungsbericht des IV. Rigi-Symposiums, Goldau-Rigi, 28.-30. Januar 2010: 49-50. Zoo Office Bern.

Zusammenfassung:

Das grösste Potential der Zoos im Naturschutz ist mit der Haltung der lebenden Tiere verbunden. Wie keine andere Institution können sie dazu beitragen, eine Mensch- Tier-Bindung aufzubauen. Danach kommt das Vermitteln von Bildung und erst in dritter Linie die Arterhaltungsprogramme. In diese investieren die Zoos viel Kraft und Zeit, trotzdem sind die Ergebnisse nicht befriedigend. Es wird sich als notwendig erweisen, die Zahl der Programme auf hochbedrohte Tierarten zu beschränken, sie aber professioneller zu betreiben.

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Donnerstag, 14 Juni 2018 09:55

HEDIGER, H. (1973)

Bedeutung und Aufgaben der Zoologischen Gärten.

Vierteljahresschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich, 118: 319-328.

Auszug:

Es kann niemals Aufgabe der Zoologischen Gärten sein, vollständige «Sammlungen» bestimmter Tiergruppen zu zeigen. Das anzustreben, müssen wir eindeutig den Museen überlassen. Selbst diesen, die nicht mit den grossen Risiken lebender Tiere zu rechnen haben, kann das nur ausnahmsweise gelingen. Die Aufgabe der Zoologischen Gärten liegt vielmehr darin, aus der verwirrenden Fülle des Tierreiches Vertreter einiger repräsenta-tiver Gruppen auszuwählen und sie in genügender Individuen-zahl in möglichst naturnahen Territorien zu halten, und zwar so, dass diese Natur-Ausschnitte nicht nur dem Tier alles bie-ten, was es zur Lebensentfaltung braucht, sondern dass die Ge-samtheit dieser Biotope auch dem betrachtenden Menschen als Erholungsraum dient.

Im Zürcher Zoo stellt das Kleine Affenhaus ein bescheidenes Beispiel dieser Bemühungen dar. Anstelle der vielen Einzelkäfige in der Grösse von Telefonkabinen wurden wenige, dafür grössere Räume eingebaut. Einzelne Segmente wurden sogar für Pflanzen geopfert; doch ist das nur ein erster Schritt in der Richtung biologischer Tierhaltung - und es war kein leichter Schritt. Pflanzen sind im Zoo übrigens zuverlässige Kontrolleu-re des biologischen Mikroklimas.

In der Tat haben die Zoologischen Gärten, ich meine Institutionen, welche diese Bezeichnung für sich überhaupt in Anspruch nehmen dürfen (nicht jede Anhäufung von Tieren ist ein Zoo), in dieser Beziehung wesentliche Fortschritte gemacht. Aus kerkerartigen, eisenstangenstarrenden Käfigen für neuroti-sierte Einzeltiere sind künstliche, aber naturnahe Territorien für gesunde Tierfamilien oder -herden geworden, denen nichts Wesentliches fehlt, denen sogar noch etwas Zusätzliches geboten wird, nämlich Schutz vor Hunger und Durst, Schutz vor ihren Feinden, vor Parasiten und Krankheiten, Schutz auch vor den Elementen wie Überschwemmungen, extremer Trockenheit, Wald- und Steppenbränden usw. Der heutige Zoobesucher sieht nicht mehr bedauernswerte Tiere, welche der Museumsreife entgegenvegetieren, sondern - ich wage diese Bezeichnung - zufriedene, glückliche soziale Einheiten, die sich nicht mehr als Gefangene, sondern nachweisbar als Grundbesitzer, d. h. als Territoriumsbesitzer fühlen, wie ich das an anderer Stelle ausführlich dargetan habe.

Man kann als Zoodirektor - auch das wage ich heute zu behaupten - ein gutes Gewissen haben nicht nur gegenüber dem Tier, sondern auch gegenüber dem Menschen. Denn auch dieser, besonders der Grossstadt-Mensch, braucht heute den Zoo – er ist zu einem notwendigen Teil des Grossstadt-Biotopes geworden und steht im eigentlichen Sinne im Dienste der Psychohygiene des modernen Menschen.

Wenn ich heute versuchen soll, die Aufgaben der Zoologischen Gärten zu umschreiben, so bleibt es m. E. im wesentlichen bei dem, was ich schon oft ausgeführt habe:

  1. Ein Zoo muss der Bevölkerung als Erholungsraum dienen. Er bildet einen psychohygienisch höchst wichtigen Bestandteil des menschlichen Grossstadt-Biotopes.
  2. Er hat die volkstümliche Belehrung des breiten Publikums zu fördern. Der europäische Fischotter wird nur deswegen ausgerottet, weil Generationen von uns eingehämmert worden ist, der Fischotter sei der schlimmste Feind der Fischerei, was nachweislich falsch ist. Ebenso falsch war z. B. die sogar von angeblichen Experten verbreitete Meinung, der Fuchs spiele für die Dezimierung von Mäusen und Ratten keine Rolle oder die millionenweise Vernichtung von Obstbäumen sei für die insektenvertilgenden Singvögel belanglos.
  3. Ein Zoo hat seinen Tierbestand auch wissenschaftlich auszuwerten und sich an der Forschung aktiv zu beteiligen, und zwar nicht nur hinsichtlich der Rezepte für die optimale Haltung und Züchtung bestimmter bevorzugter Arten, sondern auch im Hinblick auf die weitreichenden Folgen der «Umkehr des Lebensraumes», d. h. der noch viel zu wenig beachteten Tatsache, dass die Wildtiere aus ihren ursprünglichen Biotopen durch die fortschreitende Technik immer mehr verdrängt werden, in immer grösse-rer Zahl aber in den Metropolen in Neo-Biotopen und Parkarealen gehalten werden.
  4. Der Zoo muss sich in den Dienst des Naturschutzes stellen, u. a. auch durch Asylgewährung an bedrohte Tierarten und deren Wiedereinbürgerung.

Mit anderen Worten, der Zoo - jeder Zoo - muss sich nach den Forderungen der Tiergarten-Biologie ausrichten. Diese liefert einerseits die wissenschaftlichen Grundlagen für die optimale und sinngemässe Haltung von Wildtieren in menschlicher Ob-hut und erforscht andererseits die besonderen biologischen Gesetzmässigkeiten, die sich aus dieser TierhaItung für Tier und Mensch ergeben.

Ich glaube, in der Erfüllung dieser grossen, doppelten Aufgabe liegt heute - und vielleicht auch morgen - die Bedeutung der Zoologischen Gärten.

 

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Dienstag, 08 Januar 2013 08:02

SHERIDAN, A. (2011)

Das A und O im Zoo - Europas führende Zoologische Gärten 2010 bis 2020.

Schüling-Verlag, Münster. Brosch.,  388 Seiten. ISBN 978-3-86523-183-3.

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Donnerstag, 03 Januar 2013 18:44

Haltung im Dienst der Umweltbildung

Dass Zoos der "volkstümlichen Belehrung des breiten Publikums" dienen sollen, hat der Schweizer Zoodirektor Heini HEDIGER [5] schon zur Mitte des letzten Jahrhunderts gefordert. Diese Forderung ist in die Zoo-Richtlinie der EU eingegangen [10]. Sie gehört heute zu den Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in Zooverbänden [9] und ganz allgemein zum Selbstverständnis zeitgemäßer Zoos.

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Mähnenlöwe in der 2022 neugestalteten Löwenanlage des Tiergartens Schöbrunn, die einen Eindruck vom Lebensraum der Tiere vermittelt © Daniel Zupac / TG Schönbrunn

 

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Anlage für Polarwölfe im Wildpark Bad Mergentheim © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Impalas auf der Sambesi-Savanne der ZOOM-Erlebniswelt, Gelsenkirchen © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Breitmaulnashörner und Besucher auf der 2021 eröffneten Lewa-Savanne im Zoo Zürich © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Keine Grenze zwischen Tier und Besucher: Damwild im BergTierPark Blindham © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Für das Publikum begehbare Anlage für eurasische Wasservögel im Zoo Zürich © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Waschbären in naturnah gestalteter Anlage in der ZOOM-Erlebniswelt, Gelsenkirchen © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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"Freiland"-Terrarium im Wüstenhaus des Tiergartens Schöbrunn © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Begehbare Voliere für Wasservögel im Vogelpark Marlow © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Begehbare Anlage für Watvögel im NaturZoo Rheine © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

Anlässlich des 4. Rigi-Symposiums [1] hielten die Zoos der Alpenländer dazu folgendes fest:

  • Den wesentlichsten direkten Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität leisten die Zoos durch Bildung und Kommunikation. Wichtig dafür sind ein geeigneter Tierbestand und eine hohe Glaubwürdigkeit nach dem Motto "Taten statt Worte".
  • Die Inhalte von Bildung und Kommunikation orientieren sich an den Grundsätzen der Bildung für nachhaltige Entwicklung BNE, d.h. einem Bildungskonzept, das Kindern und Erwachsenen nachhaltiges Denken und Handeln vermittelt (www.bne-portal.de).
  • Bildung und Kommunikation gehören zu den Kernkompetenzen der Zoos, mit denen diese einen Beitrag zur Umsetzung der Agenda 21 der Vereinten Nationen leisten. Sie sollen nicht delegiert, sondern selbst, allenfalls in Zusammenarbeit mit Partnern, wahrgenommen werden.
  • Bildung und Kommunikation stützen sich auf wahre und spannende Geschichten aus dem Zoo, seinen Lebensraum- und Artenschutzprojekten sowie auf Forschungsergebnisse.

Damit der Zoo seine Aufgaben im Bildungsbereich optimal erfüllen kann, sind bei der Planung und Gestaltung von Tiergehegen die Belange der Zoopädagogik zu berücksichtigen. Das Design moderner Tieranlagen fokussiert längst nicht mehr ausschließlich auf die Haltungsbedingungen der Tiere. Verstärkt rücken die Bedürfnisse der Zoobesucher und die Absicht der Zoos, ihre Gäste für die Belange der Biodiversität zu informieren und zu sensiblisieren, in das Blickfeld von Architekten und Planern. Die Diplomarbeit von Susann VOSS [8] zeigt auf, welche Überlegungen in diesem Zusammenhang angestellt werden (können), damit sowohl den Anforderungen der Tiere als auch den Besuchererwartungen Genüge getan wird. Ein gutes Informationsangebot trägt zu einer Attraktivitätssteigerung von Anlage und Tier bei. Die Aufnahmefähigkeit der Besucher darf jedoch nicht überstrapaziert werden und spielerisches, müheloses Lernen sollte angeregt werden [6].

Bis zum Zweiten Weltkrieg waren für viele Tierarten kleine, schwer vergitterte Gehege mit minimalistischer Einrichtung vorherrschend. Diese ähnelten oft Gefängniszellen und prägen bis heute die Zoosicht vieler Zoogegner, die bei ihrer Zookritik immer noch Rainer Maria Rilkes Gedicht "Der Panther" aus dem Jahr 1902 zitieren, auch wenn der Käfig, auf den dieses sich bezog, schon vor über 80 Jahren abgerissen wurde. Dass es nicht möglich war, vor einem solchen Gehege, von der Tiergestalt an sich einmal abgesehen, etwas über das Tier zu lernen, versteht sich von selbst.

Als Folge der bahnbrechenden Veröffentlichungen Heini HEDIGERs über Tierpsychologie und Zootierhaltung [4; 5] entstanden ab den 1950er-Jahren Gehege, die den Tieren arttypische Verhaltensweisen ermöglichten, was auch ihren Informationswert steigerte. Die Gehegeeinrichtung war vorerst in vielen Fällen rein funktional, auf Hygiene ausgerichtet und zeigte das Tier in einer Umgebung, die mit seinem natürlichen Lebensraum nichts zu tun hatte. Mit dem Ersatz der ersten Generation moderner Gehege setzte die Phase der naturalistischen Gehegegestaltung ein, die eine Vorstellung des Tieres in einer naturnahen Umgebung ermöglichte, aber eine klare Trennung von Besucher- und Tierbereich vornahm. Naturalistische Gehege werden als ästhetischer und eindrucksvoller empfunden als rein funktionale, was der Auseinandersetzung mit dem Tier zweifellos förderlich ist. Mit dem Einbezug des Besucherbereichs und der ganzen Umgebung in die Gestaltung sowie dem Ersatz von Gittern durch nicht sichtbare Barrieren oder dem gänzlichen Verzicht darauf enstanden die sogenannten Immersionsgehege, deren Bauweise ein barrierefreies Beobachten, oft von verschiedenen Standpunkten aus, und den nahezu oder tatsächlichen direkten Kontakt zwischen Tier und Publikum ermöglicht.

Gehege nach dem Immersionsprinzip stellen oft einen Bezug zu einem vom Zoo geförderten in situ-Projekt her und helfen, negative Sichtweisen der Besucher gegenüber den Tieren und ihrer Haltung in Menschenhand zu verringern. Da mit positiven Emotionen gelernte Informationen besser im Gedächtnis bleiben, kann die Erlebniswelt unmerklich zur Lernwelt werden. Der Zoo bietet sich damit als erlebnisorientierter Lernort an, der positiv auf Motivation und Interesse der Besucher einwirkt. Jede Gehegegestaltung ist auch “angewandte Pädagogik”. Der europäische Zoo- und Aquarien-Verband EAZA hat deshalb eine Arbeitsgruppe “Exhibit Design & Education” eingerichtet. Darum sollten die Spezialisten dieses Bereiches bei der Gehegeplanung nicht ausgeschlossen bleiben, was der ehemalige Zoopädagoge des Berliner Zoos, PIES-SCHULZ-HOFEN schon zur Beginn der 2000er-Jahre gefordert hatte [2; 3; 6; 7].

Eine Studie über Designtrends und pädagogische Einflüsse in deutschsprachigen, zoologischen Einrichtungen wurde von Britta HABBE et al. [3] durchgeführt. Dabei kam heraus, dass den sogenannten Zoo-Erlebniswelten bei rund 80% der befragten Institutionen pädagogische Konzepte zugrunde liegen.

Ergänzend zu diesem Artikel:

Literatur:

  1. DOLLINGER, P. (Hrsg., 2010)
  2. GANSLOßER, U. (2002)
  3. HABBE, B., GANSLOßER, U. & PÜTZ, N. (2010)
  4. HEDIGER, H. (1942)
  5. HEDIGER, H. (1973)
  6. MATTHES, C. (2008)
  7. SALZERT, W. (2010)
  8. OSS, S. (2009)
  9. WAZA (2005)
  10. ZOO-RICHTLINIE DER EU (1999)

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© Peter Dollinger, Zoo Office Bern hyperworx