Montag, 23 Oktober 2017 12:34

Braunbär

Überordnung: LAURASIATHERIA
Ordnung: Raubtiere (CARNIVORA)
Taxon ohne Rang: Landraubtiere (FISSIPEDIA)
Unterordnung: Hundeartige (Caniformia)
Familie: Bären (Ursidae)
Unterfamilie: Eigentliche Bären (Ursinae)

D LC 650

EEPBraunbär

Ursus arctos • The Brown Bear • L'ours brun

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Europäischer Braunbär (Ursus arctos arctos) im Tiergarten Straubing © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Approximative gegenwärtige Verbreitung der Braunbären (Ursus arctos)

 

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Europäischer (Skandinavischer) Braunbär (Ursus arctos arctos) in Skånes Djurpark, Höör © Peter Dollinger, Zoo Office Bern © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Kodiakbär (Ursus arctos middendorfi) im Zoo Wuppertal © Zoo Wuppertal

 

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Kamtschatka-Braunbär (Ursus arctos beringianus) im Tierpark Hagenbeck © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Kamtschatka-Braunbär (Ursus arctos beringianus) im Wildpark Lüneburger Heide, Hanstedt © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Kamtschatka-Braunbär (Ursus arctos beringianus) im Wildpark Lüneburger Heide, Hanstedt © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Syrischer Braunbär (Ursus arctos syriacus) im Zoo Heidelberg © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Syrischer Braunbär (Ursus arctos syriacus) im Tiergarten Schönbrunn © Wolfgang Dreier, Berlin

 

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Ussuri-Braunbär (Ursus arctos lasiotus) im Tierpark Dählhölzli, Bern © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Hokkaido-Braunbär (Ursus arctos yesoensis = lasiotus) im Ueno-Zoo, Tokyo © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Grizzlybär (Ursus arctos horribilis) im Zoo Děčín © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Grizzlybär (Ursus arctos horribilis) im Zoo Sofia © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Kodiakbär (Ursus arctos middendorffi) im Bronx Zoo, New York © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Normalfarbiger und albinotischer Europäischer Braunbär (Ursus a. arctos) in Skansens Djurpark, Stockholm © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Albinotischer Europäischer Braunbär (Ursus a. arctos) in Skansens Djurpark, Stockholm © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Im Jahr 1191 soll der Sage nach Herzog Berchtold V. von Zähringen die Stadt Bern am Ort einer erfolgreichen Bärenjagd gegründet und sie nach dem erlegten Tier benannt haben. Bild aus Diebold Schilling (1484/85): Spiezer Chronik (1): 59. Burgerbibliothek Bern. Public Domain.

 

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Jagdmandat der Stadt und Republik Bern vom 29. Mai 1776 - Keine Schonzeit für "reissende Thiere"

 

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Bärenjagd im Berner Oberland um 1800. Franz Niklaus König (1765-1832)

 

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Bergführer Bischoff und Fried mit dem "letzten Schweizer Bären", 1. Sept.1904, Bild: Kurt Spälty, Glarus

 

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"Risikobär Bruno" im Museum Mensch und Natur, Schloss Nymphenburg, München

 

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JJ2 "Lumpaz" - Bild Jagd- und Fischereiverwaltung Graubünden

 

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Bär M32 bei Bienenhaus im Val Müstair. Aus Video Schweizer Fernsehen / Mario Theus

 

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Bär M29 im Mai 2017 im Eriz, Berner Oberland © Jagdinspektorat des Kantons Bern

 

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Braunbär-Sichtungen in der Schweiz. Grün vor 2000, dunkelblau 2000-2018. Quelle: Centre Suisse de Cartographie de la Faune (CSCF)

 

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Bestandsentwicklung der Bärenpopulation im Trentino 2002-2017 (ohne Welpen). Quelle: ORSO PROVINCIA TRENTINO

 

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Alter und Geschlecht der Bären im Trentino, Stand 2017 (ohne Welpen. Quelle: ORSO PROVINCIA TRENTINO

 

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Abruzzenbär (Ursus arctos "marsabicus") im Besucherzentrum des Abruzzen-Nationalparks in Pescasseroli © Peter Dollinger, Zoo Office Ben

 

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Bärengöttin, Dea Artio, römische Bronzegruppe aus Muri bei Bern. Historisches Musuem Bern

 

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Kettenhaltung eines Bären unter der Treppe des Berner Rathauses im Jahr 1339. Aus Diebold Schilling (1484/85): Spiezer Chronik (1): 237. Burgerbibliothek Bern.

 

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Die Wappen von Bern und Berlin. Währenddem der Berliner Bär eine Bärin oder ein geschlechtsloses Wesen ist, handelt es sich beim Berner unverkennbar um einen "Bäremani"es

 

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Pflanzen mit "Bär" im Namen werden im Tierpark Goldau gezeigt, hier die Immergrüne Bärentraube (Arctostaphylos uva-ursi) © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Bären-Wolfsanlage im Tierpark Goldau: Schneeweisschen und Rosenrot

 

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Teddybären © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Anlage für Europäischer Braunbären (Ursus arctos arctos) im Tiergarten Straubing © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Anlage für Europäische Braunbären (Ursus arctos arctos) im Zoo Schwerin © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Europäischer Braunbär (Ursus arctos arctos) beim Baden im Wingster Waldzoo © Rüdiger Wandrey, Wingst

 

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Europäischer Braunbär (Ursus arctos arctos) beim Baden im Tierpark Hellabrunn © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Europäischer Braunbär (Ursus arctos arctos), an Baumstamm markierend im Tiergehege Mundenhof, Freiburg im Breisgau © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Junger Europäischer Braunbär (Ursus arctos arctos),im JuraParc Mont d'Orzeires bei Vallorbe. © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Junger Syrischer Braunbär (Ursus arctos syriacus) im Tierpark Goldau © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Der europäische Zoobestand des imposanten Kodiakbären (Ursus arctos middendorffi) ist 2016 auf ein Tier geschrumpft. Hier ein Exemplar im National Zoo, Washington DC © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

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Breisbär(Ursus arctos x maritimus) im Zoo Osnabrück © Zoo Osnabrück (Pressefoto)

 

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Der Braunbär gehört zu den populärsten Zootieren, was mit seiner großen kulturellen Bedeutung zusammenhängt. Er ist aus diesem Grund und als einheimische Tierart von hohem zoopädagogischem Interesse, und die Zoos können eine Rolle beim Entschärfen von Mensch-Bär-Konflikten spielen, die mit der Rückkehr der Tiere und ihrem gelegentlichen Auftreten im Siedlungsgebiet unvermeidlich werden.

Körperbau und Körperfunktionen

Die weite Verbreitung der Braunbären, die sich über mehrere Klimazonen erstreckt, wirkt sich entsprechend der Bergmannschen Regel auf ihr Erscheinungsbild aus: Die subpolaren Kamtschatka- und Kodiakbären sind deutlich größer als die im mediterranen Klima lebenden Abruzzen- oder Syrischen Braunbären. Männliche Tiere sind größer als weibliche, und das Gewicht unterliegt saisonalen Schwankungen. Die Kopf-Rumpflänge liegt zwischen 150-280(-300) cm, die Schwanzlänge beträgt 6-12(-21) cm und das Gewicht bei den Bärenmännern 130-550(-725) kg, bei den Bärinnen 80-250(-340) kg. Der Kopf weist einen deutlichen Stop auf, wobei die Schnauze mehr oder minder gestreckt und die Stirne mehr oder weniger abgeplattet sein kann. Die Ohren sind kurz und rund, die Augen klein. Der im allgemeinen dichte Pelz, welcher um das Gesicht, am Bauch und hinter den Beinen länger als am übrigen Körper ist, kann aus längeren oder kürzeren, aus schlichten oder gekräuselten Haaren bestehen. Seine Färbung durchläuft alle Schattierungen von Schwarzbraun bis Dunkelrot und Gelbbraun, oder von Grautönen bis Isabellfahl. Bei Jungtieren ist oft ein weißer Halskragen vorhanden, der sich bei manchen Individuen bis ins hohe Alter hält [2; 3; 7; 8].

Verbreitung

Holarktis: Nördliches und westliches Nordamerika; in Eurasien Skandinavien, Osteuropa, Balkan, Alpen, Apenninen, Pyrenäen, Kantabrien, Kleinasien, Kaukasus, Naher Osten, Nord- und Zentralasien:

Afghanistan, Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, China, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien, Griechenland, Indien, Irak, Iran, Italien, Japan, Kanada, Kasachstan, Kirgistan, Kroatien, Lettland, Mongolei, Montenegro, Nepal, Norwegen, Nord-Korea, Nord-Mazedonien, Österreich, Pakistan, Polen, Rumänien, Russland, Schweden, Schweiz, Serbien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tadschikistan, Türkei, Ukraine, USA, Usbekistan, Weißrussland, eventuell Libanon, Syrien. Möglicherweise ausgestorben in Bhutan [16].

Lebensraum und Lebensweise

Der Braunbär ist sehr anpassungsfähig und besiedelt die unterschiedlichsten Lebensräume von Taiga, Misch- und Laubwald bis zum unbewaldeten Hochgebirge und von der arktischen Tundra Alaskas bis zu den Halbwüsten Zentralasiens. Er kommt vom Meeresspiegel bis auf etwa 2‘500 m. ü. M. vor. Im dicht besiedelten Mittel- und Südeuropa sind große, zusammenhängende Waldgebiete essentiell. Mischwälder mit Buchen, Eichen und anderen Mast tragenden Bäumen sind beliebte Habitate. Windwurfflächen und Rodungen bieten durch die reiche Krautschicht und den hohen Anteil von Beerensträuchern günstige Voraussetzungen. Im lichten Nadelwald sind Ameisen häufig, die eine geschätzte Nahrung für die Bären darstellen [8].

Braunbären sind Einzelgänger, die nur zur Paarungszeit oder in Mutterfamilien zusammen sind. Sie sind tagsüber und nachts aktiv. Sie sind nicht territorial und haben Streifgebiete von 10-660 km², die sie mit Duftmarken versehen. In vom Menschen dicht besiedelten Gebieten verlegen sie ihre Aktivitäten hauptsächlich auf die Nacht. Sie sind opportunistische Allesfresser, die sich überwiegend von pflanzlichem Material ernähren. Animalische Kost besteht hauptsächlich aus Insekten und Aas. Im Norden des Verbreitungsgebiets haben sie einen deutlichen Einfluss auf die Schalenwildbestände, insbesondere schlagen sie viele Elchkälber. In Mitteleuropa kann es dagegen zu Übergriffen auf Nutztiere oder Bienenstöcken kommen. Während der Winterruhe nehmen die Bären weder Nahrung noch Wasser zu sich, sondern bauen pro Tag 250-300 g Körperfett ab [7; 8].

Braunbären werden mit 4-5 Jahren geschlechtsreif. Die Paarungszeit fällt auf Mai bis Juni, ev. Juli, oft paart sich die Bärin mit mehreren Partnern und kann in einem Wurf Jungtiere von verschiedenen Vätern zur Welt bringen. Die gesamte Trächtigkeit, einschließlich Keimruhe, dauert 180-260 Tage, vom Zeitpunkt der Implantation in der Uteruswand noch etwa 2 Monate. Die Bärin wirft jeweils im Winterlager 1-3(-5), meist 2, wenig entwickelte, in Europa 300-400 g schwere Jungtiere, die sie bis zu 3 Jahre betreut. Erst danach ist sie wieder paarungsbereit. Mit 16 Monaten bis 4 Jahren gehen die Jungen ihrer eigenen Wege. Währenddem die jungen Bärinnen sich im oder angrenzend zum mütterlichen Streifgebiet niederlassen, wandern die männlichen Tiere über weite Distanzen auf der Suche nach einem neuen Wohngebiet [7; 8].

Gefährdung und Schutz

Mit einem Weltbestand von etwa 200'000 Individuen und einem Areal von 24 Millionen km² gilt der Braunbär aufgrund einer Beurteilung aus dem Jahr 2017 als weltweit nicht gefährdet (Rote Liste: LEAST CONCERN). Verschiedene Unterarten sind aber bedroht. Die nordafrikanischen und viele europäischen Populationen sowie solche des Nahen und Mittleren Ostens sind ausgestorben [16].

Der Handel ist nach CITES-Anhang I und II eingeschränkt bzw. geregelt. Der Braunbär fällt unter die Anhänge II und IV der FFH-Richtlinie (92/43/EWG). Er ist eine streng geschützte Tierart nach Anhang II des Berner Übereinkommens und die mongolische und chinesische Population von Ursus arctos isabellinus fallen unter Anhang I des Bonner Übereinkommens über wandernde Tierarten.

Ausrottung und Rückkehr im deutschsprachigen Raum

Die Ausrottungsgeschichte in der Schweiz stellt sich wie folgt dar: Schon 1546 wurde der letzte Bär im Kanton Zürich geschossen, 1673 in Appenzell, 1698 in Freiburg, 1737 in Solothurn, 1798 (nach anderen Quellen 1803) in Basel, 1804 in Schwyz, 1806 in Glarus, 1836 im Wallis, 1840 in Uri. Etwa gleichzeitig machte Bern seinem Wappentier den Garaus. 1851 fiel der letzte Bär in der Gegend von Genf und 1855 in Neuenburg. Von 1852-62 fanden im Tessin noch neun erfolgreiche Bärenjagden statt, um 1896 wurden letztmals Bärenspuren gesichtet. Am längsten hielt sich der Bär in Graubünden. Von 1870 bis 1904 wurden gegen 50 Bären geschossen, der letzte am 1. September 1904 im Val Mingér auf dem Gebiet des heutigen Nationalparks. Danach wurde noch verschiedentlich Bären in Graubünden gesichtet, letztmals im Val Laviruns im Jahr 1923 [24].

In Deutschland fand der Braunbär sein letztes Refugium in Bayern. Hier gab es zu Ende des 14. Jahrhunderts Bären noch um München. Bereits 1570 stellte Herzog Albrecht V. den Bären im Oberland unter seinen besonderen Schutz, was aber den Niedergang der Population nicht aufhalten konnte. Ende des 16. Jahrhunderts verlegten die Bayerischen Herzöge daher ihre Bärenjagden in den Bayerischen Wald, aber auch dort nahm der Bärenbestand anfangs des 17. Jahrhunderts ab und Herzog Albrecht VI. gab den eindringlichen Auftrag, „die Bären sorgfältig zu hegen“. Mitte des 19. Jahrhunderts kamen Bären noch in den Gebieten Hoher Bogen, Kötzing, Zwiesel, Regen, Wolfstein, Neureichenau, Haidmühle im angrenzenden Böhmerwald und in den Stiftswäldern von Schlägl vor. Die letzten Bären im österreichischen Grenzwald des Stifts Schlägl erlegte der leidenschaftliche Jäger Pater Gregor HAIN am 6. November 1823 und am 30. Oktober 1833 [14].

Die letzte erfolgreiche Bärenjagd in Bayern ist für das Jahr 1835 verbürgt. Damals schoss der Forstamtsaktuar Ferdl KLEIN am Schwarzachenbach bei Ruhpolding in den Chiemgauer Alpen den letzten autochthonen bayerischen Bären. Der Ruhpoldinger Bär steht heute in einem Diorama des Münchener Museums „Mensch und Natur“ im Schloss Nymphenburg. Am 14. November 1856 wurde der letzte Bär des Bayerischen / Böhmerwaldes auf böhmischem Gebiet erlegt. Er wurde präpariert und kann heute noch im Jagdmuseum von Zwinger / Ohrada besichtigt werden. Auch nach 1856 bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden gelegentlich noch Bären im Grenzgebiet zwischen Bayern und Tschechien festgestellt [14].

7 Jahre nach dem Ruhpoldinger Bären kam dann 1842 auch in Österreich bei Mariazell (im Süden Niederösterreichs an der Grenze zur Steiermark) der letzte einheimische Braunbär zur Strecke. Später wurden nur noch einzelne Zuwanderer erlegt: Der letzte Abschuss in Kärnten fand 1883 statt (Zuwanderung aus Slowenien), der letzte Abschuss in Tirol 1913 (Zuwanderung vermutlich aus dem Trentino).

Die Rückkehr des Bären

In Österreich wurde 1972 im Ötscher-Gebiet plötzlich ein männlicher Braunbär beobachtet, der vermutlich aus Slowenien eingewandert war. 1989 wurde dann eine in Kroatien gefangene Bärin dazu gesetzt, die 1991 erstmals drei Junge brachte. 1992 und 1993 wurden im Ötscher-Gebiet noch ein weiblicher und ein männlicher Bär freigelassen. 1993 hatten beide Weibchen Nachwuchs. Im Herbst 1993 kam es dann in der Steiermark vermehrt zu Schäden, die im Frühjahr 1994 nochmals deutlich zunahmen: Bären "zerlegten" Bienenstände, um an den Honig zu gelangen und drangen in Schafställe ein. Ein Bär lernte sogar, Fischteiche abzulassen, um an die Forellen zu kommen. Damit war an eine Fortsetzung der Auswilderungen nicht mehr zu denken. Insgesamt wurden aber 31 Jungtiere geboren und der Bestand stieg bis 1999 auf zwölf Tiere an. Als Folge mutmaßlicher illegaler Bejagung starb die Population aber 2011 aus. Seitdem gibt es in Österreich nur noch 5-8 wandernde, hauptsächlich aus Slowenien stammende Bären, die in den Karawanken, Karnischen Alpen und Gailtaler Alpen umherstreifen [8; 29].

In den italienischen Alpen hatte eine Population im Adamello-Gebiet (Trentino) überlebt, unweit der Grenze zur Schweiz, und eine weitere bei Tarvis im Dreiländereck Italien-Slowenien-Österreich. In den 1970er Jahren umfassten diese noch knapp 10 bzw. 3-4 Individuen. Währenddem die Population im Dreiländereck immer wieder mal Zufluss aus den slowenischen Dinariden erhielt, blieb die Trentinopopulation isoliert. In den 1990er Jahren lebten dort nur noch drei (2.1) alte Tiere, die sich nicht mehr fortpflanzten. Damit ging das Erbgut des Alpenbären für immer verloren. Zum Erhalt des Bestands wurden zwischen 1999 und 2002 insgesamt 10 (3.7) Bären aus Slowenien freigelassen. Erklärtes Ziel war, eine Population von 40-60  erwachsenen Individuen aufzubauen, was bereits 2013 erreicht wurde. 2019 wurde der Gesamtbestand auf 66-76 Adulte und Subadulte sowie 15-21 Jungtiere geschätzt, für 2021 waren es 73-92 bzw. 12-14. Bei der lokalen Bevölkerung war die Begeisterung über die Wiederansiedlung des Bären anfänglich groß, zumal die alte Population sich menschenscheu verhalten und kaum Schäden verursacht hatte. Mittlerweile ist die Stimmung gekippt. Obschon die Mehrheit der slowenischstämmigen Bären und Menschen friedlich zusammenleben, haben einzelne Bärinnen, die ihre Jungen verteidigten und dabei Menschen verletzten, diesen Meinungsumschwung provoziert. Hinzu kommen eine Zunahme von Schäden und ein schlechtes Management von Problembären. Diese werden nicht etwa abgeschossen, sondern eingefangen und in ein Gehege bei Casteller gebracht. Ein Bär, der eingefangen wurde, weil er 2019 massive Schäden verursacht hatte (13 tote und 4 verletzte Rinder, 7 tote und ein verletztes Pferd, 17 tote Schafe und Ziegen, 11 Bienenstände und 7 beschädigte Hütten) wurde unter dem Namen "Papillon" berühmt, weil es ihm zweimal gelungen war, aus dem Gehege auszubrechen. Deswegen braucht es überarbeitete, klare, mit der lokalen Bevölkerung und Interessensvertretern abgestimmte Richtlinien dafür, wie mit Problembären umzugehen ist [8; 18; 28].

Mit dem Wachstum der Trentinopopulation war damit zu rechnen, dass vorab jungerwachsene Männchen abwandern und in der Schweiz, Österreich und Bayern auftauchen würden. In der Schweiz wurde am 25. August 1997 im Val Curciusa (GR) ein Bär beobachtet, der wohl aus Italien stammte und danach wieder verschwand. Am 25. Juli 2005 wurde erstmals der in der Folge "Lumpaz" (Lausbub) genannte, 2001 im Trentino geborene Bär JJ2 am Ofenpass bei Buffalora gesichtet. „Lumpaz" wandert in den Grenzregionen Österreichs, Italiens und der Schweiz umher und verursacht erhebliche Schäden. Am 29. September 2005 verlieren sich seine Spuren. 2006 wird ein weiterer Bär im Val Müstair beobachtet. Im Juni 2007 taucht ein neuer Bär (MJ4) im Gebiet des Nationalparks und der Landschaft Davos auf. Zusätzlich wandert Bär JJ3, ein 2006 geborener Bruder von „Lumpaz“ via Val Müstair ein. Nachdem JJ3 sich im Albulatal mehrfach den Siedlungen und eingezäunten Schafen genähert hat, wird er am 13. August eingefangen und mit einem Sender versehen. Im Herbst macht JJ3 die Lenzerheide unsicher, wo er nachts Abfallkübel und Kehrrichtssäcke nach Futter durchstöbert. Der wesentlich scheuere MJ4 ist weiterhin in der Umgebung des Nationalparks unterwegs. Beide Bären verbringen ihre Winterruhe in der Schweiz. Im Frühjahr 2008 wird JJ3 als "Risikobär" eingestuft und in der Nähe des Glaspasses bei Thusis abgeschossen [22; 28]. Im Juni 2010 tauchte wieder ein Bär im Val Müstair auf, danach im Juni 2011 und im Frühjahr 2012 jeweils im Val S-charl. Letzterer (M13) wird im April 2012 mit einem Senderhalsband versehen, überlebt eine Kollision mit der Rhätischen Bahn und, weil er sich gerne in der Nähe von Siedlungen aufhält, Bienenstöcke ausräumt, einen Esel und 30 Stück Kleinvieh reißt und sich Wanderern anschließt, erst zum Problem-, später zum Risikobären befördert und am 19. Februar 2013 im Puschlav abgeschossen [Medienmitteilung BAFU vom 20.02.2013]. Im Mai 2014 hält sich wiederum ein Bär (M25) im Unterengadin und im Puschlav auf, im Mai 2015 wird ein unbesenderter Bär im oberen Puschlav gesichtet. Ein weiterer (M32) überwintert im Münstertal und wird im April 2016 bei Zernez im Unterengadin von einem Zug erfasst und getötet. Im selben Jahr befinden sich noch 1-2 weitere Bären in der Schweiz. 2017 zirkuliert ein Bär während mehrerer Monate im Unterengadin und im Nationalpark. 2020 wurde einer im Puschlav und 2021 einer im Münstertal gesichtet [Medienmitteilungen Amt für Jagd und Fischerei GR]. 2017-2019 besucht mindestens ein Bär (M 29) die Zentralschweiz, das Berner Oberland und das Wallis [diverse Zeitungsmeldungen].

In Deutschland gab bisher nur der als „Bruno“ bekannte Bär JJ1 zu Schlagzeilen Anlass. Dieser entwickelte sich vom „Schadbären“ über den „Problembären“ zum „Risikobär“. Nachdem „Bruno“ in der Nacht des 16./17. Juni 2006 mitten durch den Touristenort Kochel spazierte, gab ihn die Bayerische Umweltverwaltung zum Abschuss frei. In den frühen Morgenstunden des 26. Juni 2006 wurde er im Rotwandgebiet oberhalb von Spitzingsee erlegt.

Alle drei in Deutschland, Österreich und der Schweiz größere Probleme verursachenden Bären spwie eine Bärin, die im Frühjahr 2023 im Trentino einen Jogger tötete, waren Nachkommen der Bärin „Jurka“ [30]. Diese war 2001 in Slowenien gefangen und ins Trentino gebracht worden. Die dortigen Hoteliers freuten sich über die Bärin. Sie fütterten sie an, weil sie ihren Gästen etwas bieten wollten, und die Bärin kam. So verlor sie ihre Scheu vor dem Menschen und hat in der Folge ihre Nachkommen falsch erzogen und zu „Risikobären“ gemacht. Sie wurde deswegen in Italien eingefangen, lebte erst im Gatter San Romedio (Gemeinde Coredo) in der Nähe von Trient, und ist seit 2010 im Alternativen Wolfs- und Bärenpark bei Bad Rippoldsau im Schwarzwald.

Da in der Jugend angelerntes Verhalten den Bären kaum auszutreiben ist, kann es nicht Rolle der Zoos beim Bärenschutz sein, Tiere für Wiederansiedlungsprojekte zu produzieren. Vielmehr besteht ihre Rolle darin, einerseits Sympathie für den Bären zu schaffen und andererseits das Publikum zu lehren, dass ein Bär kein Kuscheltier, sondern ein potenziell gefährliches Raubtier ist, vor dem man Respekt haben muss. Ferner können sich Zoos an Forschungsarbeiten beteiligen oder Herdenschutzprojekte unterstützen.

Bedeutung für den Menschen

Wirtschaftliche Bedeutung, Jagd: "wenn die jäger einen pern vahen wellent, so graben si ain gruob und besprengen den weg zuo der gruob mit hong, darumb, daz er dem weg volge und in die gruob vall." So schrieb Konrad von MEGENBERG (1309-1374) im "Buch der Natur", der ersten Naturgeschichte in deutscher Sprache, die er in Regensburg verfasste [zitiert nach 24]. Dies illustriert deutlich, dass das Zusammenleben von Großraubtier Bär und dem Menschen schon im Mittelalter nicht konfliktfrei war. Bären wurden mit Fallgruben, Quetsch- oder Schlagfallen gefangen, bzw. getötet, oder mit Netz, Spieß und Armbrust gejagt. Mit der Verbreitung der Feuerwaffen starb der Bär allmählich aus, wobei die Ausrottung von Staates wegen gefördert wurde. So verordnete z.B. die Republik Bern 1616 im Abschnitt "Vom Jagen, Fäderspiel und Fischfang" der "Landschaft Waadt Satzungen und Statuten": "Wölff und Bären mag ein jeder fachen. Wir wöllen menicklichem der Unseren zugelassen und erlaubt haben, Bären und Wölff, wyl sölches rysende und schädliche Thiere sind, zu allen und jeden Zyten zu fachen und den selben nach zu setzen." Bereits seit anfangs des 16. Jahrhunderts bezahlte die Republik für Raubtiere - Bär, Wolf, Bartgeier, Luchs und Fischotter - Schuss- und Fanggelder [24].

Von 2001-2017 wurden im Rahmen von CITES nebst zahlreichen anderen Teilen und Erzeugnissen die Ausfuhr von rund 3'680 Fellen und 2'581 Schädeln registriert, die zu 85% aus Kanada kamen. Jagdtrophäen wurden 10'440 gemeldet, davon 6'728 aus Russland, 1'853 aus Rumänien und 1'482 aus Kanada. Den 150 exportierten lebenden Wildfängen (darunter 50 aus Russland und 25 aus Usbekistan) standen 1'067 Nachzuchttiere gegenüber, davon 510 aus Russland. Aus der Schweiz waren es 24, aus Deutschland 3 und aus Österreich 0. Der "vernünftige Grund" lässt grüßen ... [4].

Kulturelle Bedeutung: Bei manchen Naturvölkern, etwa den japanischen Ainu, gibt es Bärenkulte. Im Arkadien, zu Deutsch Bärenland (auf der Peloponnes) des Altertums wurde die Göttin Artemis in Gestalt einer Bärin verehrt. Die Sternbilder des Großen und des Kleinen Bären waren in der Antike für die Schifffahrt sehr wichtig und wurden in Beziehung zu den Nymphen Helike und Kynosura gebracht, die als Bärinnen Zeus in einer Grotte verborgen und ein Jahr lang gesäugt hatten und von ihm zum Dank an den Himmel versetzt worden waren. Nach einer anderen Geschichte soll es sich um Kallisto, die Gefährtin der Artemis handeln, die von dieser zur Strafe in eine Bärin verwandelt worden war, weil sie Zeus den Sohn Arkas geboren hatte. Dieser Arkas wurde Bärenjäger und verfolgte unwissentlich seine Mutter bis in ein Zeus-Heiligtum. Da nach arkadischem Gesetz beide für diese Entweihung hätten getötet werden müssen, versetzte sie Zeus aus Mitleid in den Sternenhimmel.

In Mitteleuropa wurde die Bärengöttin Dea Artio bis in gallo-römische Zeit verehrt, wie Funde etwa aus Trier und Muri bei Bern belegen [24]. Viele Flur- und Ortsnamen verweisen auf den Bären so in der Schweiz: Bärau, Bärenwil, Bäretswil, Bäriswil, Bärschwil, in Deutschland 55606 Bärweiler, 55483 Bärenbach, 55758 Bärenbach, 78580 Bärenthal, 95671 Bärnau und 09471 Bärenstein. Solche Orte und auch solche, die mit dem Bären an sich nichts zu tun, aber eine sprachliche Ähnlichkeit haben, führen den Bären im Wappen, so Berlin, Bern, Bernau (Brandenburg), Bernau (Schwarzwald), Bernburg und andere.

Zahlreiche Pflanzenarten sind nach dem Bären benannt, z.B. Bärengras (Xerophyllum tenax), Bärenklau, (u.a. Wiesenbärenklau; Heracleum sphondylium), Bärenohr (Arctotis spp.), Bärentraube (u.a. Gemeine Bärentraube; Arctostophylos uva-ursi), Bärlapp (Bärlappgewächse; Lycopodium spp.), Bärlauch (Allium ursinum), Bärenwurz (Alpenfenchel; Meum athamanticum), Bärenklee (Gelber Steinklee; Melilotus officinalis), Bärenwicke (Zottelwicke; Vicia villosa).

Auch als Kinderspielzeug und als Held von Kinderliedern, Sagen und Märchen ist der Bär von großer kultureller Bedeutung. Oft tritt er dabei in Kombination mit Fuchs oder Wolf auf. Im Tierepos "Reineke Fuchs" ist er der Bote, der den Fuchs zur Gerichtsverhandlung vorladen soll.

Märchen der Gebrüder Grimm:

Gotthold Ephraim Lessing:

Haltung im Zoo

Braunbären können im Zoo ein Alter von 40 Jahren erreichen [25].

Bildergalerie: Wie Braunbären im Zoo leben

Haltung in europäischen Zoos:
Die Art wird in etwa 320 Zoos gehalten, von denen sich gegen ein Viertel im deutschsprachigen Raum befinden. Nebst nicht näher bestimmten Tieren oder Unterart-Hybriden handelt es sich hauptsächlich um den Europäischen Braunbären (U. a. arctos), den Kaukasus- (U. a. syriacus) mit rund 15 und den Kamtschatkabären (U. a. beringianus) mit rund einem Dutzend Haltungen, ferner vereinzelte Grizzly- (U. a. horribilis), Himalaya- (U.a. isabellinus) und Ussuribären (U. a. lasiotus). Der Kodiakbär (U. a middendorffi) ist vor wenigen Jahre aus europäischen Zoos verschwunden. Für Details siehe Zootierliste.

Das seit 1994 bestehende Europäische Zuchtbuch wird am Zoo Rhenen geführt. 2023 wurde es in ein "New Style EEP" umgewandelt. Die Bärenspezialisten-Gruppe der EAZA hat Empfehlungen für Bau und Gestaltung neuer und die sinnvolle Verwendung alter Anlagen herausgegeben [11].

Aus Furcht, nicht platzierbare Jungtiere töten zu müssen, und damit in Konflikt mit der öffentlichen Meinung oder, in Deutschland, mit einem Tierschutzgesetz zu kommen, welches Populationsmanagement nicht als vernünftigen Grund für eine Tötung ansieht, haben viele Zoos ihre Bären kastriert oder sterilisiert, und nur noch wenige halten zuchtfähige Gruppen und produzieren gelegentlich Jungtiere. So gibt es in 15 Bären haltenden Mitgliedparks des Deutschen Wildgehegeverbands nur noch ein einziges funktionierendes Zuchtpaar. Ferner hat es eine Konzentration hinsichtlich Unterarten gegeben: Vom mächtigen Kodiak- und dem Grizzlybären aus Nordamerika hat es in ganz Europa keine züchtenden Tiere mehr.

Wie Braunbären gehalten werden (Beispiele)

Forschung im Zoo: Braunbären sind beliebte Studienobjekte für Forschungsarbeiten. Dabei kann es um Grundlagenforschung gehen, etwa zur Anatomie, Ontogenese, Physiologie oder Ethologie, aber auch um die Prüfung und gegebenenfalls Optimierung der Haltungsbedingungen und somit zur Erhöhung des Tierwohls, wie etwa zur Gruppenzusammensetzung, Umweltanreicherung, Neugestaltung von Anlagen, Fütterung oder Krankheitsgeschehen und tierärztliche Maßnahmen [5; 6; 9; 12; 13; 15; 17; 19; 20; 21].

Mindestanforderungen an Gehege: Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für 1-2 Braunbären eine Landfläche von 150 m² und ein Wasserbecken von 50 m² mit einer mittleren Tiefe von 1 m vor. Für jeden weiteren Bären ist die Landfläche um 20 und die Wasserfläche um 2 m² zu erhöhen, (was allerdings eine unsinnige Bestimmung ist). Für jedes Tier ist eine Schlafbox von 6 m² vorzusehen. Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) ist für 1-2 Tiere ein Gehege von 300 m² erforderlich, was ein Becken von 20 m² mit einer mittleren Tiefe von 1.5 m einschließt. (Wenn die zuständige Behörde auf dieser Wassertiefe besteht, empfiehlt es sich, die Beckenfläche zu erhöhen). Pro Tier ist eine Schlafbox von 6 m² notwendig.

In Deutschland sah das Säugetiergutachten’96 für ein Außengehege für zwei Braunbären 150 m² und für jedes weitere Tier zusätzlich 20 m² vor. Das war zweifellos anpassungsbedürftig. Allerdings sollten sich, wie bei anderen solitär lebenden Tieren, die Maße für die Grundeinheit eines Geheges auf ein Einzeltier beziehen und nicht, wie im Säugetiergutachten 2014 des BMEL auf drei Tiere. Für bestehende Anlagen wäre demnach eine Fläche von 150 m² für jedes Tier zu fordern. Dies erlaubt, bestehende Bärenanlagen, die kleiner sind als 500 m², die sich aber für die Haltung (zumeist älterer) Einzelbären eignen, weiter zu nutzen. Weil Bären grundsätzlich solitär lebende Tiere sind, ist die Einzelhaltung auf relativ kleinem Raum in vielen Fällen mit weniger Stress verbunden als die Haltung einer zusammengewürfelten Gruppe von Bärinnen und kastrierten Bärenmännern, wie sie von „Bärenrettungsparks“ praktiziert wird. Für drei Tiere wären 450 m² erforderlich, was in der Größenordnung der Vorgabe des Gutachtens (500 m²) liegt. Dass das Gutachten für Kodiak- und Kamtschatkabär Außengehege von 600 anstatt 500 m² vorsieht, ist nicht nachzuvollziehen, zumal es namentlich in Anbetracht des Sexualdimorphismus bei den verschiedenen Unterarten zu einer Überlappung der Größe der Individuen kommt. Institutionen, die Kodiak- oder Kamtschatkabären halten, stellen auch infrage, dass diese Schlafboxen benötigen, die größer als 6 m² sind. Dass die Innenboxen in jedem Fall verbindbar sein müssen ist nicht einzusehen, bei Wurfboxen wäre dies ohnehin kontraindiziert. Je nach Konstellation des Stallgebäudes sind unterschiedliche Möglichkeiten denkbar.

Taxonomie und Nomenklatur

Der Braunbär wurde erstmals 1758 von Carl von LINNÈ unter seinem heute noch gültigen wissenschaftlich Namen beschrieben. Er ist sehr nahe mit dem Eisbären (Ursus maritimus) verwandt und es kann zu Hybridisierungen kommen, wobei die Nachkommen fruchtbar sind. Ein solcher "Breisbär" ist z.B. im Zoo Osnabrück und war früher im Zoo Salzburg zu sehen. Es wurden zahlreiche Unterarten beschrieben; Nach HANDBOOK werden noch deren 14 anerkannt, obwohl bereits 1998 festgestellt wurde, dass man in Nordamerika nur zwei Unterarten differenzieren könne. Die isolierten Abruzzen- (U. a. marsabicus) und Pyrenäenbären (U.a. pyrenaicus) gelten gegenwärtig als U. a. arctos, der Hokkaido-Braunbär (U. a. yesoensis) als lasiotus. Im Interesse des Artenschutzes sollten dringend morphologische und molekulargenetische Studien an Bären aus unterschiedlichen Populationen durchgeführt werden, um die Systematik zu klären [10; 26; 27].

  • Europäischer Braunbär (U. a. arctos): Europa ohne Kaukasus
  • Kamtschtakabär (U. a. beringianus): Nordost-Sibirien, Halbinsel Kamtschatka
  • Sibirischer Braunbär (U. a. collaris): Östlich des Jenissei, ohne extremen Osten
  • Isabellbär (U. a. isabellinus): Nordindien bis Zentralasien
  • Ussuri-Braunbär (U. a. lasiotus): Sibirien, China, Nordkorea, Japan (Hokkaido)
  • Tibet-Braunbär (U. a. pruinosus): Tibet, Sichuan
  • Syrischer Braunbär (U. a. syriacus): Kaukasusregion
  • Grizzlybär (U. a. horribilis): Nordamerika, einschließlich alascensis,dalli, gyas, sitkensis und stikeenensis
  • Kodiakbär (U. a. middendorffi): Kodiak und benachbarte Inseln

Literatur und Internetquellen

  1. ALMASAN, H. (1994)
  2. BREHM, A. E. (1882-1887)
  3. CITES IDENTIFICATION MANUAL
  4. CITES TRADE DATA BASE
  5. DIETERMANN, A. (1996)
  6. FRAUNDORFER, K. (2012)
  7. GRIMMBERGER, E. & RUDLOFF, K. (2009)
  8. KACZENSKY, P. (2000)
  9. KEMPF, H. (1999)
  10. KITCHENER, A. (2010)
  11. KOLTER, L., KAMPHORST, N.F. & RUVEN, S.A.W. (2007)
  12. KOLZENBURG, Ch. (2003)
  13. KRÄMER, M. (2001)
  14. KRIEGER-HUBER, S. (2008)
  15. MARKOWSKI, S. (2013)
  16. McLELLAN, B.N. et al. (2017). Ursus arctos (amended version of 2017 assessment). The IUCN Red List of Threatened Species 2017: e.T41688A121229971. http://www.iucnredlist.org/details/41688/0. Downloaded on 21 June 2018.
  17. MEINERT, A. (2014)
  18. ORSO PROVINCIA TRENTINO / AUTONOME PROVINZ TRIENT, BERICHTE ÜBER GROßE BEUTEGREIFER
  19. QUEST, M. (2002)
  20. PREUSS, A. (2008) (Hybride x Eisbär)
  21. TAGGER, K. (2011)
  22. TESTER, U. (2009)
  23. USHER SMITH, J. & KOLTER, L. (2007)
  24. VOLMAR, F. A. (1940)
  25. WEIGL, R. (2005)
  26. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
  27. PAETKAU, D., SHIELDS, G. F. & STROBECK, C. (1998/2002)
  28. MOLINARI-JOBIN, A. & MOLINARI, P. (2021)
  29. BEUTEGREIFER.AT
  30. LA STAMPA vom 11. April 2023

ferner Pressemitteilungen der Zoos

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Donnerstag, 14 Juni 2018 12:34

Kragenbär

Überordnung: LAURASIATHERIA
Ordnung: Raubtiere (CARNIVORA)
Taxon ohne Rang: Landraubtiere (FISSIPEDIA)
Unterordnung: Hundeartige (Caniformia)
Familie: Bären (Ursidae)
Unterfamilie: Eigentliche Bären (Ursinae)

D VU 650

EEPKragenbär

Ursus thibetanus • The Asian Black Bear • L'ours à collier

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Kragenbär (Ursus thibetanus) im Zoo Halle © Jutta Heuer, Zoo Halle

 

 

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Approximative Verbreitung des Kragenbären (Ursus thibetanus). Rot: ausgerottet.; dunkelblau: noch vorhanden oder möglicherweise noch vorhanden

 

 

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Südostasiatische Kragenbären (Ursus thibetanus thibetanus) im Saigon Zoo,Ho-Chi-Minh City © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

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Japanischer Kragenbär (Ursus thibetanus japonicus) im Ueno Zoo, Tokyo © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

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Kragenbär (Ursus thibetanus) der braunen Farbphase, ehemals im Zoo Seeteufel, Studen bei Biel © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

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Ussuri-Kragenbär (Ursus thibetanus ussuricus) im Zoologická zahrada Chleby © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

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Ussuri-Kragenbär (Ursus thibetanus ussuricus) im Zoo Moskau © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

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Badender Kragenbär (Ursus thibetanus) im Zoo Halle © Jutta Heuer, Zoo Halle

 

 

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Kragenbär (Ursus thibetanus) ehemals im Zoo Seeteufel, Studen bei Biel © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

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Kragenbärin "Mäuschen" (Ursus thibetanus) mit Katze im Zoo Berlin © Zoo Berlin (Pressefoto)

 

 

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Kragenbär (Ursus thibetanus) im Zoo Halle © Jutta Heuer, Zoo Halle

 

 

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Kragenbär (Ursus thibetanus) im Zoo Breslau © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

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Kragenbär (Ursus thibetanus) im Zoo Breslau © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

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Kragenbär (Ursus thibetanus) im Zoo von Mährisch-Ostrau © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

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Kragenbär (Ursus thibetanus) im Zoo Breslau © Wolfgng Dreier, Berlin

 

 

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Haltung einer großen Gruppe von Kragenbären (Ursus thibetanus) gemeinsam mit Breitmaulnashörnern in einem befahrbaren Gehege im Safari africain de Sigean (Aufnahme von 1988) © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

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Kragenbärin mit Jungtier (Ursus thibetanus) ehemals im Zoo Seeteufel, Studen bei Biel. Die kleine, wenig strukturierte Anlage wurde umgebaut und wird heute anderweitig genutzt © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

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Gruppenhaltung von Kragenbären (Ursus thibetanus) in den 1970er-Jahren in einem heute nicht mehr existierenden Kleinzoo in der Schweiz. © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Der wegen des illegalen Handels vor allem mit Gallenblasen für die Zwecke der traditionellen chinesischen Medizin gefährdete Kragenbär wird heute nicht mehr sehr häufig in europäischen Zoos gehalten. Wo vorhanden, kann er zoopädagogisch als Beispiel dafür eingesetzt werden, wie die vermeintliche medizinische Wirkung von Körperteilen die illegale Jagd befördert und katastrophale Auswirkungen auf die Bestände der betroffenen Tierart haben kann.

Körperbau und Körperfunktionen

Der Kragenbär ist ein mittelgroßer Bär, etwa kleiner als der Baribal. Seine Kopf-Rumpfänge beträgt 110-175(-220) cm, die Schulterhöhe etwa 75 cm, die Schwanzlänge 5-12(-16) cm. Bären werden 90-180(-240) kg schwer, Bärinnen 35-140(-170) kg. Entsprechend der Bergmannschen Regel sind Tiere aus kalten Klimaten,die  nördlichen Ussuri-Kragenbären (Ursus thibetanus ussuricus) oder jene der zentralasiatischen Hochgebirge (Ursus thibetanus laniger), größer als solche aus wärmeren Regionen. Die meisten Kragenbären sind schwarz, es gibt aber auch eine braune Farbphase, die namentlich im Südwesten des Verbreitungsgebiets (Ursus thibetanus gedrosianus) häufig auftritt. Größe und Form des namengebenden "Kragens", eines weißen, mehr oder weniger V-förmigen oder halbmondartigen Flecks auf der Brust, variieren beträchtlich. Ebenso die Länge des Fells; insbesondere können die Halsmähne und die Backenbärte mehr oder minder stark ausgeprägt sein [1; 3; 9; 12].

Verbreitung

Süd-, Südost- und Ostasien: Afghanistan, Bangladesch, Bhutan, Burma, China, Indien, Iran, Japan, Kambodscha, Nord- und Südkorea, Laos, Nepal, Pakistan, Russland, Taiwan, Thailand, Vietnam. In Teilen des Verbreitungsgebiets (z.B. Laos) kommen Kragen- und Malaienbär sympatrisch vor [6].

Lebensraum und Lebensweise

Kragenbären sind Einzelgänger, die nur zur Paarungszeit oder in Mutterfamilien zusammen sind. In Waldgebieten sind sie hauptsächlich tagsüber und in der Dämmerung aktiv, in offenen Landschaften gehen sie nachts auf Futtersuche. Sie haben Streifgebiete, die bei Bärinnen meist (10-)20-60 km², bei Bären das Doppelte messen. Sie besiedeln hauptsächlich Laub- Misch- und Koniferenwälder von den gemäßigten Breiten bis in die Tropen. Regional sind sie in Waldsteppen anzutreffen, wo sie Galeriewälder und aufgegebene Dattelpflanzungen nutzen. Saisonal gehen sie auch auf alpine Rasen bis auf eine Höhe von 4'500 m. Auch die Erwachsenen sind sehr gute Kletterer, welche hoch in die Bäume hinaufsteigen, um an Nahrung zu kommen [2; 6; 10].

Kragenbären sind Allesfresser, deren Speiseplan je nach Region und jahreszeitlichem Angebot variiert. Im Frühjahr werden Schösslinge und Bambussprossen, im Sommer Insekten und fleischige Früchte und im Herbst hauptsächlich Nüsse, Eicheln etc. aufgenommen. In den Tropen, wo Früchte ganzjährig verfügbar sind, machen diese den Hauptteil der Nahrung aus. In Thailand z.B. fressen die Bären Früchte von über 80 Baumarten aus etwa 30 verschiedenen Familien. Gebietsweise ist Fleisch eine wichtige Komponente ihrer Diät, wobei es sich um selbst erlegte Beute oder um Aas handeln kann, oft um die Überreste von Tiger-Mahlzeiten. Wie Braunbären machen sie sich dadurch unbeliebt, dass sie gelegentlich Kleinvieh töten, Obstgärten, Rebberge und Äcker plündern oder Bienenstöcke ausräumen oder bei Nahrungsknappheit ins Siedlungsgebiet eindringen und sich an Abfällen gütlich tun [2; 6; 13].

Im Norden des Areals ziehen sich die Tiere beider Geschlechter in eine Fels-, Erd- oder Baumhöhle oder unter einen umgestürzten Baum zurück, um eine Winterruhe zu machen, die zwischen Oktober und Dezember beginnt und bis Mitte März oder Ende Mai dauert. Südlich des Himalayas ziehen sich nur die trächtigen Bärinnen für die Geburt und die erste Phase der Jungenaufzucht zurück [6].

Die Paarungszeit fällt auf Juni bis Juli. Die befruchtete Eizelle macht zuerst eine Keimruhe von 4-6 Monaten durch. Die Embryonalentwicklung dauert zwei weitere Monate. Die meist 1-2, selten bis 4 Jungen kommen zwischen November und März zur Welt. Das Alter erstgebärender Bärinnen liegt bei 4-5 Jahren [6; 13].

Gefährdung und Schutz

Das illegale Töten von Kragenbären und der Handel mit Bärenprodukten (vor allem Galle) sowie das damit zusammenhängende Einfangen von Jungtieren für Bärenfarmen bedrohen die Bestände stark. Auch der Verlust von Lebensraum stellt eine große Gefahr dar, da dadurch das Verbreitungsgebiet immer mehr schrumpft. Die Bestände gehen in den meisten Gebieten zurück, am stärksten in Südost-Asien und China. Nur in Japan scheint ihre Anzahl zuzunehmen. Zahlen zur Gesamtpopulation sind nicht verfügbar, aber es wird geschätzt, dass die Bestände in den letzten 30 Jahre (drei Generationen) um 30 - 49 % abgenommen haben und dass dieser Rückgang auch in den nächsten 30 Jahren anhalten wird, wenn keine strikten Schutzmassnahmen durchgeführt werden. Dazu wären systematische Bestandsuntersuchungen notwendig, wie sie z.B. in Laos durchgeführt wurden, andernorts aber noch fehlen [9]. Der Kragenbär wird deshalb aufgrund einer Überprüfung aus dem Jahr 2016 als gefährdet beurteilt (Rote Liste: VULNERABLE) [6].

Der Handel ist nach CITES-Anhang I eingeschränkt.

Zoogestütztes Artenschutzprojekt (Beispiel):

  • Die französische Association Anoulak engagiert sich im Schutz des 3'500 km² großen Nakai-Nam Theun-Nationalparks in Laos. Seit 2016 setzt sie in Zusammenarbeit mit den lokalen Behördee Patrouillen aus ausgebildeten lokalen Dorfbewohnern zur Bekämpfung der Wilderei ein, bietet Umweltbildung in den Dorfschulen und ein entsprechendes Ausbildungsprogramm für die Lehrkräfte an, und führte ein dreijähriges Programm zur nachhaltigen Entwicklung der Dorfgemeinschaften im Nakai-Distrikt durch. Von diesen Maßnahmen profitiert u.a. der Kragenbär. Anoulak wird von rund 15, hauptsächlich europäischen Zoos, vom französischen Zooverband und von der ZGAP unterstützt. mehr ...

Bedeutung für den Menschen

Wirtschaftliche Bedeutung: Bärengalle ist seit Jahrtausenden ein wichtiger Bestandteil der traditionellen chinesischen Medizin, wo sie für die unterschiedlichsten Indikationen eingesetzt wird. Erstmals schriftlich dokumentiert wurde ihrer Anwendung im Jahr 659 v. Chr. im Rahmen der ersten chinesischen Pharmakopoe. Zugeschrieben wurde ihr Heilwirkung gegen Fieber, Entzündungen, Leberbeschwerden, Darmkrämpfe, vermindertes Sehvermögen und Gallensteine. Tatsächlich hat die in der Galle enthaltene  Ursodeoxycholinsäure pharmakologische Wirkungen, die auch in der westlichen Medizin eingesetzt werden. Sie könnte aber synthetisch hergestellt werden, d.h. ohne dass Kragenbären gewildert oder zur Entnahme der Galle unter völlig inakzeptablen Bedingungen gehalten werden [6].

Die Mengen der im internationalen Handel registrierten Körperteile und Derivate lässt keine Rüchschlüsse auf die Zahl der betroffenen Tiere zu. Von 1977-2017 wurde weltweit der Export von 232 lebenden Wildfängen registriert. Nach Abzug der hin- und her reisenden Zirkusbären verbleiben 89 Ausfuhren aus Japan und 14 aus der Sowjetunion bzw. Russland. Im selben Zeitraum wurden 456 Nachzuchttiere international verschoben, davon 184 aus Japan und 106 aus der Sowjetunion bzw. Russland [4].

Kulturelle Bedeutung: Im Shintoismus ist der Kragenbär das Symboltier des Berggotts Yama-no-Kami.

Haltung im Zoo

WEIGL gibt als Höchstalter 39 Jahre und 11 Monate für ein im Whipsnade Wild Animal Park geborenes Tier an [12]. Mittlerweile liegt der Rekord bei 42 Jahren, 10 Monaten und 23 Tagen, erreicht von der Kragenbärin "Mäuschen" im Berliner Zoo. Geboren war sie am 24. November 1967 im Nürnberger Tiergarten. Zur Eröffnung der neuen Tropenbärenanlagen, zog sie im September 1968 in den Berliner Zoo ein. Hier hatte sie im Laufe der Jahre zehnmal Nachwuchs, letztmals 1997. Sie gebar insgesamt 16 Junge, von denen sie 15 aufzog [1]. Berühmt wurde sie durch die Tatsache, dass sie in den letzten Jahren auf ihrer Außenanlage zusammen mit einer schwarzen Hauskatze, die eines Tages auf der Außenanlage gesichtet wurde, friedlich in einer tierischen Wohngemeinschaft lebte und sogar das Futter mit ihr teilte. Im Herbst 2003, zum Beginn der Umbauarbeiten der jetzigen Braunbärenanlage, musste Mäuschen in ein abseits der Besucher liegendes Gehege auf dem Innenhof der Bärenanlage einziehen. Am 16. November 2010 wurde sie wegen fortgeschrittener, schmerzhafter Altersbeschwerden eingeschläfert [PM Zoo Berlin].

Haltung in europäischen Zoos:
Heute wird die Art in gegen 60 europäischen Zoos gehalten, bei etwa zwei Dritteln handelt es sich um Ussuri-Kragenbären in Zoos des ehemaligen Ostblocks. Im deutschsprachigen Raum ist die Haltung am Auslaufen, der Tierpark Dessau hat jedoch 2021 die Initiative ergriffen, Ussuri-Kragenbären aus Russland zu importieren. Früher waren Kragenbären in Mitteleuropa weitaus häufiger, BREHM gibt an, sie seien "in allen größeren Thiergärten zu sehen" [2]. Auch im 20. Jahrhundert war der Kragenbär nach dem Braunbären die zweithäufigste Art in unseren Zoos. Allein in der Schweiz gab es in den 1970er-Jahren ein halbes Dutzend Haltungen, von denen zwei nach Inkraftteten des Tierschutzgesetzes beendet werden mussten und die übrigen alle im Laufe der Zeit verschweanden. Da die Kragenbären gut züchteten, wurden überzählige Tiere oft geschlachtet und der menschlichen Ernährung zugeführt. So schlachtete z.B. 1972 der damals mausarme Breslauer Zoo zwei Kragenbären, um die Teilnehmer des Internationalen Zootierärzte-Symposiums zu verköstigen. Das Ergebnis hatte den Teilnehmern durchaus gemundet. Heute liegt der Haltungsschwerpunkt in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, wo der Ussuri-Kragenbär (Ursus thibetanus ussuricus) gepflegt wird. Bei den meisten übrigen Tieren ist der Unterart-Status unbekannt. Für Details siehe Zootierliste.

Das Europäische Zuchtbuch wird seit 2017 am Warschauer Zoo geführt. Die Bärenspezialisten-Gruppe der EAZA hat Empfehlungen für Bau und Gestaltung neuer, die sinnvolle Verwendung alter Anlagen sowie den Einsatz von Programmen zur Umweltanreicherung herausgegeben [7; 10].

Forschung im Zoo: Nachdem Kragenbären in Europa nicht häufig gehalten werden, sind sie auch nur selten Gegenstand von Forschungsarbeiten. Dabei werden sie oft im Kontext mit anderen Arten abgehandelt, etwa im Rahmen von Untersuchungen zur Fortpflanzungsphysiologie und Geburtenkontrolle bei in Menschenhand gehaltenen Bären oder zum Ruhe- und Schlafverhalten von Bären und Kleinbären [5; 8].

Mindestanforderungen an Gehege: Das Säugetiergutachten’96 des BMEL sah für ein Außengehege für zwei Kragenbären 150 m² und für jedes weitere Tier zusätzlich 20 m² vor. Das war zweifellos anpassungsbedürftig. Allerdings sollten sich, wie bei anderen solitär lebenden Tieren, die Maße für die Grundeinheit eines Geheges auf ein Einzeltier beziehen und nicht, wie im Säugetiergutachten 2014 des BMEL auf drei Tiere. In manchen europäischen Zoos werden Kragenbären heute noch in größeren Gruppen gehalten, was einigermaßen funktioniert. Weil Bären aber grundsätzlich solitär lebende Tiere sind, ist die Einzelhaltung in vielen Fällen mit weniger Stress verbunden als die Gruppenhaltung. Für bestehende Anlagen wäre demnach eine Fläche von 150 m² für jedes Tier zu fordern, d.h. für drei Tiere 450 m², was in der Größenordnung der Vorgabe des Gutachtens (500 m²) liegt. Dass die Innenboxen in jedem Fall verbindbar sein müssen ist nicht einzusehen, bei Wurfboxen wäre dies ohnehin kontraindiziert. Je nach Konstellation des Stallgebäudes sind unterschiedliche Möglichkeiten denkbar.

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für 1-2 Kragenbären eine Landfläche von 150 m² und ein Wasserbecken von 50 m² mit einer mittleren Tiefe von 1 m vor. Für jeden weiteren Bären ist die Landfläche um 20 und die Wasserfläche um 2 m² zu erhöhen, (was allerdings eine unsinnige Bestimmung ist). Für jedes Tier ist eine Schlafbox von 6 m² vorzusehen. Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) ist für 1-2 Tiere ein Gehege von 300 m² erforderlich. Ein Badebecken ist interessanterweise nicht vorgeschrieben, obwohl Kragenbären ebenso gerne baden, wie Braunbären. Pro Tier ist eine Schlafbox von 6 m² notwendig.

Taxonomie und Nomenklatur

Der Kragenbär wurde 1823 vom französischen Naturforscher und Direktor der Ménagerie von Paris, Georges CUVIER, unter seinem heute noch gültigen Namen beschrieben. Zeitweilig wurde er in einer Gattung Selenarctos geführt. Gegenwärtig werden 7 Unterarten anerkannt [13].

Literatur und Internetquellen

  1. BLASZKIEWITZ, B. (2010)
  2. BREHM, A. E. (1882-1887)
  3. CITES IDENTIFICATION MANUAL
  4. CITES TRADE DATA BASE
  5. DIETERMANN, A. (1996)  
  6. GARSHELIS, D. & STEINMETZ, R. (2020). Ursus thibetanus (amended version of 2016 assessment). The IUCN Red List of Threatened Species 2020: e.T22824A166528664. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2020-3.RLTS.T22824A166528664.en . Downloaded on 17 December 2020.
  7. KOLTER, L., KAMPHORST, N.F. & RUVEN, S.A.W. (2007)
  8. QUEST, M. (2002)
  9. SCOTSON, L. (2013)
  10. SMITH, A. T. & XIE, Y. (Hrsg., 2008)
  11. USHER SMITH, J. & KOLTER, L. (2007)
  12. WEIGL, R. (2005)
  13. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)

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Donnerstag, 14 Juni 2018 12:34

Lippenbär

Überordnung: LAURASIATHERIA
Ordnung: Raubtiere (CARNIVORA)
Taxon ohne Rang: Landraubtiere (FISSIPEDIA)
Unterordnung: Hundeartige (Caniformia)
Familie: Bären (Ursidae)
Unterfamilie: Eigentliche Bären (Ursinae)

D VU 650<

EEPLippenbär

Melursus ursinus • The Sloth Bear • L'ours lippu des Indes

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Lippenbär (Melursus ursinus) im NaturZoo Rheine © Achim Johann, NaturZoo Rheine

 

 

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Approximative Verbreitung des Lippenbären (Melursus ursinus). Dunkelblau: Gegenwärtig noch vorhanden oder möglicherweise noch vorhanden; rot: ausgerottet

 

 

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Lippenbär (Melursus ursinus) im Zoo Sofia © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

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Sri Lanka-Lippenbär (Melursus ursinus inornatus) im Zoo Moskau © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

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Sri Lanka-Lippenbär (Melursus ursinus inornatus) im Zoo Moskau © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

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Zwei Tage alter Lippenbär (Melursus ursinus) im Zoo Rheine © Zoo Rheine (Pressefoto)

 

 

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Zwei Monate alter Lippenbär (Melursus ursinus) im Zoo Berlin © Zoo Berlin (Pressefoto)

 

 

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Drei Monate alter Lippenbär (Melursus ursinus) "Balou" im Zoo Berlin © Zoo Berlin (Pressefoto)

 

 

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Drei Monate alter Lippenbär (Melursus ursinus) "Balou" im Zoo Berlin © Zoo Berlin (Pressefoto)

 

 

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Drei Monate alter Lippenbär (Melursus ursinus) "Balou" im Zoo Berlin beim ersten Spaziergang im Außengehege © Zoo Berlin (Pressefoto)

 

 

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Junger Lippenbär (Melursus ursinus) auf Mutter reitend im Zoo Berlin © Wolfgang Dreier, Berlin

 

 

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Junger Lippenbär (Melursus ursinus) mit Mutter im Zoo Berlin © Zoo Berlin (Pressefoto)

 

 

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Auseinandersetzung zwischen Lippenbär (Melursus ursinus) im Zoo Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

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Lippenbär (Melursus ursinus) im Zoo Leipzig © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

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Lippenbär (Melursus ursinus) als Reittier für jungen Rhesusaffen © Zoo Leipzig (Pressefoto)

 

 

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Lippenbär (Melursus ursinus) auf nicht-tiergerechter Anlage in einem osteuropäischen Zoo im Jahr 1988 © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

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Lippenbären-Motiv auf Briefmarke. Vereinte Nationen

 

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Der in seiner Heimat gefährdete Lippenbär wird heute nicht mehr sehr häufig in europäischen Zoos gehalten. Wo vorhanden, kann er als Beispiel dafür eingesetzt werden, wie die vermeintliche medizinische Wirkung von Körperteilen die illegale Jagd befördert und katastrophale Auswirkungen auf die Bestände der betroffenen Tierart haben kann, zudem ist er aufgrund seiner von anderen Bären abweichenden Anatomie zoopädagogisch interessant.

Körperbau und Körperfunktionen

Der Lippenbär ist ein mittelgroßer Bär, etwa vom Kaliber eines Baribals. Seine Kopf-Rumpflänge beträgt 130-180(-190) cm, die Schulterhöhe etwa 65-100 cm, die Schwanzlänge 10-12(8-17) cm. Bären werden 70-145(-190) kg schwer, Bärinnen 50-95(-120) kg. Tiere aus Sri Lanka sind etwas kleiner als solche vom Festland. Die Schnauze ist hell und kaum behaart, die Lippen sind verlängert, sehr beweglich und ausstülpbar. Die schmale Zunge ist bis 25 cm lang und kann weit herausgestreckt werden. Die Nasenlöcher können geschlossen werden. Die elfenbeinfarbigen Krallen der Vorderpfoten sind bis 8 cm lang, jene der Hinterfüße um die Hälfte kürzer. Die meisten Lippenbären sind schwarz, es gibt aber auch braune. Auf der Brust haben sie einen U- oder Y-förmigen, weißen, gelblichen oder bräunlichen Fleck. Das Fell ist rau und zottelig, die Haare bis 20 cm lang [1; 2; 14].

Wie für Bären typisch, besitzt der Lippenbär als Jungtier im Milchgebiss 42 Zähne. Als besondere Spezialisierung an die primär aus Termiten und Ameisen bestehende Nahrung werden aber die oberen zwei Incisivi im Nachhinein reduziert. Die Größe der übrigen Zähne nimmt ebenfalls ab, so können die Insekten direkt ins Maul gesaugt und verschluckt werden [7].

Verbreitung

Südasien: Bhutan, Indien, Nepal, Sri Lanka. In Bangladesch vermutlich ausgestorben [4].

Lebensraum und Lebensweise

Lippenbären besiedeln vor allem tiefere Lagen bis etwa 1'500 m, in den Western Ghats bis 2'000 m. Sie nutzen unterschiedlichste Lebensräume: tropische Feuchtwälder, Trockenwälder, Busch, Savanne und Grasland. Sie ernähren sich vorab von Ameisen und Termiten, wobei ihnen ihre langen Grabklauen zum Öffnen der Termitenbauten dienlich sind, sowie von Früchten. Nach dem Eröffnen eines Termitenbaus strecken sie ihre Schnauze in das Loch, saugen die Insekten ein und blasen Schmutzpartikel wieder aus, eine Tätigkeit, die mit erheblichem Geräusch verbunden ist. Bei den Früchten wird eher Fallobst gefressen als auf die Bäume geklettert. Ein erwachsener Lippenbär hat keine ernstzunehmenden Feinde. Selbst der Tiger mag sich nicht mit diesem wehrhaften Dschungelbewohner einlassen. Deshalb gehört der Lippenbär zu den wenigen Tieren, die sich einen tiefen, ausgiebigen Schlaf gönnen können. Weil er sich beim Schlafen nicht stören ließ, hielten ihn die alten Indienfahrer zunächst für ein Riesenfaultier, und auf Englisch heißt er heute noch "Sloth Bear", Faultier-Bär [4; 8; 14].

Lippenbären sind Einzelgänger, die nur zur Paarungszeit oder in Mutterfamilien zusammen sind. In Waldgebieten sind sie tagsüber oder während der Nacht aktiv. Sie haben Streifgebiete, die sehr unterschiedlich groß sind, auf Sri Lanka bei Bärinnen ab 2 km², bei Bären ab 4 km². Andererseits wurden in Indien Flächen bis zu 100 km² ermittelt. Die Streifgebiete überlappen sich, allerdings scheinen Bärinnen die Kernzonen als exklusive Territorien zu beanspruchen [13].

Lippenbären machen keine Winterruhe. Die Fortpflanzungszeit fällt auf Mai bis Juli, wobei sich beide Geschlechter mit jeweils mehreren Partnern paaren. Die befruchtete Eizelle macht zuerst eine Keimruhe von durch. Die gesamte Trächtigkeit dauert um die 7 Monate. Die meist 1-2 Jungen kommen zwischen November und Januar in einer natürlichen oder von der Mutter gegrabenen Höhle zur Welt. Sie verlassen den Bau mit 2.5 bis 3 Monaten. Während 6-9 Monaten reiten die Jungen oft auf dem Rücken der Mutter. Sie werden 12-14 Monate gesäugt und bleiben 1.5-2.5 Jahre bei der Mutter [14].

Gefährdung und Schutz

Aufgrund einer Beurteilung aus dem Jahr 2016 gilt der Lippenbär als gefährdete Tierart (Rote Liste: VULNERABLE), hauptsächlich durch Verlust des Lebensraums und illegale Bejagung. Es werden auch junge Lippenbären lebend gefangen, um als Tanzbären abgerichtet zu werden. Es liegen keine verlässlichen Schätzungen der Bestände vor, aber vermutlich liegt der Gesamtbestand unter 20'000 Individuen. Nachdem projiziert wird, dass die Bevölkerung Indiens in den nächsten drei Jahrzehnten um 366 Millionen Menschen wachsen wird, lässt vermuten, dass es bis dann außerhalb von Schutzgebieten kaum noch Lippenbären geben wird [4].

Der Handel ist seit 1990 nach CITES-Anhang I eingeschränkt. Motivation für die Aufnahme in Anhang I waren illegale Ausfuhren von Gallenblasen.

Bedeutung für den Menschen

Zumindest früher kam es relativ häufig zu Angriffen von Lippenbären auf Menschen, die oft zu bösen Gesichtsverletzungen führten, was z.B. HEDIGER, der die Angriffe als kritische Reaktion der die im tiefen Schlaf aufgeschreckten Bären interpretiert, fotografisch dokumentiert [1; 8].

Wirtschaftliche Bedeutung: Lippenbären werden zur Gewinnung ihrer Geschlechtsteile als Aphrodisiakum, von Knochen, Zähnen und Klauen zum Vertreiben böser Geister sowie von Fett als Heil- oder Haarwuchsmittel für den Hausgebrauch oder ihrer Galle für den Handel illegal gejagt, allerdings auf tiefem Niveau. Ebenfalls abgenommen hat das Einfangen von Jungtieren als Tanzbären für Gaukler. Im Rahmen von CITES wurden im Zeitraum 1977-2017 lediglich die Ausfuhr von einem lebenden Wildfang aus Sri Lanka und von 6 sowie einem "Body" aus Indien registriert. Im selben Zeitraum wurden 48 Nachzuchttiere international verschoben, wovon 14 aus Indien und 12 aus Sri Lanka stammten [3; 4].

Kulturelle Bedeutung: Der Lippenbär heißt auf Hindi Bhalu und auf Bengali Bhalluk, er ist also "Balu, der Bär" in Rudyard KIPLINGs Dschungelbuch - und nicht etwa der Braunbär, wie uns Walt DISNEY glauben machen möchte [9]. Dementsprechend wird "Balu" oder "Balou" in Zoos als Hausname für einzelne Tiere verwendet, z.B. für ein im Winter 2016/17 im Zoo Berlin geborenes Jungtier [PM Zoo Berlin].

Haltung im Zoo

In ihrer Heimat als gefährlichstes Raubtier gefürchtet, können Lippenbären im Zoo sehr zahm und zuverlässig werden. In Basel gab es in den 1940er-Jahren  einzelne Besucher, die - zum Entsetzen des Personals - den Lippenbären durch das Gitter hindurch die Pfoten streichelten, oder die langen Lippen mit den Fingern zurücklegten, um Einzelheiten des Gebisses zu demonstrieren [8]. Früher war es durchaus üblich die drei asiatischen Tropenbären auf einer gemeinsamen Anlage zu halten, eventuell gar mit weiteren Bärenarten, wie um 1960 in Hannover. Dies ging nicht immer gut. Im Zoo Zürich wurde 1960 und 1964 je ein weiblicher Lippenbär von einer Kragenbärin, ev. Malaienbärin getötet [6]. Lippenbären können im Zoo ein Alter von über 33 Jahren erreichen [13]. Seit 1996 gibt es ein Internationales Zuchtbuch, das ehemals vom Zoo Rhenen, jetzt von der Madai Wildlife Group geführt wird, und in dem im Februar 2016 insgesamt 490 lebende Tiere in 50 Institutionen erfasst waren [IZY 52].

Haltung in europäischen Zoos:
Die Art wird nur in wenigen Zoos gehalten, von denen sich etwa die Hälfte im deutschsprachigen Raum befinden. Die Tiere gehören überwiegend der Nominatform an. Für Details siehe Zootierliste.

Die europäische Erstzucht glückte 1963 im Zoo Leipzig. Seit 1990 gibt es ein Europäisches Erhaltungszuchtprogramm (EEP), das seit 2023 vom Allwetterzoo Münster als "New Style EEP" koordiniert wird. Die Bärenspezialisten-Gruppe der EAZA hat Empfehlungen für Bau und Gestaltung neuer, die sinnvolle Verwendung alter Anlagen sowie den Einsatz von Programmen zur Umweltanreicherung herausgegeben [10; 12].

Wie Lippenbären gehalten werden (Beispiele):

Forschung im Zoo: Mit dem Ziel, wissenschaftliche Grundlagen zur Verbesserung der Haltung von Lippenbären in menschlicher Obhut zu schaffen, wurde an Zoo und Uni Leipzig eine Dissertation zur Haltung, Fütterung, Fortpflanzung und Krankheitsgeschehen des Lippenbären in Zoologischen Gärten unter besonderer Berücksichtigung des Metastasierenden Extrahepatischen Gallengangskarzinomes (MEG) verfasst. Für das MEG wurde bei den adulten Lippenbären eine Inzidenz von 47,6 % ermittelt. Es ist somit die häufigste Todesursache [11].

Da Lippenbären in Europa nicht häufig gehalten werden, sind sie ansonsten selten Gegenstand von Forschungsarbeiten. Dabei werden sie oft im Kontext mit anderen Arten abgehandelt, etwa im Rahmen von Untersuchungen zur Fortpflanzungsphysiologie und Geburtenkontrolle bei in Menschenhand gehaltenen Bären oder in einer Arbeit über Ursidae in der Sammlung von Koenigswald [5; 7].

Mindestanforderungen an Gehege: Das Säugetiergutachten’96 des BMEL sah für ein Außengehege für zwei Lippenbären 150 m² und für jedes weitere Tier zusätzlich 20 m² vor. Das war zweifellos anpassungsbedürftig. Allerdings sollten sich, wie bei anderen solitär lebenden Tieren, die Maße für die Grundeinheit eines Geheges auf ein Einzeltier beziehen und nicht, wie im Säugetiergutachten 2014 des BMEL auf drei Tiere. Weil Bären solitär lebende Tiere sind, ist die Einzelhaltung in vielen Fällen mit weniger Stress verbunden als die Gruppenhaltung. Für bestehende Anlagen wäre demnach eine Fläche von 150 m² für jedes Tier zu fordern, d.h. für drei Tiere 450 m², was in der Größenordnung der Vorgabe des Gutachtens (500 m²) liegt. Dass die Innenboxen in jedem Fall verbindbar sein müssen ist nicht einzusehen, bei Wurfboxen wäre dies ohnehin kontraindiziert. Je nach Konstellation des Stallgebäudes sind unterschiedliche Möglichkeiten denkbar.

Da sich an der Situation, dass Lippenbären ausschließlich in EAZA Zoos gehalten werden, kaum etwas ändern wird, ist davon auszugehen, dass sich Neuanlagen hinsichtlich Dimensionen und Ausstattung an den umfangreichen Empfehlungen der EAZA orientieren werden und nicht am Gutachten.

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für 1-2 Lippenbären eine Landfläche von 150 m² und ein Wasserbecken von 50 m² mit einer mittleren Tiefe von 1 m vor. Für jeden weiteren Bären ist die Landfläche um 20 und die Wasserfläche um 2 m² zu erhöhen, (was allerdings eine unsinnige Bestimmung ist). Für jedes Tier ist eine Schlafbox von 6 m² vorzusehen.

Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) ist für 1-2 Tiere ein Gehege von 300 m² und ist pro Tier eine Schlafbox von 8 m² erforderlich.

Taxonomie und Nomenklatur

Der Lippenbär wurde ursprünglich wegen seines Verhaltens, seiner Gestalt und des Fehlens der beiden ersten oberen Schneidezähne als Faultier angesehen und 1791 von George SHAW, einem englischen Arzt und Naturforscher, der als Kustos am Britischen Museum tätig war, als "Bradypus ursinus" beschrieben. Erst nachdem zu Beginn des 19. Jahrhunderts lebende Tiere nach Europa gelangten, stellte man fest, dass er ein echter Bär ist. Zurzeit wird er in die monospezifische Gattung Melursus gestellt, es gibt aber auch Autoren, welche die Meinung vertreten, er gehöre in die Gattung Ursus. Es werden gegenwärtig zwei Unterarten anerkannt, die Nominatform auf dem Festland und Melursus ursinus inornatus auf Sri Lanka [1; 4; 14].

Literatur und Internetquellen

  1. BREHM, A. E. (1882-1887)
  2. CITES IDENTIFICATION MANUAL
  3. CITES TRADE DATA BASE
  4. DHARAIYA, N. , BARGALI, H.S. & SHARP, T. 2020. Melursus ursinus (amended version of 2016 assessment). The IUCN Red List of Threatened Species 2020: e.T13143A166519315. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2020-1.RLTS.T13143A166519315.en. Accessed on 17 February 2023.
  5. DIETERMANN, A. (1996)
  6. DOLLINGER, P. (1971)
  7. HARTMANN, D. (2004)
  8. HEDIGER, H. (1949)
  9. KIPLING, R. (2003)
  10. KOLTER, L., KAMPHORST, N.F. & RUVEN, S.A.W. (2007)
  11. LANGGUTH, S. (2002)
  12. USHER SMITH, J. & KOLTER, L. (2007)
  13. WEIGL, R. (2005)
  14. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)

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Donnerstag, 14 Juni 2018 12:34

Malaienbär

Überordnung: LAURASIATHERIA
Ordnung: Raubtiere (CARNIVORA)
Taxon ohne Rang: Landraubtiere (FISSIPEDIA)
Unterordnung: Hundeartige (Caniformia)
Familie: Bären (Ursidae)
Unterfamilie: Eigentliche Bären (Ursinae)

D VU 650

EEPMalaienbär

Helarctos malayanus  • The Malayan Sun Bear • L'ours des cocotiers ou ours malais

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Malaienbär (Helarctos malayanus) im Tierpark Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Approximative Verbreitung des Malaienbären (Helarctos malayanus). Dunkelblau: Gegenwärtig noch vorhanden oder möglicherweise noch vorhanden; rot: ausgerottet

 

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Malaienbär (Helarctos malayanus) im Dusit-Zoo Bangkok © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Malaienbär (Helarctos malayanus) im Espace zoologique de Saint-Martin-la-Plaine © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Malaienbär (Helarctos malayanus) beim Öffnen einer Kokosnuss im Zoo Melaka, Malaysia © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Malaienbär (Helarctos malayanus) im Allwetterzoo Münster © Elias Neideck

 

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Malaienbär (Helarctos malayanus) geht im Zoo La Palmyre, Royan, ins Wasser © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Malaienbär (Helarctos malayanus) im Zoo Taiping, Malaysia © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Malaienbärin (Helarctos malayanus) mit Jungtier im Tierpark Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Malaienbär (Helarctos malayanus) präsentiert im Zoo Basel seine lange Zunge © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Malaienbär (Helarctos malayanus) im Khao Kheow Open Zoo, Chonburi, Thailand © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Spielende Malaienbären (Helarctos malayanus) im Kölner Zoo © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Junger Malaienbär (Helarctos malayanus) im Tierpark Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Malaienbär (Helarctos malayanus) im ZooParc de Trégomeur © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Malaienbär (Helarctos malayanus) im Zoo Jihlava / Iglau © Wolfgang Dreier, Berlin

 

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Kletternder Malaienbär (Helarctos malayanus) im Zoo Basel © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Malaienbärenbäenanlage (Helarctos malayanus), alt aber tiergerecht umgebaut, im Zoo Basel. Im kleinen Fenster der ursprüngliche Zustand © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Naturnah gestaltete Anlage für Malaienbären (Helarctos malayanus) im ZooParc de Trégomeur © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Etwa 26 Jahre alter Malaienbär (Helarctos malayanus) im Zoo Berlin, Aufnahme von 2010 © Wolfgang Dreier, Berlin

 

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"Bruan oder Malaienbär (Ursus malayanus)" aus BREHMs THIERLEBEN (1882-1887). Gemeinfrei.

 

 

 

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Der gefährdete Malaienbär ist der kleinste aller Bären. Seine kleine gedrungene Gestalt brachte ihm in Thailand den Spitznamen “Hundebär” ein, während er ihn Malaysia und Indonesien aufgrund seiner Vorliebe für die Nester wilder Bienen “Beruang Madu", Honigbär, genannt wird. Mit seinem sorgenvoll wirkenden Gesicht wirkt er nicht gerade motivierend, was vielleicht der Grund dafür ist, dass diese ansonsten interessante Art sich nur bedingt als Botschafter für Naturschutzprojekte in Südostasien eignet und nur selten in europäischen Zoos zu sehen ist.

Körperbau und Körperfunktionen

Der Malaienbär ist der deutlich kleinste Vertreter seiner Familie. Seine Kopf-Rumpflänge beträgt 100-140(-150) cm, die Schulterhöhe etwa 70 cm, die Schwanzlänge 3-7 cm. Das Gewicht variiert von 27-65(-80) kg. Männchen sind etwas schwerer als Weibchen, aber der Sexualdimorphismus ist nicht so markant wie bei anderen Bären [2; 19].

BREHM beschreibt den Malaienbären als einen "von den bisher erwähnten Arten der Familie merklich abweichenden, zwar gestreckt, aber doch plump gebauten, dickköpfigen Bär, mit breiter Schnauze, kleinen Ohren, sehr kleinen blöden Augen, verhältnismäßig ungeheueren Tatzen, langen und starken Krallen und kurzhaarigem Fell" [1]

Die Kopfhaut des Malaienbären ist faltig, was ihm einen sorgenvollen Ausdruck verleiht. Das kurze schwarze, dichte und glänzende Fell ist nicht einmal einen Zentimeter lang. Auf der Brust hat er eine helle, meist halbmond-, bisweilen kreisrunde Zeichnung. Er hat einen für seine Statur auffällig breiten Kopf, eine kurze Schnauze und einen recht kräftigen Kiefer  Mit Hilfe seiner großen, gebogenen Klauen und der kurzen O-Beine kann er hervorragend auf Bäume klettern. Seine Fußsohlen sind  nicht behaart. Die Zunge ist sehr beweglich und lang und kann bei der Nahrungsaufnahme auf bis zu 20 bis 25 Zentimeter herausgestreckt werden [2; 6].

Verbreitung

Südostasien: Helarctos malayanus malayanus: Bangladesch, Kambodscha, China (marginal im Süden); Indien (nur im Osten), Indonesien (Sumatra), Laos, Malaysia, Myanmar, Thailand, Vietnam. Gebietsweise (z.B. in Laos) kommen Malaien- und Kragenbär sympatrisch vor.
Helarctos malayanus euryspilus: Borneo [14].

Lebensraum und Lebensweise

Malaienbären besiedeln immergrüne und laubabwerfende Wälder, vorzugsweise im Tiefland, gehen aber im Gebirge bis auf eine Höhe von 2'100 m. Ihre Lebensraumansprüche decken sich weitgehend mit denen der in derselben Region lebenden Kragenbären [14; 19].

Aufgrund des bisherigen, sehr geringem Wissens über den Malaienbären, das auf Zoobeobachtungen und gelegentlichen, zufälligen Freilandbeobachtungen basiert, erscheint es möglich, dass sich der Malaienbär in seiner sozialen Organisation von der der anderen Bären unterscheidet, indem er nicht stets solitär oder in temporären Mutter-Familien lebt, sondern dass Paare längere Zeit zusammenleben und gemeinsam ihren Nachwuchs verteidigen [15]. An reichhaltigen Futterplätzen wurde auch schon beobachtet, dass sich Malaienbären zu Gruppen zusammenfinden. Abhängig von der Störung durch den Menschen sind die Bären tagsüber oder während der Nacht aktiv. Zum Schlafen bauen sie Baumnester. Über die Größe der Streifgebiete ist wenig bekannt, sie scheinen eher klein zu sein [19].

Malaienbären sind Allesfresser. Das Nahrungsspektrum umfasst über 100 Insektenarten, namentlich Termiten, Ameisen, Käfer und Bienen sowie deren Honig, gelegentlich kleinere Wirbeltiere, Vogeleier, viele Feigen und andere Früchte, Beeren, Nüsse, Palmenherzen und weiteres Pflanzenmaterial. Nicht selten plündern sie landwirtschaftliche Kulturen, wo sie sich z.B. an Mais, Sesam, Kürbissen, Gurken, Bananen, Citrusfrüchten, Äpfeln, Kokosnüssen, Jackfrüchten, Salak-Palmfrüchten oder Durian gütlich tun. Der Malaienbär gehört zu den wenigen Tierarten, welche die bis zu 4 cm langen Samen der bei der einheimischen Bevölkerung beliebten Stinkfrucht (Durian, Zibetbaum, Durio zibethinus) unzerkaut verschlucken und unverdaut wieder ausscheiden. Von der dadurch geförderten Verbreitung des Durian profitieren auch die Orangutans [8; 19].

Malaienbären machen keine Winterruhe. Sie haben auch keine feste Paarungszeit und ihre Jungen können während des ganzen Jahres anfallen. Die Weibchen haben vier Zitzen, gebären aber in der Regel nur ein Junges, selten Zwillinge, mit einem Geburtsgewicht von 255-325 g. Die Trächtigkeit dauert normalerweise 3-3.5 Monate, nur selten 6-8 Monate, was darauf hindeitet, dass die Keimruhe meist nur kurz ist. Die Geburt findet in einem abgeschiedenen Bau statt. Mit 30-40 Tagen öffnen die Jungen die Augen, mit 61-65 Tagen unternehmen sie erste Gehversuche und mit 85-95 Tagen nehmen sie erstmals feste Nahrung zu sich. Kleine Jungtiere werden von der Mutter im Maul transportiert, ältere mit den Vorderpfoten gegriffen und auf zwei Beinen laufend in Sicherheit gebracht [8; 19].

Gefährdung und Schutz

Konkrete Bestandstrends gibt es nicht. Dazu wären systematische Untersuchungen notwendig, wie sie z.B. in Laos durchgeführt wurden, andernorts aber noch fehlen. Aufgrund einer Beurteilung aus dem Jahr 2016 gilt der Malaienbär als gefährdete Tierart (Rote Liste: VULNERABLE), hauptsächlich durch Verlust des Lebensraums, d.h. das Abholzen des Tropenwaldes in Südostasien, ferner durch illegale Jagd z.B. mittels Fangzäunen mit Schlingen. Obwohl keine verlässlichen Zahlen vorliegen, wird angenommen, dass der Gesamtbestand innerhalb der letzten 30 Jahre um über 30% abgenommen hat und dass sich diese Entwicklung in den kommenden Jahren verstärken wird [13; 14].

Der internationale Handel ist seit 1979 durch CITES-Anhang I eingeschränkt.

Zoogestütztes Artenschutzprojekt (Beispiel):

  • Das "Bornean Sun Bear Conservation Center" (BSBCC) wurde 2008 in Sabah, Malaysia, als zweistufiges Projekt gegründet, um verwaiste und in illegal gehaltene Malaienbären zu pflegen, zu rehabilitieren und auszuwildern, den Mangel an Wissen über diese Art zu beheben und sowohl in Malaysia als auch international das Bewusstsein für die Schutzbedürftigkeit dieser wenig bekannten Art zu fördern. Der Oakland Zoo unterstützt das Zentrum finanziell, durch Dienstleistungen und mit Fachwissen. Unterstützung kommt auch von der Wildlife Conservation Society (Bronx Zoo), dem Singapur Zoo und anderen.

  • Die französische Association Anoulak engagiert sich im Schutz des 3'500 km² großen Nakai-Nam Theun-Nationalparks in Laos. Seit 2016 setzt sie in Zusammenarbeit mit den lokalen Behördee Patrouillen aus ausgebildeten lokalen Dorfbewohnern zur Bekämpfung der Wilderei ein, bietet Umweltbildung in den Dorfschulen und ein entsprechendes Ausbildungsprogramm für die Lehrkräfte an, und führte ein dreijähriges Programm zur nachhaltigen Entwicklung der Dorfgemeinschaften im Nakai-Distrikt durch. Von diesen Maßnahmen profitiert u.a. der Malaienbär, dessen Bestände in Laos großflächig abnehmen [14]. Anoulak wird von rund 15, hauptsächlich europäischen Zoos, vom französischen Zooverband und von der ZGAP unterstützt. mehr ...

Bedeutung für den Menschen

Auch heute noch werden junge Malaienbäre häufig als Heimtiere gefangen. Der nachfolgende Bericht über eine Heimtierhaltung im 19. Jahrhundert ist amüsant, aber nicht unbedingt zur Nachahmung empfohlen: "Man sagt, daß er in Indien oft gefangen gehalten werde, weil man ihn, als einen gutmüthigen harmlosen Gesellen, selbst Kindern zum Spielgenossen geben und nach Belieben in Haus, Hof und Garten umherstreifen lassen dürfe. RAFFLES, welcher einen dieser Bären besaß, durfte ihm den Aufenthalt in der Kinderstube gestatten und war niemals genöthigt, ihn durch Anlegen an die Kette oder durch Schläge zu bestrafen. Mehr als einmal kam er ganz artig an den Tisch und bat sich etwas zu fressen aus. Dabei zeigte er sich als ein echter Gutschmecker, da er von den Früchten bloß Mango verzehren und nur Schaumwein trinken wollte. Der Wein hatte für ihn einen unendlichen Reiz, und wenn er eine Zeitlang sein Lieblingsgetränk vermissen mußte, schien er die gute Laune zu verlieren. Aber dieses vortreffliche Thier verdiente auch ein Glas Wein. Es wurde im ganzen Hause geliebt und geehrt und betrug sich in jeder Hinsicht musterhaft; denn es that nicht einmal dem kleinsten Thiere etwas zu Leide. Mehr als einmal nahm es sein Futter mit dem Hunde, der Katze und dem kleinen Papagei aus einem und demselben Gefäße." [1]

Wirtschaftliche Bedeutung: Malaienbären werden zur Gewinnung ihrer Tatzen, die als Delikatesse gelten, oder ihrer Galle für die Zwecke der traditionellen chinesischen Medizin illegal gejagt, wobei der Handel mit diesen Körperteilen trotz Verboten immer noch floriert, weil er ein sehr einträgliches Geschäft ist [14]. Der legale internationale Handel mit Teilen und Erzeugnissen ist sehr limitiert, weil die Art set 1979 unter CITES-Anhang I fällt. Rückschlüsse auf die Zahl der betroffenen Individuen lassen sich aus der Statistik nicht ziehen. Von 1977-2017 wurde im Rahmen von CITES die Ausfuhr von 92 lebenden Wildfängen registriert, von denen 36 aus Malaysia kamen. Im selben Zeitraum wurden 99 Nachzuchttiere international verschoben, wovon 24 aus Malaysia, 14 aus China und 12 aus den USA stammten [3; 14].

Haltung im Zoo

Im Zoo galten Malaienbären lange als nicht züchtbar. Durch bessere Unterbringung, Gehegegestaltung und Ernährung hat dies aber geändert. 1940 gelang dem Zoo von San Diego die Erstzucht. In Europa, konnte der Tierpark Berlin 1961 die erste Malaienbärengeburt verzeichnen. Hier entwickelte sich in der Folge eine äußerst erfolgreiche Zucht: Am 8. April 2011 kam der 50. Malaienbär zur Welt, ein Weibchen, dessen Eltern auch schon im Tierpark geboren waren [PM Tierpark Berlin]. Malaienbären können im Zoo ein Alter von über 35 Jahren erreichen [17].

Haltung in europäischen Zoos:
 Die Art wird noch in 16 Zoos gehalten (2023), von denen sich zwei im deutschsprachigen Raum befinden. Mit einer Ausnahme halten alle Zoos die Nominatform. Für Details siehe Zootierliste.

Das Europäische Zuchtbuch (ESB, seit 1994) wurde bis 2017 am Kölner Zoo und wird gegenwärtig am Colchester Zoo geführt. 2023 wurde es in ein "New Style EEP" umgewandelt. Die Bärenspezialisten-Gruppe der EAZA hat Empfehlungen für Bau und Gestaltung neuer, die sinnvolle Verwendung alter Anlagen sowie den Einsatz von Programmen zur Umweltanreicherung herausgegeben [7; 16]. Musterbeispiele für geglückte Anpassungen ehemaliger "Betonarien" sind die Malaienbärenanlage in Basel und Münster. Seit 2019 gibt es auch ein Internationales Zuchtbuch (ISB), das am Zoo von Perth geführt wird.

Forschung im Zoo: Malaienbären sind beliebte Studienobjekte für Doktor-, Diplom- und Examensarbeiten. Dabei kann es um Grundlagenforschung gehen, etwa zur Anatomie, Ontogenese, Physiologie oder Ethologie, aber auch um die Prüfung und gegebenenfalls Optimierung der Haltungsbedingungen und somit zur Erhöhung des Tierwohls, wie etwa zur Gruppenzusammensetzung, Umweltanreicherung, Neugestaltung von Anlagen, Fütterung oder Krankheitsgeschehen und tierärztliche Maßnahmen [4; 6; 9; 10; 11; 12; 13; 18].

Mindestanforderungen an Gehege: Das Säugetiergutachten’96 sah für ein Außengehege für zwei Malaienbären 60 m² und für jedes weitere Tier zusätzlich 10 m² vor. Das war zweifellos anpassungsbedürftig. Allerdings sollten sich die Maße für die Grundeinheit eines Geheges auf ein Einzeltier beziehen und nicht, wie im Säugetiergutachten 2014 des BMEL auf zwei Tiere. Weil Bären im Prinzip solitär lebende Tiere sind, ist die Einzelhaltung in vielen Fällen mit weniger Stress verbunden als die Gruppenhaltung. Für bestehende Anlagen wäre demnach eine Fläche von 100 m² für jedes Tier zu fordern.

Da sich an der Situation, dass Malaienbären ausschließlich in EAZA Zoos gehalten werden, kaum etwas ändern wird, ist davon auszugehen, dass sich Neuanlagen hinsichtlich Dimensionen und Ausstattung an den umfangreichen Empfehlungen der EAZA orientieren werden.

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für 1-2 Malaienbären eine Landfläche von 100 m² und eine Schlafbox von 4 m² pro Tier vor. Ein Badebecken wird nicht gefordert. Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) ist für 1-2 Tiere ein Gehege von 300 m² ohne Wasserbecken und ist pro Tier eine Schlafbox von 8 m² erforderlich.

Taxonomie und Nomenklatur

Der Malaienbär wurde 1820 von dem englischen Forscher und Staatsmann Sir Thomas Stamford Bingley RAFFLES im Rahmen eines Vortrags als "Ursus malayanus" beschrieben. Die schriftliche Beschreibung erfolgte 1822. 1825 stellte der amerikanische Arzt und Naturforscher die Art in die monospezifische Gattung Helarctos. Es werden zwei Unterarten unterschieden, H. m. euryspilus aus Borneo und die Nominatform aus dem ganzen übrigen Verbreitungsgebiet [1; 4; 14].

 

Literatur und Internetquellen

  1. BREHM, A. E. (1882-1887)
  2. CITES IDENTIFICATION MANUAL
  3. CITES TRADE DATA BASE
  4. DIETERMANN, A. (1996)
  5. FELLENDORF, S. (2012)
  6. HARTMANN, D. (2004)
  7. KOLTER, L., KAMPHORST, N.F. & RUVEN, S.A.W. (2007)
  8. PUSCHMANN, W., ZSCHEILE, D., & ZSCHEILE, K. (2009)
  9. RIESE, R. (2001)
  10. SCHLOTZ, M. (2014)
  11. SCHNEIDER, M. (2004) 
  12. SCHNEIDER, M. (2015)
  13. SCOTSON, L. (2013)
  14. SCOTSON, L. et al. (2017). Helarctos malayanus. The IUCN Red List of Threatened Species 2017: e.T9760A45033547. http://www.iucnredlist.org/details/9760/0. Downloaded on 21 June 2018.
  15. STEFFEN, M. (1996)
  16. USHER SMITH, J. & KOLTER, L. (2007)
  17. WEIGL, R. (2005)
  18. WELTER, M. (2010)
  19. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)

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Donnerstag, 14 Juni 2018 12:33

Brillenbär

Überordnung: LAURASIATHERIA
Ordnung: Raubtiere (CARNIVORA)
Taxon ohne Rang: Landraubtiere (FISSIPEDIA)
Unterordnung: Hundeartige (Caniformia)
Familie: Bären (Ursidae)
Unterfamilie: Kurzschnauzenbären (Tremarctinae)

D VU 650

EEPBrillenbär

Tremarctos ornatus • The Spectacled Bear • L'ours à lunettes

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Brillenbär (Tremarctos ornatus) im Zoo Las Leyendas, Lima © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Approximative Verbreitung des Brillenbären (Tremarctos ornatus)

 

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Brillenbär (Tremarctos ornatus) im Zoo Doué-la-Fontaine © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Brillenbär (Tremarctos ornatus) im Zoo Dortmund © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Brillenbär (Tremarctos ornatus) im Tierpark Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Brillenbär (Tremarctos ornatus) im Zoo Basel © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Junger Brillenbär (Tremarctos ornatus) im Tierpark Berlin © Carlos Frey, TP Berlin (Pressefoto)

 

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Junger Brillenbär (Tremarctos ornatus) im Tierpark Berlin © Wolfgang Dreier

 

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Junger Brillenbär (Tremarctos ornatus) im Tierpark Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

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In den Kletterbäumen spielende Brillenbären (Tremarctos ornatus) im Zoo Zürich © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Junger Brillenbär (Tremarctos ornatus) erklettert Baum im Tierpark Berlin © Carlos Frey, TP Berlin (Pressefoto)

 

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Brillenbär (Tremarctos ornatus) im Sommer im Tiergarten Schönbrunn © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Brillenbär (Tremarctos ornatus) im Winter im Tiergarten Schönbrunn © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Brillenbärenmutter (Tremarctos ornatus) mit Jungtier im Tierpark Berlin © Carlos Frey, TP Berlin (Pressefoto)

 

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Brillenbären (Tremarctos ornatus) im Tiergarten Schönbrunn © Harald Seitz / TG Schönbrunn

 

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Brillenbärenanlage (Tremarctos ornatus) in der Wilhelma Stuttgart © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Vertrauensvoller Umgang von Brillenbärien (Tremarctos ornatus) und Tierpfleger 1964 im Zoo Basel © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Brillenbärmotiv auf Briefmarke der DDR, 20 Pf.

 

 

Weitere Bilder bei BioLib

Der gefährdete "Ucumari" der Indios ist ein eher kleiner Bär. Es sind recht attraktive Tiere, die sich gut als Botschafter für Natur- und Artenschutzprojekte im tropischen Südamerika eignen. Aber trotz Internationalem Zuchtbuch und Förderung durch ein regionales Erhaltungszuchtprogramm ist die Zahl der europäischen Zoos, in denen sie zu sehen sind, recht gering.

Körperbau und Körperfunktionen

Der Brillenbär ist ein kleinerer Vertreter seiner Familie. Seine Kopf-Rumpflänge beträgt 100-180(-190) cm, die Schulterhöhe etwa 60-80 cm, die Schwanzlänge etwa 7 cm. Es gibt einen deutlichen Geschlechtsdimorphismus: Bären werden 100-175(-20) kg, Bärinnen nur 60-80 kg schwer.  Die Schnauze ist kurz, die Ohren sind klein. Das raue Fell besteht aus bis zu 12 cm langen Haaren. Es ist schwarz oder schwarzbraun, die Schnauze ist hell und es ist eine weiße, cremefarbene oder beige Kopf- (Brille!) und Brustzeichnung vorhanden, die enorm variabel ist. Man vergleiche dazu die nebenstehenden Bilder [2; 19].

Verbreitung

Tropische Anden: Bolivien, Ekuador, Kolumbien, Peru, Venezuela, möglicherweise Nordargentinien [16].

Lebensraum und Lebensweise

Brillenbären besiedeln tropische Trockenwälder, Tropische Tiefland-Regen- und Höhenwälder, darunter die Yungas, Busch sowie Grasland und Páramo der Hochanden. Sie werden in Höhenlagen von 200 bis über 4'750 m angetroffen. Sie sind Einzelgänger oder leben in temporären Mutterfamilien. Sie machen keine Winterruhe, sind hauptsächlich tag- und dämmerungsaktiv, gute Kletterer und errichten auf Bäumen oder am Boden Schlafnester [16; 19]. Manche Brillenbären sind wasserscheu, andere gehen ins Wasser, und im Zoo Zürich hat ein Brillenbär gar eine Peposakaente in einem Wassergraben gefangen.

Zur Deckung seines Nahrungsbedarfs benötigt ein Individuum, je nach Angebot,  ein Streifgebiet von etwa 10 - 150 km², dabei können sich die Streifgebiete von männlichen und weiblichen Tieren überlappen. Die Streifgebiete der Bären sind größer als jene der Bärinnen und werden olfaktorisch markiert so, wie dies Braunbären tun [9; 19].

Brillenbären sind Allesfresser, wobei Pflanzenkost überwiegt. Eine besonders wichtige Nahrungskomponente sind Tillandsien und andere Bromeliaceen. Auch Blattstiele von Palmen und Bambusschoße werden gerne gefressen. In der Nähe von Siedlungen suchen die Bären Maisfelder heim. Sie fressen Wirbellose aller Art und schlagen gelegentlich Hirsche, Bergtapire oder landwirtschaftliche Nutztiere oder fressen deren Aas. Saisonal bilden Früchte die Hauptkomponente ihrer Nahrung [16; 19].

Die Tragzeit beträgt 5.5 - 8.5 Monate, wobei die weite Spanne dadurch bedingt ist, dass die bei Bären übliche Keimruhe unterschiedlich lang sein kann. Meist werden 1-2 Junge geboren, selten mehr. Die Bärinnen bekommen mit 4-7 Jahren erstmals Nachwuchs. Das Geburtsintervall liegt in der Regel bei zwei Jahren. Auf der Nordhalbkugel werden die Jungen von Dezember- Februar geboren, im natürlichen Areal hauptsächlich von Mai-Oktober [19].

HEDIGER [9] berichtet von einer intelligenten Kooperation der Brillenbären zur Futterbeschaffung: Um Pflanzen von der Randbepflanzung der Kunstfelswand herunterzuholen, schleppte das Paar des Basler Zoos einen Wurzelstrunk an den Fuß der Wand, stellte ihn hochkant auf, der größere Mann kletterte hinauf und wurde vom Weibchen so gestützt, dass er sich zu voller Länge aufrichten und das Laub herunterreißen konnte.

Gefährdung und Schutz

Die Bestände des Brillenbären gehen ständig zurück. Dies ist vor allem der Lebensraumzerstörung und der illegalen Jagd zuzuschreiben. Obwohl bereits einige Schutzgebiet für diese Art geschaffen wurden, ist eine weitere Bestandesabnahme vorherzusehen, wozu auch der Klimawandel beitragen wird. Deshalb wird die Art seit 1982, letztmals überprüft 2016, als gefährdet eingestuft (Rote Liste: VULNERABLE) [16].

Der internationale Handel ist seit dem 1. Juli 1975 durch CITES-Anhang I eingeschränkt.

Zoogestützte Schutzprojekt (Beispiele):

  • Seit 2020 unterstützt die Wilhelma in Ecuador den Schutz von Regenwäldern. Partner vor Ort ist Jocotoco, eine nicht-staatliche Organisation, die ihre Arbeit auf die Errichtung von Naturschutzgebieten konzentriert. Mit Hilfe der Wilhelma konnte sie die Schutzgebiete „Tapichalaca“ und „Narupa“ durch den Ankauf von Land um insgesamt mehr als 320 Hektar erweitern. In beiden Reservaten werden regelmäßig Brillenbären beobachtet, die dort auch Nachwuchs bekommen. Bis Juli 2022 investierte die Wilhelma über 250'000 € in das Projekt.

  • Der WWF Deutschland und der Zoo Dortmund sind 2018 unter der Bezeichnung "Team Andenbär Dortmund" eine Kooperation eingegangen mit den Zielen, einerseits die Unterbringung der Brillenbären im Zoo Dortmund, die Teil der EEP-Population sind, zu verbessern und andererseits in Ekuador, Kolumbien und Peru Schutzmaßnahmen im Sinne von Nachhaltiger Entwicklung, Lebensraumschutz durch Wiederaufforstung und Konfliktmanagement in Angriff zu nehmen.

  • Die Organsiation "Tu Tierra" ist zuständig für den Schutz des 344 km2 großen Naturreservats Chaparri in Nordwestperu. Es handelt sich um ein Trockenwaldgebiet mit hoher Biodiversität, das namentlich Lebensraum für den Brillenbären bietet. Der Bioparc Doué-la-Fontaine unterstützt die Bestrebungen der Organisation seit 2001 und hat seitdem dafür über 584'000 € aufgewendet.

Bedeutung für den Menschen

Wirtschaftliche Bedeutung: Brillenbären werden zur Gewinnung von Körperteilen für volksmedizinische oder kultische Zwecke illegal gejagt, gewerblicher Handel dürfte eine untergeordnete Rolle spielen [16]. Der legale internationale Handel mit Teilen und Erzeugnissen ist sehr limitiert, weil die Art seit 1975 unter CITES-Anhang I fällt. Es wurden geringe Mengen von Haaren, Hautstücken und "Specimens" (vermutlich Wissenschaftsmaterial) aus den Ursprungsländern exportiert. Rückschlüsse auf die Zahl der betroffenen Individuen lassen sich aus der Statistik nicht ziehen. Von 1977-2017 wurde im Rahmen von CITES die Ausfuhr von je 2 lebenden Wildfängen aus Ekuador und Peru registriert. Im selben Zeitraum wurden 137 Nachzuchttiere international verschoben, wovon 42 aus der Schweiz und 29 aus Deutschland stammten [3; 14].

Haltung im Zoo

Brillenbären können in entsprechend strukturierten Gehegen gemeinsam mit Nasenbären gehalten werden, z.B. im Zoo Zürich [5], auch eine Haltung zusammen mit Primaten ist möglich und wird z.B. im Zoo Frankfurt praktiziert. Es gibt seit 1972 ein Internationales Zuchtbuch, das am Jersey Zoo geführt wird und in dem im November 2017 insgesamt 253 lebende Tiere in 101 Institutionen registriert waren [IZY 52]. Die Welterstzucht gelang dem Zoo Buenos Aires. Dort wurde von einem aus Ekuador importierten Zuchtpaar 1945 ein nicht lebensfähiges Junges geboren und 1947 Zwillinge, die erfolgreich aufgezogen und 1949 an den Zoo Basel gesandt wurden [9]. Brillenbären können im Zoo ein Alter von 39 Jahren erreichen [17].

Haltung in europäischen Zoos:
 Die Art wird in rund zwei Dutzend Zoos gehalten, von denen sich rund ein Drittel im deutschsprachigen Raum befinden. Für Details siehe Zootierliste.

Seit 1987 gibt es ein Europäisches Erhaltungszuchtprogramm (EEP), das von 1993-2017 vom Kölner Zoo koordiniert wurde und ab 2018 vom Tierpark Berlin. Die Europäische Erstzucht verzeichnete der Zoo Basel am 17. Februar 1953 [9]. Die Bärenspezialisten-Gruppe der EAZA hat Empfehlungen für Bau und Gestaltung neuer, die sinnvolle Verwendung alter Anlagen sowie den Einsatz von Programmen zur Umweltanreicherung herausgegeben [10; 15].

Wie Brillenbären gehalten werden (Beispiel):

Forschung im Zoo: Brillenbären sind beliebte Studienobjekte für Doktor-, Diplom- und Examensarbeiten. Dabei kann es um Grundlagenforschung gehen, etwa zur Anatomie, Ontogenese, Physiologie oder Ethologie, aber auch um die Prüfung und gegebenenfalls Optimierung der Haltungsbedingungen und somit zur Erhöhung des Tierwohls, wie etwa zur Gruppenzusammensetzung, Umweltanreicherung, Neugestaltung von Anlagen, Fütterung oder Krankheitsgeschehen und tierärztliche Maßnahmen [1; 4; 5, 6, 7, 8; 11; 12; 13; 14; 18].

Mindestanforderungen an Gehege: Das Säugetiergutachten’96 des BMEL sah für ein Außengehege für zwei Brillenbären 150 m² und für jedes weitere Tier zusätzlich 20 m² vor. Das war zweifellos anpassungsbedürftig. Allerdings sollten sich, wie bei anderen solitär lebenden Tieren, die Maße für die Grundeinheit eines Geheges auf ein Einzeltier beziehen und nicht, wie im Säugetiergutachten 2014 des BMEL auf drei Tiere. Weil Bären solitär lebende Tiere sind, ist die Einzelhaltung in vielen Fällen mit weniger Stress verbunden als die Gruppenhaltung. Für bestehende Anlagen wäre demnach eine Fläche von 150 m² für jedes Tier zu fordern, d.h. für drei Tiere 450 m², was in der Größenordnung der Vorgabe des Gutachtens (500 m²) liegt. Dass die Innenboxen in jedem Fall verbindbar sein müssen ist nicht einzusehen, bei Wurfboxen wäre dies ohnehin kontraindiziert. Je nach Konstellation des Stallgebäudes sind unterschiedliche Möglichkeiten denkbar.

Da sich an der Situation, dass Brillenbären ausschließlich in EAZA Zoos gehalten werden, kaum etwas ändern wird, ist davon auszugehen, dass sich Neuanlagen hinsichtlich Dimensionen und Ausstattung an den umfangreichen Empfehlungen der EAZA orientieren werden.

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für 1-2 Brillenbären eine Landfläche von 150 m² und ein Wasserbecken von 50 m² mit einer mittleren Tiefe von 1 m vor. Für jeden weiteren Bären ist die Landfläche um 20 und die Wasserfläche um 2 m² zu erhöhen, (was allerdings eine unsinnige Bestimmung ist, weil die Bären ja nicht herdenweise ins Wasser gehen). Für jedes Tier ist eine Schlafbox von 6 m² vorzusehen. Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) ist für 1-2 Tiere ein Gehege von 300 m² erforderlich. Ein Badebecken ist nicht vorgeschrieben. Pro Tier ist eine Schlafbox von 8 m² notwendig.

Taxonomie und Nomenklatur

Der Brillenbär wurde vom französischen Naturforscher und Direktor der Ménagerie von Paris, Georges CUVIER, als "Ursus ornatus" beschrieben. Die Gattung Tremarctos, in die er heute gehört, wurde 1855 vom französischen Paläontologen und Zoologen François Louis Paul GERVAISE aufgestellt. Diese bildet eine eigene Unterfamilie. Tremarctos ornatus ist heute die einzige Art dieser Gattung. Es gibt keine Unterarten. Eine zweite Art, der etwa doppelt so große Florida-Höhlenbär (Tremarctos floridanus) aus dem südlichen Nord- und Mittelamerika ist vor etwa 12'000 Jahren ausgestorben [19].

Die ersten detaillierten Kenntnisse über die Lebensweise des "Ucumaris", wie die Indios den Brillenbären nennen, verdanken wir dem Schweizer Naturforscher Johann Jakob von TSCHUDI (1818-1889), der von 1838 bis 1843 Peru und von 1857 bis 1859 Brasilien, die La-Plata-Staaten, Chile, Bolivien und Peru bereits hatte. In einem seiner Reiseberichte beschreibt er auch, wie die Indios die Ucumaris abrichteten, um in den Schmieden die Blasebälge zu betätigen [9]. 

Literatur und Internetquellen

  1. AMBROSCH, J. (2009)
  2. CITES IDENTIFICATION MANUAL
  3. CITES TRADE DATA BASE
  4. DIETERMANN, A. (1996)  
  5. FAIVRE, C. (1995)
  6. FRIESENBICHLER, K. (2014)
  7. GAILLARD, S. (1995)
  8. GRAFFE, K. (1995)
  9. HEDIGER, H. (1953)
  10. KOLTER, L., KAMPHORST, N.F. & RUVEN, S.A.W. (2007)
  11. KRAUS, N. (2013)
  12. QUEST, M. (2002)
  13. SCHERER, F. (2008)
  14. THIEME, K. (1994)<
  15. USHER SMITH, J. & KOLTER, L. (2007)
  16. VELEZ-LIENDO, X. & GARCÍA-RANGEL, S. (2017). Tremarctos ornatus. The IUCN Red List of Threatened Species 2017: e.T22066A45034047. http://www.iucnredlist.org/details/22066/0. Downloaded on 21 June 2018.
  17. WEIGL, R. (2005)
  18. WELTER, M. (2010)
  19. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-19)
  20. WILHELMA - Pressemitteilungen

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Montag, 23 Oktober 2017 12:33

Riesenpanda

Überordnung: LAURASIATHERIA
Ordnung: Raubtiere (CARNIVORA)
Taxon ohne Rang: Landraubtiere (FISSIPEDIA)
Unterordnung: Hundeartige (Caniformia)
Familie: Bären (Ursidae)
Unterfamilie: (Ailuropodinae)

<D VU 650

Riesenpanda, Bambusbär

Ailuropoda melanoleuca • The Giant Panda • Le panda géant

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Riesenpanda-Mann "Yen Yen" (Ailuropoda melanoleuca) im Alter von 10 Jahren im Zoo Paris-Vincennes © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Approximative Verbreitung des Riesenpandas (Ailuropoda melanoleuca)

 

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Riesenpanda (Ailuropoda melanoleuca) "Long Hui" im Tiergarten Schönbrunn © Jutta Kirchner / TG Schönbrunn (Pressefoto)

 

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Riesenpanda (Ailuropoda melanoleuca) "Jiao Qing" im Zoo Berlin © Zoo Berlin (Pressefoto)

 

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Riesenpanda (Ailuropoda melanoleuca) "Meng Meng" im Zoo Berlin © Zoo Berlin (Pressefoto)

 

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Riesenpanda (Ailuropoda melanoleuca) "Meng Meng" im Zoo Berlin © Zoo Berlin (Pressefoto)

 

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Junger Riesenpanda "Fu Long" (Ailuropoda melanoleuca) im Tiergarten Schönbrunn ©Daniel Zupanc / TG Schönbrunn (Pressefoto)

 

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Riesenpanda "Yang Yang" (Ailuropoda melanoleuca mit ihren Zwillingen in der Wurfbox im Tiergarten Schönbrunn © TG Schönbrunn (Pressefoto)

 

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Junger Riesenpanda (Ailuropoda melanoleuce) "Fu Hu" mit bereits geöffnerten Augen in der Wurfbox © Tiergarten Schönbrunn (Pressefoto)

 

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Junger Riesenpanda (Ailuropoda melanoleuca) "Fu Hu" im Alter von 7 Monaten im Tiergarten Schönbrunn © TG Schönbrunn (Pressefoto)

 

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Riesenpanda-Zwillinge (Ailuropoda melanoleuca) "Fu Feng" und "Fu Ban" im Tiergarten Schönbrunn © Daniel Zupanc / TG Schönbrunn

 

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Riesenpanda-Zwillinge (Ailuropoda melanoleuca) im Alter von 5 Monaten im Tiergarten Schönbrunn © Daniel Zupanc / TG Schönbrunn

 

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Die ersten Berliner Riesenpanda-Zwillinge (Ailuropoda melanoleuca) kurz nach der Geburt © Zoo Berlin (Pressefoto)

 

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Die am 31. August 2019 geborenen Berliner Riesenpanda-Zwillinge (Ailuropoda melanoleuca) "Pit" und "Paule" im Alter von gut zwei Jahren © Zoo Berlin (Pressefoto)

 

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Die Berliner Riesenpanda-Zwillinge (Ailuropoda melanoleuca) "Pit" und "Paule" © Wolfgang Dreier, Berlin

 

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Der in Beauval geborene, 4 Monate alte Riesenpanda wird am 4. Dezember 2017 von Frankreichs Première Dame Brigitte Macron auf den Namen "Yuang Meng" getauft © ?

 

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Riesenpanda (Ailuropoda melanoleuca) "Yen Yen" lebte von 1973-2000 im Zoo Paris-Vincennes © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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"Goldpanda" (Ailuropoda melanoleuca) im Qinling Wildlife Park, Xi'an © Wolfgang Dreier, Berlin

 

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Die klimatisierte Innenanlage für Pandas im Zoo Chiang Mai. Es steht auch ein großes, mit Gras bewachsenes Außengehege zur Verfügung © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Die Innenanlage für Pandas im Ueno-Zoo, Tokyo. Auch hier gibt es dazu ein relativ geräumiges, mit Gras bewachsenes Außengehege © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Futtervorrat für die Pandas im Zoo von Chiang Mai, Thailand © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Sonderbriefmarke mit Panda-Motiv zum 50-jährigen Bestehen des WWF. Schweiz, 1 Franken, 2011

 

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Der Große oder Riesenpanda, auch Bambusbär genannt, ist eine ausgesprochene Flaggschiffart und wurde deshalb vom WWF als Symboltier gewählt. Er ist dementsprechend bekannt und, weil dem Lorenz'schen Kindchenschema entsprechend, für das Zoopublikum äußerst attraktiv. In jüngerer Zeit werden Pandas in China erfolgreich gezüchtet und Nachzuchten werden gegen hohe Gebühren als Dauerleihgaben an Zoos außerhalb Chinas abgegeben. Die Nachkommen dieser Tiere müssen an China zurückgegeben werden.

Körperbau und Körperfunktionen

Der Riesenpanda ist ein mittelgroßer, in verschiedener Hinsicht sehr atypischer Bär. Die Kopf-Rumpflänge beträgt 160 (120-180) cm, die Schulterhöhe 65-75 cm und der Schwanz ist (10-)12-16 cm lang. Bären wiegen 85-125(-150) kg, Bärinnen 70-100 kg. Der Kopf ist sehr groß mit breiter Schnauze, schwarzem Nasenspiegel und abgerundeten, schwarzen Ohren. Die Augen liegen inmitten eines schwarzen Flecks, ansonsten ist der Kopf weiß. Halsunterseite, vordere Rumpfhälfte und Beine sind schwarz, Halsoberseite, hintere Rumpfhälfte und Schwanz weiß [3; 13].

Wie bei anderen Bären treten auch beim Riesenpanda gelegentlich Tiere mit abweichender Färbung auf. Ein solcher "Goldpanda", bei dem die dunkeln Partien braun anstatt schwarz sind, wird z.B. im Qinling Wildlife Park in der nordwestchinesischen Stadt Xi'an gehalten.

Während alle anderen Bären runde Pupillen aufweisen, bilden die Pupillen des Riesenpandas vertikale Schlitze, wie sie ansonsten bei Katzen vorkommen. Deshalb wohl auch sein chinesischer Name "Xiongmao", was “Riesenkatzenbär” bedeutet. Die Vordertatze weist einen "sechsten Finger" auf, effektiv eine Verlängerung des am Handgelenk liegenden Sesambeins, das so zu einem funktionstüchtigen opponierbaren Daumen wird. So kann der Riesenpanda Bambusstengel und Blätter mit großer Präzision greifen. Im Gegensatz zu den anderen Bären fehlen ihm an den Hintertatzen die Fersenballen. Wie die meisten Bären besitzt der Riesenpanda 42 Zähne. Als Anpassung an seine Hauptnahrung Bambus sind bei ihm die Flächen der Mahlzähne gegenüber jener der Schneidezähne stark vergrößert. Außerdem besitzen die Molaren zusätzliche Höcker, die ein effizientes Mahlen ermöglichen [2; 7; 13].

Verbreitung

China: In einem Gebiet weniger groß als das Bundesland Salzburg oder der Kanton Graubünden in den Provinzen Szetschuan und Shaanxi [11].

Lebensraum und Lebensweise

Riesenpandas besiedeln gemäßigte Gebirgswälder in Höhenlagen von 1'500-3'000 (1'200-4'100) m, mit altem Baumbestand und Unterwuchs von Bambus. Sie schlafen viel, haben sowohl tagsüber als auch nachts aktive Phasen und verbringen diese Zeit meistens mit Fressen. Außerhalb der Paarungszeit leben sie einzeln bzw. in Mutterfamilien [11; 13].

Die Nahrung der Riesenpandas besteht fast ausschließlich aus Bambus. Genutzt werden über 60 verschiedene Bambusarten. Bambus beinhaltet vorab Lignin und Zellulose und hat einen geringen Proteingehalt. Die Tiere müssen daher große Mengen aufnehmen, Erwachsene etwa 12.5 kg pro Tag, bisweilen bis 30 kg, und setzen täglich über 100x Kot ab. In geringem Maß nehmen die Tiere auch anderes Pflanzenmaterial, Fleisch von selbst erlegten Tieren oder Aas zu sich, vor allem in Zeiten, wenn der Bambus großflächig abstirbt [11; 13].

Zur Deckung seines Nahrungsbedarfs benötigt ein Individuum, je nach Angebot, ein Streifgebiet von etwa 1-60, meist 5-15 km², dabei können sich die Streifgebiete überlappen. Allerdings halten sich die Tiere meist nur in einem Kerngebiet von etwa 30 ha auf [13].

Die Paarungszeit fällt auf die Monate März-Mai. Die Tragzeit beträgt 3 - 5.5 Monate, wobei die weite Spanne dadurch bedingt ist, dass die bei Bären übliche Keimruhe unterschiedlich lang sein kann. Im August und September werden die Jungen geboren, oft Zwillinge, die im Abstand von 2-36 Stunden zur Welt kommen. In der Wildbahn überlebt meist nur das Erstgeborene, im Zoo kommen oft beide hoch. Die Bärinnen bekommen mit 5-7 Jahren erstmals Nachwuchs und bleiben fruchtbar bis sie über 30 Jahre alt sind. Im Gegensatz zu anderen Bärenarten transportieren sie die Welpen mehrmals zu einem neuen Bau. Die Geburtsintervalle liegen in der Regel bei 2-3 Jahren [13].

Gefährdung und Schutz

Mit einem abnehmenden und fragmentierten Bestand galt der Riesenpanda seit 1990 als eine stark gefährdete Tierart. Schutzanstrengungen der letzten Jahre haben zu einer leichten Bestandszunahme auf 1'864 Individuen (ohne Jungtiere) geführt, weshalb die Art seit 2016 nur noch als gefährdet gilt. Es ist aber zu beachten, dass die Population stark fragmentiert ist: es gibt 33 Subpopulationen, von denen 18 weniger als 10 Tiere umfassen (Rote Liste: VULNERABLE) [11]. Allerdings hat China 2020 damit begonnen, 67 bestehende zu einem "Giant Panda National Park" zusammenzulegen und hat zu diesem Zweck über 100'000 Menschen umgesiedelt. Nach Fertigstellung soll der Park eine Fläche 27'134 km² haben, wovonvon 18'101 km² geeignetes Panda-Habitat sind [15].

Der internationale Handel ist seit 1984 durch CITES-Anhang I eingeschränkt.

Zoogestützte Artenschutzprojekte (Beispiele):

  • Seit 2003 fördert der Tiergarten Schönbrunn den in situ-Schutz des Riesenpandas durch finanzielle Beiträge, gemeinsame Forschungstätigkeit mit chinesischen Wissenschaftlern und regelmäßige Trainingskurse für Mitarbeiter der Panda-Schutzgebiete. Er arbeitet zu diesem Zweck mit der China Wildlife Conservation Association (CWCA) zusammen.

  • Der Zoo Berlin bezahlt seit 2017 für seine Pandas eine jährliche Leihgebühr von 900'000 Euro. Dieser Betrag geht zu 100% an die Chengdu Panda Base in der Provinz Sichuan, eine der bedeutendsten Aufzucht- und Forschungsstationen für Große Pandas, die auch mit zahlreichen Sachverständigen gezielte Aufklärungsaktionen in Schulen und Gemeinden durchführt.

  • Beauval Nature, die Naturschutzorganisation des ZooParc de Beauval finanziert im Rahmen eines Wiederansiedlungsprojekts, für das 2017 eine Vorstudie durchgeführt wurde, die Satellitenüberwachung von drei Tieren.

Bedeutung für den Menschen

Wirtschaftliche Bedeutung: Die früher praktizierte Bejagung zur Pelzgewinnung wurde verboten und spielt keine Rolle mehr. Die ökonomische Bedeutung des Pandas für China liegt heute im Tourismus und in den Einnahmen, die aus Leihgebühren erzielt und wieder in den Pandaschutz investiert werden. Davon profitiert vor allem die Stadt Chengdu, wo die Panda-Zucht- und Forschungs-Station jährlich rund 3.5 Millionen Besucher anzieht [11; The Telegraph vom 02.05.2017].

Von 1984 meldeten CITES-Vertragsstaaten die Ausfuhr von 170 bzw. die Einfuhr von 162 lebenden Tieren. Etwa zur Hälfte handelte es sich um Tiere, die von China ausgeführt, und nicht viel weniger waren Leihgaben bzw. Nachzuchttiere, die an China zurückgesandt wurden. Als Nettoexport aus China werden 41 Tiere angegeben [4].

Kulturelle Bedeutung: Es gibt zahllose Darstellungen dieser grafisch attraktiven Art von mehr oder weniger großem künstlerischem Wert. Ebenso gibt es viele Bücher, Trickfilme und Fernseh-Serien, mit vermenschlichten Pandas als Hauptdarstellern, die sich vorab an Kinder richten.

Haltung im Zoo

Die Pandahaltung im Zoo geht auf das Jahr 1936 zurück, als erstmals ein Tier nach den USA eingeführt wurde [10]. Anfänglich galtehn Pandas als schwer züchtbar, was aber an den unzulänglichen Haltungsbedingungen lag. Erst 1963 gelang die Welterstzucht im Zoo von Peking [14]. Der älteste Panda der Welt, ein Weibchen, starb im Jahr 1999 im Alter von 36 Jahren und 10 Monaten im Zoo von Wuhan in China [12]. Es gibt ein Internationales Zuchtbuch, das vom Chinesischen Zooverband geführt wird und in dem im Dezember 2016 insgesamt 466 lebende Tiere in 85 Institutionen registriert waren [IZY 52].

Haltung in europäischen Zoos:
Die Haltung der Art in Europa begann 1938, als der Londoner Zoo mit "Pandy" seinen ersten Riesenpanda erhielt Die Art wird gegenwärtig (2023) in 10 europäischen Zoos gehalten, darunter befinden sich der Tiergarten Schönbrunn und der Zoo Berlin. In 6 Zoos gab es bisher Nachwuchs. Das Geschlechtsverhältnis der bis 2021 geborenen und aufgezogenen Jungtiere betrug 14.6, wobei ein Männchenüberschuss bei Bären normal ist. Alle Tiere sind Leihgaben der chinesischen Regierung. Für Details siehe Zootierliste.

Den europäischen Altersrekord hält "Bao Bao", der im November 1980 als zweijähriges Tier in den Berliner Zoo gekommen war und im August 2012 im Alter von 34 Jahren starb. Nachdem das zusammen mit ihm importierte Weibchen "Tjen Tjen" einer Virusinfektion erlegen war, versuchte man, "Bao Bao" mit dem Weibchen "Ming Ming" im Zoo London zu verpaaren. Da sich die beiden jedoch nicht vertrugen, mussten sie unter Einsatz eines Feuerlöschers getrennt werden und "Bao Bao" kehrte im Mai 1993 nach Berlin zurück, wo er zunächst allein blieb. 1997 kam als neue Partnerin die Bärin "Yan Yan" nach Berlin. Die beiden Pandas harmonierten aber nicht und mussten getrennt gehalten werden. Mehrere Versuche, mittels künstlicher Besamung zu Nachzucht zu kommen, schlugen fehl. "Yan Yan" starb 2007 im Alter von 22 Jahren. Nach dem Bau einer neuen Anlage erhielt der Berliner Zoo ein neues Paar, "Jiao Qing" und "Meng Meng". Die beiden 7- bzw. 3-jährigen Tiere stammen aus der Zuchtstation in Chengdu (diverse PM Zoo Berlin). Am 31. August 2019 wurden in Berlin als deutsche Erstzucht Panda-Zwillinge geboren.

2003 erhielt der Tiergarten Schönbrunn das Pandapärchen "Yang Yang" und "Long Hui". Die beiden Tiere harmonierten gut und 2006 kam es zu den ersten Paarungen. Ein Jahr später kam, nach einer Tragezeit von 127 Tagen, am 23. August 2007 der erste natürlich gezeugte Panda-Nachwuchs in Europa zur Welt, nachdem bereits 1982 im Zoo Madrid nach künstlicher Besamung Zwillinge geboren worden waren, von denen einer aufgezogen werden konnte. Dem Schönbrunner Jungtier wurde der Name "Fu Long" (glücklicher Drache) verliehen. Am 18. November 2009 verließ der junge Panda den Tiergarten, um in China in der Pandazucht- und Forschungsstation Bifengxia zu leben.

Am 23. August 2010, genau am dritten Geburtstag von "Fu Long" wurde im Tiergarten Schönbrunn das zweite Pandajunge geboren, wiederum ein Männchen, das "Fu Hu" genannt wurde. Am 14. August 2013 kam das dritte Jungtier "Fu Bao" in Wien zur Welt. Am 8. August 2016 gab es im Tiergarten gar Zwillinge, ein Männchen und ein Weibchen. Auch diese Jungtiere waren, wie alle Pandas, Besitz der Volksrepublik China und kehrte im Alter von zwei Jahren ebenfalls dorthin zurück. Es war dies die zweite Zwillingsgeburt außerhalb Asiens. Vorreiter war auch in diesem Fall Madrid gewesen, wo 2010 die erfolgreiche Aufzucht von Zwillingen gelang. Danach wurden in Madrid 2013 und 2016 je ein einzelnes Jungtier und 2021 Zwillinge geboren.

Der ZooParc de Beauval erhielt 2012 aus der Zuchtstation Chengdu die beiden Pandas "Huan Huan" und "Yuan Zi". Am 4. August 2017 wurden, erstmals in Frankreich, Zwillinge geboren, von denen einer überlebte. 2021 gab es männliche, "Huanlili" und "Yuandudu" benannte Zwillinge, die aufgezogen wurden. Auch im belgischen Park Pairi Daiza kam es 2016 durch künstliche Besamung und 2019 durch natürliche Paarung zu erfolgreichen Nachzuchten, ferner 2020 im niederländischen Rhenen. Insgesamt wurden von 2007-2020 in europäischen Zoos 19 junge Pandas geboren, von denen nur zwei nicht aufgezogen werden konnten.

Wie Riesenpandas gehalten werden (Beispiel):

Forschung im Zoo: Der Riesenpanda ist immer wieder Gegenstand von tiermedizinischen oder ethologischen Forschungsarbeiten, die entweder unser Grundlagenwissen erweitern oder darauf abzielen, die Haltungsbedingungen zu optimieren [1; 2; 5; 6; 7; 8].

Mindestanforderungen an Gehege: Das Säugetiergutachten 2014 des BMEL gibt pro Tier ein Außengehege mit einer Fläche von 200 m² und ein Innengehege von 8 m² vor. Bei Paarhaltung sollen die Außen- bzw. Innengehege miteinander verbindbar sein.

Es ist davon auszugehen, dass, diese Mindestanforderungen nie zum Zuge kommen werden, sondern dass für Haltung und Zucht Vorgaben der Volksrepublik China maßgeblich sind und unter Berücksichtigung der Empfehlungen der EAZA und der Erfahrungen des Tiergartens Schönbrunn eine optimale Haltung angestrebt werden wird. Im Falle des Berliner "Panda Gardens" sind die Außengehege fünfmal und die Innengehege zehnmal so groß, wie die Vorgaben des SG'2014.

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für 1-2 Riesenpandas eine Landfläche von 150 m² und ein Wasserbecken von 50 m² mit einer mittleren Tiefe von 1 m vor. Für jeden weiteren Bären ist die Landfläche um 20 und die Wasserfläche um 2 m² zu erhöhen, (was allerdings eine unsinnige Bestimmung ist, weil die Bären ja nicht herdenweise ins Wasser gehen). Für jedes Tier ist eine Schlafbox von 6 m² vorzusehen.

Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) ist für ein Paar ein Außengehege von 600 m² sowie pro Tier ein Innengehege von 50 m² erforderlich. Im Außengehege muss ein Badebecken von 20 m² mit einer mittleren Tiefe von 1.5 m vorhanden sein (Wenn die zuständige Behörde auf dieser Wassertiefe besteht, empfiehlt es sich, die Beckenfläche zu erhöhen).

Taxonomie und Nomenklatur

Der Riesenpanda wurde 1860 vom französischen Pater Armand DAVID, der als Forscher und Missionar in China tätig war, und nach dem der Davidshirsch benannt wurde, als „Ursus melanoleucus“ beschrieben. Ein Jahr später stellte ihn Henri MILNE EDWARDS vom Muséum national d’histoire naturelle in Paris in die neue Gattung Ailuropoda. Diese ist monospezifisch und wurde zeitweilig zusammen mit dem Roten Panda (Ailurus) in der Familie der Katzenbären (Ailuridae) zusammengefasst. Gegenwärtig wird Ailuropoda melanoleuca als einzige Art der Unterfamilie Ailuropodinae der Bären aufgefasst. Ob es nebst der Nominatform noch eine zweite Unterart gibt, ist umstritten [11; 13].

Literatur und Internetquellen

  1. BAOTIC, A. (2011)
  2. BRUCKNER, H. (2012)
  3. CITES IDENTIFICATION MANUAL
  4. CITES TRADE DATA BASE
  5. DIETERMANN, A. (1996)
  6. HABE, M. (2009)
  7. HARTMANN, D. (2004)
  8. HEIDERER, M. (2014)
  9. KOLTER, L., KAMPHORST, N.F. & RUVEN, S.A.W. (2007)
  10. PUSCHMANN, W., ZSCHEILE, D., & ZSCHEILE, K. (2009)
  11. SWAISGOOD, R. et al. 2016). Ailuropoda melanoleuca (errata version published in 2016). The IUCN Red List of Threatened Species 2016: e.T712A121745669. http://www.iucnredlist.org/details/712/0. Downloaded on 21 June 2018.
  12. WEIGL, R. (2005)
  13. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
  14. HEDIGER, H. (1965)
  15. HUANG, Q., FEI, Y., YANG, H., GU, X., SONGER, M. (2020)

       sowie Medienmitteilungen der Zoos

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Donnerstag, 14 Juni 2018 12:30

Goldkopf-Löwenäffchen

Überordnung: EUARCHONTOGLIRES
Ordnung: Affen und Halbaffen (PRIMATES)
Unterordnung: Affen (Simiae / Haplorrhini)
Teilordnung: Eigentliche Affen (Simiiformes)
Überfamilie: Neuwelt- oder Breitnasenaffen (Platyrrhini)
Familie: Krallenaffen (Callitrichidae)

D EN 650

EEPGoldkopflöwenäffchen

Leontopithecus chrysomelas • The Golden-headed Lion Tamarin • Le tamarin-lion à tête dorée

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Goldkopf-Löwenäffchen (Leontopithecus chrysomelas) im Tropenzoo Bansin © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Approximative Verbreitung des Goldkopf-Löwenäffchens (Leontopithecus chrysomelas)

 

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Goldkopf-Löwenäffchen (Leontopithecus chrysomelas) in der Vallée des Singes, Romagne © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Goldkopf-Löwenäffchen (Leontopithecus chrysomelas) im Regent's Park Zoo, London © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Goldkopf-Löwenäffchen (Leontopithecus chrysomelas) mit Jungtier im Zoo Wuppertal © Barbara Scheer, Wuppertal

 

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Goldkopf-Löwenäffchen (Leontopithecus chrysomelas) im Zoo Breslau © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Goldkopf-Löwenäffchen (Leontopithecus chrysomelas) mit Jungtier in der Wilhelma Stuttgart © Harald Knitter / Wilhelma

 

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Goldkopf-Löwenäffchen (Leontopithecus chrysomelas) mit Zwillingen in der Wilhelma Stuttgart © Wilhelma (Pressefoto)

 

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Goldkopf-Löwenäffchen (Leontopithecus chrysomelas) im Zoo Salzburg © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Goldkopf-Löwenäffchen (Leontopithecus chrysomelas) im Zoo Mülhausen im Elsass © Wolfgang Dreier, Berlin

 

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Goldkopf-Löwenäffchen (Leontopithecus chrysomelas) im Zoo de Vincennes, Paris © Wolfgang Dreier, Berlin

 

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Goldkopf-Löwenäffchen (Leontopithecus chrysomelas) im Zoo Edinburgh © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Goldkopf-Löwenäffchen (Leontopithecus chrysomelas) im Zoo Salzburg © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Goldkopf-Löwenäffchen (Leontopithecus chrysomelas) im Zoologisch-Botanischen Garten Mülhausen © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Die Erstbeschreibung des schon damals als selten bezeichneten Goldkopf-Löwenäffchens als Midas chrysomelas, darunter ist das bereits bekannte Goldene Löwenäffchen aufgeführt. Heinrich KUHL (1820) Beiträge zur Zoologie und vergleichenden Anatomie. Frankfurt.

 

Weitere Bilder auf BioLib

Für das in seinem Ursprungsgebiet stark gefährdete Goldkopflöwenäffchen betreiben die Zoos ein gut funktionierendes Erhaltungszuchtprogramm, das auf illegal gehandelte, von den Behörden konfiszierte Tiere zurückgeht. Aus diesem Programm werden keine Tiere ausgewildert, sondern es dient als Reservepopulation für den Fall, dass die Situation im Freiland kritisch wird. Zudem ist das Goldkopflöwenäffchen eine sehr attraktive Tierart, die sich gut als Botschafter für Natur- und Artenschutz in seiner brasilianischen Heimat eignet und daher als Flaggschiffart für die Mâta Atlantica-Kampagne der EAZA diente.

Körperbau und Körperfunktionen

Goldkopflöwenäffchen haben eine Kopf-Rumpflänge von 24-26 (22-29) cm und eine Schwanzlänge von 39 (32-39) cm. Erwachsene wiegen 480-700 g, wobei für Männchen in Mittel von 620, für Weibchen von 535 g angegeben wird. Sie haben längere Hände und Finger als andere Krallenaffen, die es ihnen erlauben, tierische Beute leichter aus Ritzen und Bromelientrichtern herauszuklauben. Die Haut des praktisch nackten Gesichts ist individuell verschieden, fleischfarben bis schwärzlich. Das Gesicht ist von einer goldgelben bis goldorangen, aufrichtbaren Mähne umgeben. Dieselbe Farbe haben Unterarme, Hände, Füße und die Schwanzbasis. Ansonsten ist das Fell schwarz [5; 8].

Verbreitung

Tropisches Südamerika: Brasilien (Bundesstaat Bahia) [3].

Lebensraum und Lebensweise

Das Goldkopflöwenäffchen besiedelt den Atlantischen Regenwald, Piassava-Palmenwälder (Leopoldinia piassaba), Sekundärwälder und mit Schatten spendenden Bäumen durchsetzte Kakao-Plantagen. Die Tiere sind tagaktiv mit einer Ruhepause über Mittag. Zwischen 16 und 17 Uhr ziehen sie sich an ihre Schlaforte zurück. Zum Schlafen benutzen sie Baumhöhlen, Bromelien und dichtes Geäst oder Lianen. Sie ernähren sich von Früchten (hauptsächlich von Myrtaceen), Blüten, Nektar, Blattansätzen kleiner Bromelien, Baumexsudaten und Kleintieren, einschließlich Insekten, Spinnen, Schnecken, Baumfröschen und Echsen. Auf Futtersuche gehen sie vor allem in Bromelien. 24% ihrer aktiven Zeit verwenden sie auf die Aufnahme von pflanzlicher, 16% auf die Suche nach und dem Fressen von tierischer Nahrung. Sie leben typischerweise in Gruppen von 2-8(-15) Tieren, darunter 1-2 erwachsene Weibchen und 2-3 geschlechtsreife Männchen. Die Größe der Streifgebiete schwankt regional zwischen 40 und 200 ha [3: 5; 8].

Löwenäffchen verhalten sich territorial und markieren ihr Revier mit Urin und Drüsensekreten. Da sie sich im Menschenobhut nicht als Gefangene, sondern als Besitzer ihres Geheges fühlen, kann man die Verhaltensweise der olfaktorischen Markierung auch bei einem Zoobesuch beobachten.

In ihrem Ursprungsgebiet bringt das Weibchen der Gruppe nach einer Tragzeit von etwa 125 Tagen meist von Oktober-April in der Regel Zwillinge. Eher selten kann es zwei Würfe in einem Jahr geben. Wie bei allen Krallenaffen liegt die Betreuung der unselbständigen Jungen in den Händen des Vaters und eventuell älterer Geschwister, die Mutter darf sich ganz entspannt der Nahrungssuche und der Milchproduktion widmen – sie übernimmt die Jungen nur zum Säugen. [5; 8; PM Zoo].

Gefährdung und Schutz

Das Goldkopflöwenäffchen wird seit 1982, letztmals überprüft 2020, als stark gefährdet beurteilt (Rote Liste: ENDANGERED), da sein Verbreitungsgebiet in den letzten Jahrzehnten stark geschrumpft ist und zudem fragmentiert wurde. Außerdem ist die Qualität des Lebensraums im übrig gebliebenen Gebiet stark durch Waldrodungen beeinträchtigt. Verschiedene Schutzmaßnahmen wie auch die Wiederansiedlung von in Menschenobhut gezüchteten Tieren waren erfolgreich, doch ist diese Art auf die Weiterführung der Schutzmaßnahmen angewiesen, um überleben zu können. Es wird angenommen, dass der Wildbestand des Goldkopflöwenäffchens noch rund 2'500 erwachsene Tiere umfasst [1].

Der internationale Handel ist durch CITES-Anhang I eingeschränkt.

Zoogestütztes Artenschutzprojekt (Beispiel):

  • Der Zoo Antwerpen betreibt das Projekt "BioBrasil", in dessen Rahmen in Bahia artenschutzrelevante Forschung durchgeführt wird, mit dem übergeordneten Ziel, die Bestände des Goldkopflöwenäffchens zu erhalten. Untersucht wird insbesondere, wie sich Modifikationen des Labensraums auf das Überleben, das Verhalten, die Demografie und die Ökologie der Art auswirken. Daneben wird Umweltbildung betrieben, um die im Areal der Art lebenden Menschen einzubeziehen und sie für Umweltthemen zu sensibiliseren. mehr ...

Bedeutung für den Menschen

Die Rote Liste der IUCN enthält keine Angaben über eine lokale Nutzung der Art [3]. Von 1977-2017 bewilligte Brasilien lediglich Wissenschaftsmaterial von wildlebenden Individuen zur Ausfuhr. Im selben Zeitraum (effektiv ab 1987) wurden weltweit 321 Nachzuchttiere international abgegeben, wichtigste Ausfuhrländer waren die Schweiz und Belgien [2].

Haltung

Bis 1970, als der brasilianische Primatologe COIMBRA-FILHO die Ergebnisse einer Feldstudie veröffentlichte, stammte unser ganzes Wissen über die Art von weltweit 20 Museumexemplaren. Bis zu Beginn der 1980er Jahre wurde die Art außerhalb Brasiliens nicht gehalten. 1983/84 wurden etliche Tiere illegal nach Französisch-Guyana, Belgien und Japan ausgeführt. Davon landeten einige in Zoos und gründeten die heutige Zoopopulation [11].

Das nach WEIGL älteste bekannte Goldkopflöwenäffchen wurde im Zoo La Palmyre geboren und war im Alter von 21 Jahren und 4 Monaten immer noch an Leben [6].

Nach den "Best practice"-Leitlinien der EAZA soll Löwenäffchen tagsüber ein Gesamtvolumen (innen / außen) von 32.5 m³ (3+10 m² / 2.5 m hoch) zur Verfügung stehen, wobei das Gehege unterteilbar sein soll [1].

In verschiedenen Zoos (z.B. Aschersleben, Köln, Münster, Osnabrück, Stuttgart) wurden Goldkopf- Löwenäffchen erfolgreich mit anderen Primaten (Callithrix pygmaea, Callimico goeldii, Saguinus fuscicollis, Saguinus labiatus, Pithecia pithecia) sowie Nagetieren (Myoprocta acouchy), Agakröten und diversen Vögeln vergesellschaftet [9].

Seit 1986 existiert ein Internationales Zuchtbuch, das am Zoo Antwerpen geführt wird. Dieses umfasste, Stand Februar 2016, 605 lebende Individuen in 112 Einrichtungen [IZY 52].

Haltung in europäischen Zoos: Die Art wird in rund 95 Zoos gehalten, von denen sich über ein Fünftel im deutschsprachigen Raum befinden. Für Details siehe Zootierliste.

Es gibt ein Europäisches Erhaltungszuchtprogramm, das vom Zoo Antwerpen als "New Style-EEP" koordiniert wird [4].

Forschung im Zoo (Beispiele): In den 1990er-Jahre wurde namentlich in den Zoos von Antwerpen und Jersey das Sozial-, Fortpflanzungs- und Aufzuchtverhalten der Art erforscht. In jüngerer Zeit wurde am Zoo Zürich die Haltung von Goldkopflöwenäffchen im Freilauf und im Innengehege verglichen, wobei sich herausstellte, dass der Aufzuchterfolg und das Populationswachstum bei den im Zoo freilaufenden Tieren größer waren als bei den in einer Voliere des Südamerikahauses gehaltenen [6].

Mindestanforderungen an Gehege: Die auf dem Tierart-Datenblatt für den Rotbauchtamarin gemachten Angaben zum Säugetiergutachten 2014 , zur Stellungnahme der Tierschutzsachverständigen der Zoos und zu den EAZA-Haltungsrichtlinien [1] gelten auch für diese Art.

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für bis zu 5 Tieren ein Innengehege mit einer Fläche von 3 m² und 2 m Höhe vor. Für jedes weitere Adulttier ist die Fläche um 0.5 m² zu ergänzen.

Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) muss die Haltung paarweise oder in kleinen Familiengruppen erfolgen. Dazu ist ein Innengehege mit einer Fläche von 10 m² und einer Höhe von 2.5 m erforderlich.

Taxonomie und Nomenklatur

Das Goldkopflöwenäffchen wurde 1820 von dem aus Hanau stammenden Naturforscher Heinrich KUHL als "Midas chrysomelas" anhand eines Exemplars vom "Rio de Rheos" (Rio Ilhéus) im brasilianischen Bundesstat Bahía erstmals beschrieben. Zum heute gültigen Gattungsnamen kam die Art durch den französischen Arzt und Naturforscher René Primevère LESSON, der 1840 einen "Leontopithecus marikina" beschrieb, bei dem es sich herausstellte, dass dieser mit dem Goldenen Löwenäffchen identisch war. Als Gattungssynonym war sehr lange "Leontocebus" im Umlauf, das heute auf einen Teil der Gattung Saguinus angewendet wird, ferner der auch in GRZIMEKs Tierleben verwendete Name "Leontideus". Bis 2000 wurden die verschiedenen Löwenäffchen-Formen als Unterarten, seitdem als Arten eingestuft. Sie haben kleine, voneinander deutlich getrennte Verbreitungsgebiete, sodass es im Freiland nicht zu Hybridisierungen kommen kann [3; 5; 8; 9].

Literatur und Internetquellen

  1. CARROLL, B. (ed., 2002) / BARRÃO RUIVO, E. (ed. 2010)
  2. CITES TRADE DATA BASE
  3. OLIVEIRA, L.C., NEVES, L.G., KIERULFF, M.C.M. et al. (2021). Leontopithecus chrysomelas (amended version of 2020 assessment). The IUCN Red List of Threatened Species 2021: e.T40643A192327573. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2021-1.RLTS.T40643A192327573.en . Accessed on 25 January 2023.
  4. LUDWIG, K. & GALBUSERA, P. (2012)
  5. SCHRÖPEL, M. (2010)
  6. STEINMETZ, H. W., ZINGG, R., OSSENT, P., EULENBERGER, U., CLAUSS, N. & HATT, J. M. (2011)
  7. WEIGL, R. (2005)
  8. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
  9. WILSON, D. E. & REEDER, D. M. (2005)
  10. ZIEGLER, T. (2002a)
  11. KLEIMAN, D. G. & RYLANDS, A. B. (eds., 2002)

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Freigegeben in Krallenaffen
Donnerstag, 14 Juni 2018 12:28

Katta

Überordnung: EUARCHONTOGLIRES
Ordnung: Affen und Halbaffen (PRIMATES)
Unterordnung: Halbaffen (Prosimiae / Strepsirrhini)
Teilordnung: Maki-Verwandte (Lemuriformes)
Familie: Makis (Lemuridae)

D EN 650

EEPKatta

Lemur catta • The Ring-tailed Lemur • Le maki catta

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Katta (Lemur catta) im Allwetterzoo Münster © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Approximatve Verbreitung des Kattas (Lemur catta)

 

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Kattaweibchen (Lemur catta) mit Jungtier im Tierpark Ueckermünde © Tierpark Ueckermünde

 

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Kattagruppe (Lemur catta) in der Vallée des Singes, Romagne © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Junger Katta (Lemur catta) im Tiergarten Schönbrunn, Wien © Daniel Zupanc / TG Schönbrunn

 

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Katta (Lemur catta) im ZooParc de Trégomeur © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Katta (Lemur catta) im Zoo de Pont-Scorff © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Katta (Lemur catta) im Serengeti-Park Hodenhagen © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Katta (Lemur catta) im Zoo Dvůr Královénad Labem © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Kattas (Lemur catta) in begehbarem Gehege in der Vallée des Singes, Romagne

 

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Katta (Lemur catta) in begehbarem Gehege in der Vallée des Singes, Romagne © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Katta (Lemur catta) in begehbarer Anlage im AllwetterZoo Münster © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Begehbare Katta-Anlage im Zoo Duisburg © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Briefmarke mit Katta-Motiv, Luftpost 200 Fr., Frankreich / Madagaskar

 

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Briefmarke mit Katta-Motiv zum Jubiläum des Dredener Zoos. DDR, 70 Pf. 1986

 

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Aufgrund ihrer attraktiven Zeichnung, der Tatsache, dass sie in größeren Gruppen gehalten werden können, und weil sie gegenüber Besuchern so friedlich sind, dass begehbare Gehege möglich sind, sind die auf Madagaskar mittlerweile stark gefährdeten Kattas in Zoos sehr populär und stellen die mit Abstand am häufigsten gehaltene Lemurenart dar.

Körperbau und Körperfunktionen

Der Katta ist ein mittelgroßer Lemur mit einer Kopf-Rumpflänge von 39-46 cm, einer Schwanzlänge von 56-63 cm und einem Normalgewicht von 2.2 kg. Männchen und Weibchen haben Perianaldrüsen sowie - bei den Weibchen schwächer entwickelte - Duftdrüsen an den Unterarmen. Die Männchen haben eine weitere Drüse an der Brust, die bei den Weibchen sehr klein ist oder fehlt.Das Gesicht ist weiß mit schwarzer Schnauzenpartie und dunkelgrauen Flecken um die Augen. Die Ohren sind weiß. Die Körperoberseite ist hellgrau bis rötlich-grau, die Unterseite weiß und der Schwanz schwarz und weiß geringelt [11].

Verbreitung

Madagaskar: Im Süden und Südwesten der Insel [1].

Lebensraum und Lebensweise

Kattas besiedeln hauptsächlich winterkahle Trockenwälder, Galeriewälder und Dornbusch. Sie sind tagaktiv, lieben Sonnenbäder und strecken häufig mit ausgebreiteten Armen ihre Vorderkörper der Sonne entgegen, um dann in dieser Stellung zu verharren. Ihr Futter besteht vor allem aus Früchten, wie Feigen oder Opuntien, Blättern und sonstigem Pflanzenmaterial. In geringerem Umfang nehmen sie auch tierische Nahrung zu sich. Zum Schlafen legen sie sich zu einem großen Knäuel zusammen. Eine Gruppe besteht aus 6-24 (bis > 30) Tieren und setzt sich aus erwachsenen Männchen und Weibchen sowie Halbwüchsigen und Säuglingen zusammen. Die Gruppen besetzen oft während mehrerer Jahrzehnte dasselbe Streifgebiet von 6-23 ha. Anders als bei den meisten Primaten sind bei den Kattas die Weibchen das sozial dominante Geschlecht.

Kattas markieren ihr Revier mit Sekreten aus Perianal- und Armdrüsen. Da sie sich im Zoo, wie andere Zootiere auch, nicht als Gefangene, sondern als Besitzer ihres Geheges verstehen, bringen sie ihre Duftmarken selbstverständlich auch im Gehege an. Im Sozialverhalten kommt dem Ringelschwanz, der beim Gehen als Erkennungssignal senkrecht in die Höhe gestreckt wird, eine große Bedeutung zu. Mit seiner Hilfe tragen die Männchen auch sogenannte "Stinkkämpfe" aus. Sie bestreichen ihren Schwanz mit Sekreten aus ihren Unterarmdrüsen und schwenken ihn in Richtung Gegner. So werden sowohl Rangordnungsstreitigkeiten geregelt als auch das Revier gegen fremde Gruppen verteidigt.

Nach einer Tragzeit von 130 bis 135 Tagen werden – auf der Nordhemisphäre immer im Frühling – die Jungen mit einem Gewicht von etwa 60 Gramm geboren, meistens eines, aber auch Zwillinge und selten Drillinge. Diese werden von der Mutter erst am Bauch, später auf dem Rücken getragen und fünf Monate gesäugt [1; 11 u.a.].

Gefährdung und Schutz

2014 wurde der Katte als stark gefährdet eingestuft, da die Bestände abgenommen hatten, die Bestandsdichte gering ist und die Teilpopulationen zunehmend isoliert sind (Rote Liste: ENDANGERED) [1].

Der internationale Handel ist durch CITES-Anhang I eingeschränkt.

Bedeutung für den Menschen

Kattas werden auf Madagaskar wegen ihres Fleischs gejagt und als Heimtiere gefangen [1]. Von 1977-2017 meldete Madagaskar nebst der Ausfuhr von Haarproben und anderem Wissenschaftsmaterial lediglich den Export von 13 Wildfängen. Weltweit wurden im internationalen Handel während dieses Zeitraums 2669 Nachzuchttiere registriert. Wichtigste Exportländer waren Kanada, Tschechien, die USA, Japan und Großbritannien [4].

Haltung

Das publizierte Höchstalter eines Kattas liegt bei 37 Jahren und 4 Monaten [10]. Wie bei allen Makis ist bei der Fütterung darauf zu achten, dass die Tiere nicht zu fett werden. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass die bei uns erhältlichen Früchte einen höheren Zuckergehalt aufweisen als Wildfrüchte auf Madagaskar. Die Zucht bietet im Zoo keine Schwierigkeiten. So wurden z.B. im Zoo Karlsruhe von 1983-2007 nicht weniger als 56 Jungtiere, im Zoo Frankfurt von 1957-2006 63 Jungtiere geboren. Kattas wurden verschiedentlich mit anderen Lemuren vergesellschaftet. In verschiedenen Zoos gibt es für die Besucher begehbare Gehege.

Haltung in europäischen Zoos: Die Art wird in gegen 490 Zoos gehalten, von denen sich etwa ein Sechstel im deutschsprachigen Raum befinden, und ihr Bestand in Europa umfasst allein in EAZA-Zoos über 2'000 Tiere. Für Details siehe Zootierliste.

Das seit 1994 bestehende Europäische Zuchtbuch (ESB) wurde 2018 in ein "New Style EEP" umgewandelt, das vom Parco Natura Viva in Bussolengo koordiniert wird.

Forschung im Zoo: Kattas sind immer wieder Gegenstand von Forschungsarbeiten, bei denen es darum geht, unser Grundlagenwissen zu erweitern oder die Haltungsbedingungen weiter zu optimieren. Aus naheliegenden Gründen steht das Sozialverhalten im Vordergrund des Interesses [2; 3; 8; 9; 12].

Wie Kattas gehalten werden (Beispiele):

Weitere begehbare Anlagen gibt es z.B. im Zoo Augsburg und in der Vallée des Singes. In Eberswalde laufen die Kattas frei im ganzen Zoo.

Mindestanforderungen an Gehege: Für die Vorgabe des Säugetiergutachten 2014 des BMEL von 30 m²/ 90 m³ bzw. 30 m² bei 2.5 m Höhe für das Außengehege sowie 15 m²/ 45 m³ bzw. 15 m² bei 2.5 m Höhe  für das Innengehege (Kopfrechnen sollte man können!) für die Haltung eines Paars mit bis zu 2 Nachzuchten (was im Widerspruch zu Ziffer 1.6 der Allgemeinen Bestimmungen des Gutachtens steht) und 3 m²/ 9 m³ bzw. 2 m²/ 6 m³ für jedes weitere Tier liegt keine wissenschaftliche Begründung vor. Aufgrund tierhalterischer Erfahrung stellten die Tierschutzsachverständigen der Zoos fest, dass Dimensionen von 10 m²/ 25 m³ sowohl innen wie außen für eine Gruppe bis zu fünf Tieren und jeweils eine Erweiterung der Fläche für jedes weitere Adulttier um 1.5 m² ausreichend seien.

Es gibt im Andringitra-Massiv Madagaskars eine Katta- Population, die bis auf über 2500 m hoch geht und Gebirgsheide, subalpine Vegetation und nackten Fels besiedelt. Auf dieser Höhe fallen von Juni bis August die Nachttemperaturen auf deutlich unter null Grad und stehende oder langsam fließende Gewässer können gefrieren [5]. Die Vorgabe des Säugetiergutachtens, wonach die Raumtemperatur bei 15 – 25 °C liegen soll, ist daher beim Katta nicht allzu wörtlich zu nehmen.

Ferner stipuliert das Säugetiergutachten, dass Makis mindestens dreimal täglich zu füttern sind, wobei zusätzlich zu Obst und Gemüse u.a. auch Nüsse angeboten werden sollen. Dies sollte man besser nicht tun, denn sonst verfetten die Tiere mit Sicherheit. SCHWITZER [7] stellte bei 8 Kattas aus zwei VdZ-Zoos Gewichte von 2'620-3'700, im Mittel 3'230 Gramm fest, dies bei einem Normalgewicht im Freiland von 2'200 Gramm.

Summa summarum bietet das Säugetiergutachten keine vernünftige Orientierungshilfe für die Haltung von Lemuren.

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für bis zu 5 adulte Kattas ein Innen- und ein Außengehege mit einer Fläche von je 10 m² und einer Höhe von 3 m vor. Für jedes weitere erwachsene Tier ist die Fläche um 2 m² zu erweitern.

Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) muss die Haltung paarweise oder in kleinen Familiengruppen erfolgen. Dazu ist ein Innengehege mit einer Fläche von 15 m² und ein Außengehege von 40 m² bei einer Höhe von je 2.5 m erforderlich.

Taxonomie und Nomenklatur

Der Katta wurde 1758 von Carl von LINNÉ unter seinem heute noch gültigen Namen beschrieben. Es handelt sich um eine monotypische Art und, nachdem sich die Einordnung der übrigen Echten Makis in die erst 1989 aufgestellte Gattung Eulemur durchgesetzt hat, auch um eine monotypische Gattung. Innerhalb der Art gibt es eine hellere und eine dunklere Farbmorphe, aber keine Unterarten.

Im Übrigen haben Taxonomen ein Talent, neue Tierarten rascher zu erfinden, als sie aussterben können. Durch die Aufspaltung bekannter Arten stieg die Zahl der Lemur / Eulemur-Arten von 6 im Jahr 1994 auf 13 im Jahr 2008 [6].

Literatur und Internetquellen

  1. ANDRIAHOLINIRINA, N. et al. (2014). Lemur catta. The IUCN Red List of Threatened Species 2014: e.T11496A62260437. http://www.iucnredlist.org/details/11496/0. Downloaded on 19 May 2018.
  2. BATTERMANN, A. (2011)
  3. CIRKULAN, S. (2016)
  4. CITES TRADE DATA BASE
  5. GOODMAN, S.M. & LANGRAN, O.(1996) >
  6. MITTERMEIER, R.A. et al. (2008)
  7. SCHWITZER, C. (2003)  
  8. SICK, N. (2015)
  9. VOORMANN, A.-J. (1998)
  10. WEIGL, R. (2005)
  11. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
  12. ZEITRÄG, C. (2014)
    und Pressemitteilungen der Zoos

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Montag, 23 Oktober 2017 12:27

Rotes Riesenkänguru

Unterklasse: Beuteltiere (MARSUPIALIA)
Ordnung: Känguruverwandtschaft (DIPROTODONTIA)
Unterordnung: Känguruartige (Macropodiformes)
Familie: Kängurus (Macropodidae)
Unterfamilie: Eigentliche Kängurus (Macropodinae)

D LC 650

Rotes Riesenkänguru

Macropus (Osphranter) rufus • The Red Kangaroo • Le kangourou roux

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Weibliches Rotes Riesenkänguru (Macropus (Osphranter) rufus) mit Beuteljungem im Opel-Zoo Kronberg © Archiv Opel-Zoo

 

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Aproximative Verbreitung des Roten Riesenkängurus (Macropus (Osphranter) rufus)

 

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Männliches Rotes Riesenkänguru (Macropus (Osphranter) rufus) auf dem Rücken ruhend im Cleland Wildlife Park, Südaustralien © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Begegnung mit männlichem Roten Riesenkänguru (Macropus (Osphranter) rufus) im Cleland Wildlife Park, Südaustralien © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Männliches Rotes Riesenkänguru (Macropus (Osphranter) rufus) lässt sich im Cleland Wildlife Park aus der Hand füttern © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Weibliches Rotes Riesenkänguru (Macropus (Osphranter) rufus) mit Beuteljungem und Jungem bei Fuß im ErlebnisZoo Hannover © Zoo Hannover

 

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Weibliches Rotes Riesenkänguru (Macropus (Osphranter) rufus) im Zoo Melbourne © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Weibliches Rotes Riesenkänguru (Macropus (Osphranter) rufus) im ehemaligen Wildlife Wonderland, Bass © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Weibliches Rotes Riesenkänguru (Macropus (Osphranter) rufus) mit Beuteljungem in der Wilhelma Stuttgart © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Pfote eines Roten Riesenkängurus (Macropus (Osphranter) rufus) im Zoo Heidelberg © Zoo Heidelberg

 

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Gruppe von Roten Riesenkängurus (Macropus (Osphranter) rufus) im Zoo Melbourne © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Das begehbare Gehege für Rote Riesenkängurus (Macropus (Osphranter) rufus) im Zoo Melbourne © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Das Rote Riesenkänguru ist nicht gefährdet, es ist jedoch von zoopädagogischem Interesse als Prototyp der Beuteltiere, wegen seinem ausgesprochenen Geschlechtsdimorphismus und als gute Botschafterart für Naturschutz in Australien. Es ist das in Europa am häufigsten gehaltene Riesenkänguru.

Körperbau und Körperfunktionen

Das Rote Riesenkänguru ist der größte Vertreter der Familie. Böcke können von 22 bis 85(-92) kg schwer werden und sind mannshoch, wenn sie sich auf den Hinterbeinen aufrichten. Ihre Kopf-Rumpflänge liegt zwischen 93 und 140 cm, die Schwanzlänge zwischen 71-100 cm. Die Weibchen bleiben mit 74-110 cm Kopf-Rumpf- und 64-90 cm Schwanzlänge deutlich kleiner und mit 17-39 kg entsprechend leichter. Ein weiterer Sexualdimorphismus besteht hinsichtlich der Färbung: Die Böcke haben ein rötlichbraunes Fell, bei den Weibchen ist es meistens blaugrau [6; 11].

Verbreitung

Australien. Fehlt in den tropisch- oder gemässigt feuchten Regionen Nordaustraliens und der Ost- / Südostküste sowie im Südwesten des Kontinents [4].

Lebensraum und Lebensweise

Lebensraum des Roten Riesenkängurus sind trockene und halbtrockene Gebiete, mit hoher mittlerer Jahrestemperatur und geringen, sporadischen Niederschlägen, die über eine Grasnarbe verfügen. Die Tiere sind hauptsächlich dämmerungs- und nachtaktiv. Sie leben in kleinen Gruppen mit häufig wechselnder Zusammensetzung. Hauptnahrung sind Gräser, es werden aber auch Kräuter und Blätter von Büschen genommen. Weibchen werden mit 15, Böcke mit 24 Monaten geschlechtsreif. Paarungen können während des ganzen Jahres vorkommen. Nach einer Trächtigkeit von 33 Tagen wird ein einzelnes Junges geboren, das 7.5-8 Monate im Beutel bleibt und mit etwa einem Jahr entwöhnt wird. Die Weibchen können unmittelbar nach der Geburt wieder gedeckt werden, worauf es zu einer Keimruhe kommt, bis das ältere Geschwister den Beutel verlassen hat [6; 12].

Gefährdung und Schutz

Das Rote Riesenkänguru ist in den trockeneren Gebieten Australien weitverbreitet und ist häufig. Seine Bestände haben überall dort zugenommen, wo der Busch gerodet wurde, um Grasland für die Viehhaltung zu gewinnen. Daher gilt es aufgrund einer Beurteilung aus dem Jahr 2015 nicht als gefährdet (Rote Liste: LEAST CONCERN) [4; 12]. Es dürfte sich um die häufigste Känguru-Art handeln. Für 2011 wird der Gesamtbestand in den "commercial harvest areas" von Südaustralien, Westaustralien, New South Wales und Queensland mit 11.5 Millionen Individuen angegeben. In dieser Region war das Östliche Graue Riesenkänguru mit 16 Millionen Individuen noch häufiger, aber im Gegensatz zu jenem ist das Rote auch im Northern Territory weit verbreitet. Der Gesamtbestand kann in Abhängigkeit von den klimatischen Bedingungen von Jahr zu Jahr stark schwanken, im Zeitraum 2001-2011 fluktuierte er zwischen 7.6 und 17.5 Millionen, wird aber längerfristig als stabil angesehen [1].

Der internationale Handel ist nicht durch CITES geregelt. Für lebende Tiere gelten Ausfuhrbeschränkungen Australiens.

Bedeutung für den Menschen

Rote Riesenkängurus gehören zu den Arten, die in Australien kommerziell genutzt werden und für die jährlich eine Abschussquote festgelegt wird. Im Jahr 2008 z.B. wurden in den Bundesstaaten Queensland, Neu-Südwales, Südaustralien und Westaustralien insgesamt 804'278 Tiere erlegt womit die festgelegte Quote längstens nicht ausgeschöpft wurde, 2011 waren es 1'517'243 und 2012 gar 2'118'867 Stück [1; 4].

Haltung

Rote Riesenkängurus werden oft mit Emus, Schwarzen Schwänen, Hühnergänsen und Bennettkängurus vergesellschaftet. In Australien werden Rote Riesenkängurus häufig in begehbaren Anlagen gehalten, wo sie sich den Besuchern gegenüber vertraut zeigen [6] und, wo Füttern erlaubt ist, bisweilen aufsässig werden. In Europa sind die Zoos zurückhaltender und setzen für Kontaktgehege eher die kleineren Wallabies ein.

Wie Untersuchungen von SCHÜRER an Schädeln von Kängurus aus europäischen und australischen Zoos und aus dem Freiland ergeben haben, sind Rote Riesenkängurus häufiger von "Lumpy Jaw Disease", einer bakteriellen Infektion der Kieferknochen, betroffen als andere Macropus-Arten [9].

Rote Riesenkängurus können im Zoo ein Alter von 25 Jahren erreichen [10].

Haltung in europäischen Zoos: Die Art wird in über 80 Zoos gehalten, von denen sich etwa ein 10 im deutschsprachigen Raum befinden. In EAZA Zoos bezifferte sich die Zahl der 2021 gehaltenen Tiere auf 319. Für Details siehe Zootierliste.

Wie Riesenkängurus gehalten werden (Beispiele):

Forschung im Zoo: Rote Riesenkängurus sind gelegentlich Studienobjekte für Doktor-, Diplom- und Examensarbeiten, die häufig das Verhalten, insbesondere auch in Zusammenhang mit den Haltungsbedingungen zum Thema haben [5; 7; 8].

Das Säugetiergutachten 2014 des BMEL gibt für große Kängurus ein Außengehege vor, das für 5 Tiere eine Fläche von 300 m² und für jedes weitere Tier 30 m² mehr aufweisen soll. Als Basisfläche für das Innengehege werden 30 m² angegeben und zusätzlich 4 m² für jedes weitere Tier. Praxiserfahrung mehrerer Rote Riesenkängurus haltender Zoos zeigt, dass eine Stallfläche von 4 m² pro Tier, wie sie z.B. die schweizerische Tierschutzverordnung vorschreibt, ausreichend ist. Darüber hinaus sind in klimatisch günstigen Regionen Deutschlands große Kängurus weitgehend winterhart (die gemittelte Monats-Nachttemperatur liegt in Teilen des natürlichen Areals im Winter bei 0°C) und suchen die Stallungen nur kurzzeitig auf, was gegebenenfalls eine weitere Reduktion der Stallflächen ohne Nachteil für die Tiere erlaubt.

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für bis zu 5 Tiere ein Außengehege von 300 und ein Innengehege von 20 m² vor, für jedes weitere Tier kommen 30 bzw. 4 m² zur Basisflächen dazu. Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) sind für bis zu 5 Tiere ein Außengehege von 500 und ein Innengehege von 25 erforderlich. Für jedes weitere Tier sind die Flächen um 50 bzw. 2.5 m² zu erweitern.

Nach JACKSON soll für 5 Tiere eine Gehegefläche von 340 m² nicht unterschritten werden [6].

Taxonomie und Nomenklatur

1822 wurde das Rote Riesenkänguru vom französischen Zoologen Anselme Gaëtan DESMAREST als "Kangurus rufa" beschrieben. Später wurde es in die von George SHAW vom Britischen Museum bereits 1790 aufgestellte Gattung Macropus eingeordnet. 1997 wurde die Art von McKENNA & BELL als einzige Art in eine Gattung Megaleia gestellt, die bereits 1848 von dem Münchener Zoologen Johannes Nepomuk Franz Xaver GISTEL als Untergattung aufgestellt worden war, aber DAWSON & FLANNERY hatten schon 1985 gezeigt, dass sie in die Gattung Macropus, Untergattung Osphranter gehört. Seit 2015 wird Osphranter auch als eigene Gattung gehandelt, aber nicht alle Referenzwerke /-datenbanken haben diesen Schritt mitgemacht. Die Art ist monotypisch [3; 11; 12; 13].

Literatur und Internetquellen

  1. AUSTRALIAN GOVERNMENT - Commercial kangaroo harvest in 2008 und Population estimates
  2. CURTIS, L. K. (2006)
  3. DAWSON, L. & FLANNERY, T. (1985)
  4. ELLIS, M. et al. (2016). Macropus rufus. The IUCN Red List of Threatened Species 2016: e.T40567A21953534. http://www.iucnredlist.org/details/40567/0. Downloaded on 30 June 2018.
  5. HOPPNER, S. (2011)
  6. JACKSON, S. M. (2003)
  7. NEUGEBAUER, M. (2009)
  8. SCHÜRER, U. (1978)
  9. SCHÜRER, U. (1980a)
  10. WEIGL, R. (2005)
  11. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
  12. WILSON, D.E. & REEDER, D. M.  (2005)
  13. GLOBAL BIODIVERSITY INFORMATION FACILITY (GBIF)

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Östl. Graues Riesenkänguru

Unterklasse: Beuteltiere (MARSUPIALIA)
Ordnung: Känguruverwandtschaft (DIPROTODONTIA)
Unterordnung: Känguruartige (Macropodiformes)
Familie: Kängurus (Macropodidae)
Unterfamilie: Eigentliche Kängurus (Macropodinae)

D LC 650

Östliches Graues Riesenkänguru 

Macropus giganteus • The Eastern Grey Kangaroo • Le kangourou géant

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Östliches Graues Riesenkänguru (Macropus giganteus), Weibchen, im Naturschutz-Tierpark Görlitz © Catrin Hammer, Görlitz

 

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Verbreitung von Westlichem (M. fuliginosus). und Östlichem (M. giganteus). Grauem Riesenkänguru (CURTIS, 2006)

 

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Östliches Graues Riesenkänguru (Macropus giganteus), Beuteljunges, im Naturschutz-Tierpark Görlitz © Catrin Hammer, Görlitz

 

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Östliches Graues Riesenkänguru (Macropus giganteus), Jungtier, im ZooPark Erfurt © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Östliches Graues Riesenkänguru-Weibchen (Macropus giganteus) im Zoo Krefeld © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Östliche Graue Riesenkängurus (Macropus giganteus) im ZooPark Erfurt © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Östliches Graues Riesenkängurus (Macropus giganteus) im Publikumskontakt im Birdland Animal Park, Bateman's Bay NSW © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Östliche Graue Riesenkängurus (Macropus giganteus) im Zoo Neuwied © Zoo Neuwied

 

102 012 011 007 macropus giganteus EF KR3
Östliches Graues Riesenkänguru (Macropus giganteus) im ZooPark Erfurt © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Östliche Graue Riesenkängurus (Macropus giganteus) in Großgehege im Zoo Neuwied © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Östliche Graue Riesenkängurus (Macropus giganteus) vergesellschaftet mit Emus (Dromaius novaehollandiae) und Bennettwallabies (Macropus rufogriseus) im Eifelzoo Lünebach © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

102 012 011 007 macropus giganteus Gould
Östliches Graues Riesenkänguru (Macropus giganteus) aus GOUL, J. (1863) Mammals of Australia Vol. 2. Public Domain.

 

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Als Prototyp der Beuteltiere und gute Botschafterart für Naturschutz in Australien ist das Östliche Graue Riesenkänguru von zoopädagogischem Interesse. Es wird häufiger gehalten als die westliche Art, aber nicht so oft, wie das noch etwas größere Rote Riesenkänguru.

Körperbau und Körperfunktionen

Das Östliche Graue Riesenkänguru ist nur wenig kleiner als der größte Vertreter der Familie, das Rote Riesenkänguru. Maße und Gewichte variieren je nach Quelle, aber die maximale Kopf-Rumpflänge von 230 cm (!) im neuen Handbuch der Säugetiere [10] gehört wohl ins Reich der Fabel. Böcke dürften eine Kopf-Rumpflänge von 97-140 und eine Schwanzlänge von etwa 109 cm erreichen, können bis 66(-90) kg schwer werden und sind mannshoch, wenn sie sich auf den Hinterbeinen aufrichten. Die Weibchen bleiben deutlich kleiner und mit 17-42 kg entsprechend leichter. Das Fell ist rau, seine Farbe bei beiden Geschlechter ist oberseits graubraun, auf der Bauchseite weißlich und an den Enden der Extremitäten und des Schwanzes schwärzlich. Tasmanische Tiere haben ein besonders dichtes Winterfell, um der Kälte standhalten zu können [2; 3; 9].

Verbreitung

Australien: Im ganzen Osten (Victoria, New South Wales und Queensland) sowie Osttasmanien [2; 7].

Lebensraum und Lebensweise

Das Östliche Graue Riesenkänguru besiedelt unterschiedliche Lebensraumtypen wie offene Hartlaubwälder, Trockensavannen, trockene Strauchformationen (Mallee), Heiden, Gras-  sowie Agrarland, Kiefernpflanzungen, Golfplätzen und städtische Parks. Die Tiere sind hauptsächlich dämmerungs- und nachtaktiv. Sie sind meistens ziemlich ortstreu und nutzen Streifgebiete von etwa 20 bis gegen 1'400 ha, je nach Nahrungsangebot. Sie leben in kleineren (im Wald) oder größeren Gruppen (auf Grasland) mit häufig wechselnder Zusammensetzung. Hauptnahrung sind Gräser, es werden aber auch Kräuter, Farne und Zweige, gelegentlich auch Moose gefressen. Zur Nahrungsaufnahme werden auch die Hände zuhilfe genommen. Weibchen werden mit 18, Böcke mit 42 Monaten geschlechtsreif. Paarungen können während des ganzen Jahres vorkommen, hauptsächlich aber während des Frühlings und Sommers. Nach einer Trächtigkeit von 36 (33-45) Tagen wird ein einzelnes Junges geboren, das etwa 11 Monate im Beutel bleibt und mit etwa anderthalb Jahren entwöhnt wird. Anders als beim Roten Riesenkänguru werden die Weibchen nicht unmittelbar nach der Geburt wieder gedeckt und es gibt keine Keimruhe [2; 7; 9].

Gefährdung und Schutz

Die Bestände des Östlichen Grauen Riesenkängurus sind stabil, die Gesamtpopulation und das Verbreitungsgebiet sind groß. Die Art an sich ist deshalb nicht gefährdet (Rote Liste: LEAST CONCERN). Allerdings leiden die Bestände der tasmanischen Population unter der Lebensraumzerstörung durch die Agrarwirtschaft [7].

Der internationale Handel ist nicht durch CITES geregelt. Für lebende Tiere gelten Ausfuhrbeschränkungen Australiens.

Bedeutung für den Menschen

Östliche Graue Riesenkängurus gehören zu den Arten, die in Australien kommerziell genutzt werden und für die jährlich eine Abschussquote festgelegt wird. Im Jahr 2008 wurden in den Bundesstaaten Neu-Südwales und Queensland insgesamt 911'815 Tiere erlegt [1].

Haltung

In Australien werden Östliche Graue  Riesenkängurus häufig in begehbaren Anlagen gehalten, wo sie sich teilweise den Besuchern gegenüber vertraut zeigen, in manchen Zoos aber auch scheu sind [6]. In Europa sind die Zoos zurückhaltender und setzen für Kontaktgehege eher die kleineren Wallabies ein. In verschiedenen Zoos wird das Östliche Graue Riesenkängurus mit Bennettwallabies oder anderen kleineren Känguruarten, Emus und Wassergeflügel vergesellschaftet.

Kängurus sind sehr soziale Tiere und vertragen sich untereinander sehr gut, ausgenommen geschlechtsreife Böcke, die sich gegenseitig bekämpfen. Im Zoo wird deshalb oft nur ein fortpflanzungsfähiges Männchen in einer Gruppe gehalten und allfällige weitere werden kastriert.

Haltung in europäischen Zoos: Die Art wird in über 30 Zoos gehalten, von denen sich etwa ein Drittel im deutschsprachigen Raum befinden. Der Bestand in EAZA-Zoos wurde für 2021 mit 162 beziffert. Für Details siehe Zootierliste.

Das älteste bekannte Östliche Graue Riesenkänguru, ein Weibchen, wurde 1978 im Zoo Melbourne geboren und starb 2001 im Zoo Los Angeles im Alter von über 22 Jahren und 4 Monaten [8].

Wie Riesenkängurus gehalten werden (Beispiele):

Mindestanforderungen an Gehege: Das Säugetiergutachten 2014 des BMEL gibt für große Kängurus ein Innengehege vor, das für 5 Tiere eine Fläche von 30 m², für jedes weitere zusätzlich 4 m² aufweisen muss. Praxiserfahrung mehrerer Riesenkängurus haltender Zoos zeigt, dass eine Stallfläche von 4 m² pro Tier, wie sie z.B. die schweizerische Tierschutzverordnung vorschreibt, ausreichend ist. Darüber hinaus sind in klimatisch günstigen Regionen Deutschlands Östliche Graue Riesenkängurus weitgehend winterhart (die gemittelte Monats-Nachttemperatur liegt in Teilen des natürlichen Areals im Winter bei 0°C) und suchen die Stallungen nur kurzzeitig auf. Die natürliche Verbreitung der Grauen Riesenkängurus deckt sich im Übrigen auf Tasmanien mit jener des Bennettkängurus, für das kein Innenstall verlangt wird.

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für bis zu 5 Tiere ein Außengehege von 300 und ein Innengehege von 20 m² vor, für jedes weitere Tier kommen 30 bzw. 4 m² zur Basisflächen dazu.

Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) sind für bis zu 5 Tiere ein Außengehege von 500 und ein Innengehege von 25 m² erforderlich. Für jedes weitere Tier sind die Flächen um 50 bzw. 2.5 m² zu erweitern.

Nach JACKSON soll für 5 Tiere eine Gehegefläche von 340 m² nicht unterschritten werden [4].

Taxonomie und Nomenklatur

Das Östliche Graue Riesenkänguru wurde anhand eines Exemplars aus Queensland 1790 von George SHAW vom Britischen Museum unter seinem heute noch gültigen Namen beschrieben [9].

Noch in Grzimeks Tierleben [3] wurden die Östlichen und Westlichen Grauen Riesenkängurus als Unterarten derselben Art (Macropus giganteus) angesehen. Tatsächlich sind es gute Arten, wie Untersuchungen von KIRSCH & POOLE [5; 6] ergeben haben, deren Verbreitungsgebiete sich erheblich überlappen [2]. Die tasmanische Population wurde als Unterart Macropus giganteus tasmaniensis beschrieben, obwohl es keine größeren genetischen Unterschiede gibt [9].

Literatur und Internetquellen

  1. AUSTRALIAN GOVERNMENT - Commercial kangaroo harvest in 2008
  2. CURTIS, L. K. (2006)  
  3. GRZIMEK, B. (Hrsg. 1970)
  4. JACKSON, S. M. (2003)
  5. KIRSCH, J.A.W. & POOLE, W.E. (1967) 
  6. KIRSCH, J.A. W. & POOLE, W. E. (1972)
  7. MUNNY, P. et al. (2016). Macropus giganteus. The IUCN Red List of Threatened Species 2016: e.T41513A21952954. http://www.iucnredlist.org/details/41513/0. Downloaded on 15 June 2018.
  8. WEIGL, R. (2005)
  9. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)

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