Gibbons und Menschenaffen

Schlankgibbon

Schlankgibbon (Hylobatesgilis), Mann in der Mionkey World, Wareham Schlankgibbon (Hylobatesgilis), Mann in der Mionkey World, Wareham
© Klaus Rudloff, Berlin

Überordnung: EUARCHONTOGLIRES
Ordnung: Affen und Halbaffen (PRIMATES)
Unterordnung: Affen (Simiae / Haplorrhini)
Teilordnung: Eigentliche Affen (Simiiformes)
Überfamilie: Altwelt- oder Schmalnasenaffen (Catarrhini)
Familie: Gibbons (Hylobatidae)

D EN 650

Schlank- oder Schwarzhandgibbon, Ungka

Hylobates agilis / albibarbis • The Agile Gibbon • Le gibbon agile

Der Gibbon war das Zootier des Jahres 2019

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Schlankgibbonweibchen (Hylobates agilis) im Zoo Moskau © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

 

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Approximative Verbreitung des Schlankgibbons (Hylobates agilis); dunkelgrün: Borneo-Schlankgibbon (Hylobates (agilis) albibarbis)

 

 

 

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Schlankgibbonweibchen (Hylobates agilis) im Tamans Safari Indonesia II, Prigen © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

 

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Schlankgibbonweibchen (Hylobates agilis) im Tamans Safari Indonesia II, Prigen © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

 

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Schlankgibbonweibchen (Hylobates agilis), Mann im Zoo Płock © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

 

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Schlankgibbon (Hylobates agilis), Mann im Bristol Zoo © Julie Langford. Übernommen aus Wikimedia Commons unter der Creative Commons Attribution-Share Alike-Lizenz.

 

 

 

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Borneo-Schlankgibbon (Hylobates agilis albibarbis), Mann im Tanjung Puting-Nationalpark © Thomas Fuhrmann. Übernommen von Wikimedia Commos unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International-Lizenz.

 

 

 

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Borneo-Schlankgibbon (Hylobates agilis albibarbis), Mann im Tanjung Puting-Nationalpark © Thomas Fuhrmann. Übernommen von Wikimedia Commos unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International-Lizenz.

 

 

 

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Schlankgibbon (Hylobates agilis), Schädel in der Sammlung des Museums Wiesbaden © Klaus Rassinger und Gerhard Cammerer, Museum Wiesbaden. Veröffentlicht unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported-Lizenz

 

 

 

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Der auch Schwarzhand-, Weißbart- oder Ungka genannte Schlankgibbon ist eine in seiner Heimat stark gefährdete, in unseren Zoos nur selten gezeigte, mit dem Weißhandgibbon nahe verwandte Gibbonart. Wie jener ist er aufgrund seines Verhaltens beim Publikum sehr beliebt und daher ein idealer Botschafter für den Schutz seines Biotops, der zunehmend bedrohten Wälder Südostasiens und ihrer tierischen Bewohner.

Körperbau und Körperfunktionen

Wie alle Gibbons hat der Schlankgibbon keinen Schwanz und seine Arme sind viel länger als die Beine. Auch die Hände sind lang und ihr Daumen wurzelt nahe dem Handgelenk. Diese Besonderheiten ermöglichen den Tieren das Schwinghangeln (Brachiation) von Ast zu Ast, eine im Tierreich einmalige Lokomotionsart. Hinsichtlich Größe und Gewicht gibt es kaum einen Unterschied zwischen den Geschlechtern, als Gewicht werden 5-7.5 kg für männliche und 4.4-7.3 kg für weibliche Tiere angegeben. Beide Geschlechter haben weiße Augenbrauen, die Männchen zudem weiße Backenbärte. Der Schlankgibbon tritt in einer schwarzen und einer hellen Farbmorphe auf, innerhalb der es verschiedene Schattierungen gibt. Anders als beim nahe verwandten Hylobates lar sind die Oberseiten der Hände und Füße gleich oder dunkler behaart als das übrige Fell. Das leicht verlängerte Kopfhaar ist nach hinten gerichtet und verdeckt oft die schwarzen Ohren [1; 2; 3; 11].

Verbreitung

Südostasien: Indonesien (Kalimantan, Sumatra), Malaysia (Halbinsel) Thailand [4; 5].

Lebensraum und Lebensweise

Der Schlankgibbon besiedelt primäre Regenwälder, Sumpfwälder und teilweise laubabwerfende Monsunwälder bis in Höhenlagen von 1'200-1'400 m, wo er sich hauptsächlich im mittleren und oberen Kronendach aufhält. Er nutzt auch Sekundär- und selektiv eingeschlagene Wälder. Er ist tagaktiv, baumlebend und frisst hauptsächlich stark zuckerhaltige Früchte, ferner Blüten, junge Blätter  und gelegentlich Insekten [1; 11].

Schlankgibbons leben als monogame Paare, die mit ihren meist zwei zuletzt geborenen Nachkommen eine Familiengruppe bilden. Die Streifgebiete der Familien haben auf Borneo einen Umfang von etwa 28-47 ha, auf Sumatra von 22-über 50 ha. Der Besitzanspruch auf das Territorium wird durch laute, im Duett vorgetragene Gesänge kundgetan [1; 5; 7; 11].

Schlankgibbons werden mit etwa 8 Jahren geschlechtsreif. Nach 7-monatiger Tragzeit bringen die Weibchen einzelnes Junges zur Welt. Die Geburtsintervalle liegen im Mittel bei 2.5 Jahren, sie können aber deutlich kürzer oder länger sein, je nachdem ob das Jungtier aufwächst oder nicht. Auf Sumatra ist die Sterblichkeit relativ hoch. Das könnte darauf zurückzuführen sein,  dass der Schlankgibbon seinen Futterkonkurrenten, Siamang, Sumatra-Langur (Presbytis melalophos) und Südlicher Schweinsaffe, unterlegen ist [1; 8; 11].

Gefährdung und Schutz

Der Schlankgibbon galt seit 1996 als potenziell gefährdet (NEAR THREATENED) und wurde 2008  als stark gefährdete Tierart eingestuft (Rote Liste: ENDANGERED), da seine Waldlebensräume immer mehr zerstört werden, und die Bestände dadurch abnehmen. Eine zunehmende Bedrohung stellt auch die Jagd und der Fang von Jungtieren für den lokalen Heimtiermarkt dar. Eine 2015 (albibarbis) bzw. 2019 durchgeführte und 2020 veröffentlichte Überprüfung kam zum gleichen Ergebnis. Verläßliche Bestandszahlen existieren allerdings nicht [5; 7].

Der internationale Handel ist durch CITES-Anhang I eingeschränkt.

Bedeutung für den Menschen

Der Schlankgibbon wird zur Gewinnung von Fleisch bejagt, und Jungtiere werden für den lokalen Heimtiermarkt gefangen [5; 7].

Von 1977-2020 registrierten Indonesien, Malaysia und Thailand nebst wenig Wissenschaftsmaterial die Ausfuhr von 5 lebenden Wildfängen. Die letzte Ausfuhr erfolgte 1986. Im selben Zeitraum wurden weltweit Ausfuhrbescheinigungen für 46 Nachzuchttiere ausgestellt [4].

Haltung

Wie vielen Zoobesuchern von morgendlichen Rundgängen bekannt ist, singen Gibbons ausdauernd. Durch diese akustische Territoriumsmarkierung demonstrieren sie klar, dass sie sich im Zoo nicht als Gefangene, sondern als Besitzer ihres Geheges fühlen [1]. WEIGL gibt als Höchstalter mutmaßliche 49 Jahre an, erreicht von einem weiblichen Tier, das 43 Jahre im Zoo Lyon gehalten worden war [10].

Haltung in europäischen Zoos: Der eigentliche Schankgibbon wird in weniger als 10 Zoos gehalten, einer davon im deutschsprachigen Raum. Den Borneo-Schlankgibbon gibt es in Europa nicht mehr. In den 1960er-Jahren wurde er im Kölner Zoo gezeigt. Für Details siehe Zootierliste.

Es gibt kein Europäisches Erhaltungszuchtprogramm. Der Bestand in EAZA-Zoos hat seit dem Jahr 2000 kontinuierlich abgenommen und lag 2019 bei nur noch 13 Tieren. Die Taxon Advisory Group empfiehlt, Schlankgibbons durch andere Arten zu ersetzen [12].

Mindestanforderungen an Gehege: Im Säugetiergutachten 2014 des BMEL wird für die Haltung einer Gibbonfamilie ein Außengehege von 50 m² bei einer Höhe von 4 m und einer Länge von mindestens 9 m sowie ein Innengehege von 30 m² bei 3.50 m Höhe gefordert, das "länger als breit" sein soll. Dies ist eine Erhöhung des Raumangebots auf beinahe das Dreifache gegenüber dem Gutachten’96, für die es keine Begründung gibt. Die Tierschutzsachverständigen der Zoos schlugen im Differenzprotokoll vor, dass für eine Familiengruppe bis zu 4 Tieren ein Außengehege von 25 m² bei 3.50 m Höhe und für jedes weitere Tier 8 m² mehr Fläche angeboten werden sollte. Das Innengehege sollte die gleichen Dimensionen aufweisen, falls ein Zugang zum Außengehege über längere Zeit nicht möglich ist

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für 3 Gibbons ein Außen- und ein Innengehege mit einer Grundfläche von je 25 m² bei 3 m Höhe und für jedes weitere Tier 8 m² Fläche zusätzlich vor.

Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) muss die Haltung paarweise erfolgen und es ist für ein Paar mit Jungen ein Außengehege mit einer Grundfläche von 80 m² bei 5 m Höhe sowie ein Innengehege von 30 m² bei 3.50 m Höhe erforderlich.

Taxonomie und Nomenklatur

Der Schlank-, Schwarzhand-, Weißbartgibbon oder Ungka wurde 1821 von dem französischen Naturforscher und Direktor der Ménagerie von Paris, Georges-Frédéric CUVIER, unter seinem heute noch (bzw. wieder) gültigen Namen erstmals wissenschaftlich beschrieben, der Borneo-Schlankgibbon 1911 von dem amerikanischen Säugetierkundler Marcus Ward LYON Jr. als Hylobates mülleri albibarbis. Zeitweilig wurde agilis als Unterart von Hylobates lar betrachtet, und albibarbis als Unterart von Hylobates moloch. Danach galt albibarbis lange Zeit als Unterart von agilis und war deshalb im CITES Identification Manual nicht aufgeführt. 2001 wurde er, wie so viele andere Unterarten auch, von GROVES zu einer vollen Art befördert, was seitdem in der Roten Liste der IUCN übernommen wurde. Von agilis im engeren Sinn wurden zwei Unterarten beschrieben, diese sind heute aber nicht mehr anerkannt [3; 5; 6; 7; 9; 11].

An den Grenzen der natürlichen Areale hybridisieren die Schlankgibbons auf der Malaiischen Halbinsel mit Hylobates lar, auf Borneo mit Hylobates abbotti und Hylobates mülleri [5; 7; 11].

Literatur und Internetquellen

  1. ANIMAL DIVERSITY WEB
  2. BERGER, G. & TYLINEK, E. (1984)
  3. CITES IDENTIFICATION MANUAL
  4. CITES TRADE DATA BASE
  5. GEISSMANN, T., NIJMAN, V., BOONRATANA, R. et al. (2020). Hylobates agilis. The IUCN Red List of Threatened Species 2020: e.T10543A17967655. https://www.iucnredlist.org/species/10543/17967655. Accessed on 14 February 2022.
  6. GROVES, C. (2001)
  7. MARSHALL, A.J., NIJMAN, V. & CHEYNE, S. 2020. Hylobates albibarbis. The IUCN Red List of Threatened Species 2020: e.T39879A17967053. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2020-2.RLTS.T39879A17967053.en. Accessed on 14 February 2022.
  8. O'BRIEN, T. G. & KINNAIRD, M. F. (2011)
  9. PUSCHMANN, W., ZSCHEILE, D., & ZSCHEILE, K. (2009)
  10. WEIGL, R. (2005)
  11. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
  12. LEFAUX, B. et al. (eds., 2020) EAZA Regional Collection Plan for Gibbon species - February 2020. Amsterdam.

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