Schlangenhals-Schildkröten

Fransenschildkröte

Fransenschildkröte oder Mata-Mata (Chelus fimbriatus) in der Wilhelma Stuttgart Fransenschildkröte oder Mata-Mata (Chelus fimbriatus) in der Wilhelma Stuttgart
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern

Ordnung: Schildkröten (TESTUDINATA)
Unterordnung: Halswenderschildkröten (PLEURODIRA)
Familie: Schlangenhalsschildkröten (Chelidae)

D NB 650

Fransenschildkröte, Mata-Mata

Chelus fimbriata • The Mata Mata • La matamata

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Fransenschildkröte (Chelus fimbriata) im Zoo Bojnice © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

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Approximative Verbreitung der Matamata (Chelus fimbriata)

 

 

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Fransenschildkröte (Chelus fimbriata) im Zoo Bojnice © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

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Fransenschildkröte (Chelus fimbriata) aus Brehms Thierleben (1882-1887)

 

 

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Die Fransenschildkröte weist ein absonderliches Aussehen auf: Nicht nur ist ihr Carapax höckerig wie bei der Geier- oder den Alligatorschildkröten, sondern auch ihre Weichteile sind derart mit Anhängseln besetzt, dass es zu einer optischen Auflösung des Körpers kommt.

Körperbau und Körperfunktionen

Der flache, bei männlichen Tieren bis etwa 40 cm, bei weiblichen bis 52 cm lange, dunkelbraune bis graubraune Carapax der Mata-Mata weist drei Reihen höckeriger Kiele auf. Die einzelnen Schilder sind rau und mit starken Furchen versehen, die Panzerränder sind leicht aufgekrümmt. Das grünlich-gelbe Plastron ist sehr schmal. Kopf und Hals sind länger als der flache Rückenpanzer. Der Kopf ist dreieckig und sehr flach. Die Augen sind winzig, die Nase läuft in einen schmalen Rüssel aus, das Maul ist sehr groß. Kopf und Hals sind mit Barteln, Hautlappen und fransenartigen Anhängseln versehen. Der Schwanz ist sehr kurz. Die Vorderbeine haben 5, die hinteren 4 Zehen mit Krallen und gut entwickelten Schwimmhäuten. Insgesamt sind die Konturen der Gestalt derart, dass es zu einer optischen Auflösung des Körpers kommt und das reglos im Wasser liegende Tier einem knorrigen Baumstrunk gleicht [2; 3; 4].

Berichte über "eine Gesammtlänge von 1.3 nach DUMERIL sogar 2.2 Metern", die von BREHM kolportiert werden, gehören ins Reich der Fabeln [1].

Verbreitung

Tropisches Südamerika hauptsächlich im Einzugsgebiet von Amazonas und Orinoko: Nord-Bolivien (Beni, Pando, Santa Cruz), Brasilien (Amapá, Amazonas, Goiás, Mato Grosso, Pará, Rondônia, Roraima, Tocantins), Ekuador, Französisch Guiana, Guyana, Ost-Kolumbien (Amazonas, Arauca, Caquetá, Casanare, Guainía, Meta, Putumayo, Vaupés, Vichada), Peru (Loreto, Ucayali), Surinam, Trinidad und Tobago, Süd-Venezuela (Amazonas, Anzoátegui, Apure, Barinas, Bolívar, Cojedes, Delta Amacuro, Guárico, Monagas, Sucre, ev. Zulia) [4; 6; 7].

Lebensraum und Lebensweise

Tagsüber halten sich die Fransenschildkröten an schattigen Stellen im Flachwasser auf, wo sie sich im Bodenschlamm eingraben und von Zeit zu Zeit den langen Hals recken, um an der Oberfläche Luft zu holen. Mit der Dämmerung gehen sie in tieferes Wasser, wo sie auf Beute, vorzugsweise Fische, lauern. Kommt ein Fisch in die Nähe, reißen sie das Maul auf und blähen gleichzeitig den Hals auf. Dadurch wird der Fisch in das Maul gesogen. Nachdem das aufgenommene Wasser ausgestossen wurde, wird der Fisch abgeschluckt. Die Mata-Mata fängt auch Frösche, Kaulquappen und kleine Wasservögel. In ihrem natürlichen Areal erfolgt die Eiablage im November/Dezember. Die Gelege bestehen aus 8-30 Eiern [5].

Gefährdung und Schutz

Die Art ist in der Roten Liste der IUCN nicht aufgeführt. In Kolumbien gilt sie als potenziell gefährdet [4].

Der internationale Handel fällt seit dem 23. Februar 2023 unter CITES-Anhang II.

Bedeutung für den Menschen

In der Vergangenheit soll dasFleisch der Fransenschildkröte trotz ihres üblen Geruchs stellenweise bei der einheimischen Bevölkerung begehrt gewesen sein. Heute werden ihr andere Schildkrötenarten vorgezogen. In relativ geringem Umfang gelangt die Art auch auf den internationalen Heimtiermarkt [4]. In den USA werden ca. 10 cm lange Individuen für rund 300 USD angeboten [online-Inserate 2017].

Haltung im Zoo

Im Sinne einer guten Haltungspraxis wird empfohlen, dass ein Behälter für 1 männliches und 2-3 weibliche Tiere mindestens dem 6x3-fachen der Carapaxlänge und die Wassertiefe dem 2-bis 3-fachen der Carapaxbreite entsprechen soll. Der Wasserteil soll den größeren Teil der Fläche ausmachen. Das Wasser sollte 25-28ºC warm sein. Eine Überwinterung entfällt [5].

Zoopädagogik: Wegen ihrer kryptischen Gestalt, ihrer Jagdtechnik und weil sie sich als Halswender deutlich von den bekannteren Mittelmeer- oder Schmuckschildkröten unterscheidet, ist die Art von Interesse.

Haltung in europäischen Zoos: Die Art wird in über 70 Institutionen gehalten, von denen sich rund ein Sechstel im deutschsprachigen Raum befinden. Für Details siehe Zootierliste.

Reptiliengutachten 1997 des BMELF soll ein Behälter für eine Kleingruppe mindestens 3x so lang und 1.5X so breit sein wie die Carapaxlänge. Der Wasserstand soll das Doppelte der Carapaxbreite betragen. Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für 1-2 Tiere ein Gehege mit einem Landteil vor, der das 2x2-fache, und einem Wasserteil, der das 5x3-fache der Carapaxlänge misst. Für jedes weitere Tier kommen beim Wasserteil das 2x2-fache der Carapaxlänge dazu. Die Wassertiefe muss der doppelten Carapaxlänge entsprechen. In der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) ist die Art nicht erwähnt.

Taxonomie und Nomenklatur

Die Matamata wurde 1783 vom sächsischen Naturforscher Johann Gottlob Theaenus SCHNEIDER beschrieben und hat es im 18. und 19. Jahrhundert auf eine beachtliche Anzahl von Synonymen gebracht: Testudo terrestris, Testudo fimbriata,  Chelys fimbriata, Matamata fimbriata, Testudo fimbria, Testudo matamata, Emydes matamata, Chelus matamata, Chelys matamata, Testudo bispinosa, Chelys bispinosa, Matamata bispinosa, Chelys boulengerii. Im 20. Jahrhundert stritten sich die Taxonomen nur noch darum, ob es Chelus fimbriatus oder Chelus fimbriata heißen müsse. Letzteres ist richtig, denn die aus dem Griechischen stammende Bezeichnung χέλυς ist weiblich [6; 7]. Fransenschildkröten aus dem Amazonas- und dem Orinokogebiet sind morphologisch verschieden, wurden jedoch nicht als Unterarten beschrieben [4].

Literatur und Internetquellen

  1. BREHM, A. E. (1882-1987)
  2. NIETZKE, G. (1969)
  3. OBST, F. J. (1985)
  4. PRITCHARD, P. C. H. (2008)
  5. ROGNER, M. (2008)
  6. THE REPTILE DATA BASE
  7. TURTLE TAXONOMY WORKING GROUP (2014)

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Gelesen 14875 mal Letzte Änderung am Sonntag, 30 Juli 2023 15:10
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern hyperworx