Hirsche, Hirschferkel und Moschustiere

Grosskantschil

Großkantschil (Tragulus napu) im Zoo Moskau Großkantschil (Tragulus napu) im Zoo Moskau
© Klaus Rudloff, Berlin

Überordnung: LAURASIATHERiA
Taxon ohne Rang: CETARTIODACTYLA
Ordnung: Paarzeher (ARTIODACTYLA)
Unterordnung: Wiederkäuer (Ruminantia)
Familie: Hirschferkel (Tragulidae)

D LC 650

Großkantschil

Tragulus napu • The Greater Mouse-deerLe chevrotain napu

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Portait eries Großkantschils(Tragulus napu) © Brian Gratwicke. Übernommen aus Wikimedia Commons unter der Creative Commons Attribution 2.5 Generic-Lizenz

 

 

 

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Approximative Verbreitung des Großkantschils (Tragulus napu). Rot: Tragulus nigricans; dunkelgrün: Tragulus versicolor

 

 

 

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Großkantschil (Tragulus napu) im Bronx Zoo, New York © Wolfgang Dreier, Berlin

 

 

 

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Großkantschil (Tragulus napu) im Central Park Zoo, New York © Wolfgang Dreier, Berlin

 

 

 

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Großkantschile (Tragulus napu) im Zoo Singapur © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

 

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Großkantschile (Tragulus napu) im Zoo Singapur © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

 

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Großkantschil-Schädel (Tragulus napu). Illustration aus SMIT-van DORT, M. (1989). Skin, skull and skeleton characters of mouse deer (Mammalia, Tragulidae), with keys to the species. Bull. Zoöl. Mus. Amsterdam 12 (5): 91

 

 

 

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Großkantschile werden mit Ausnahme Russlands in Europa seit Jahrzehnten nicht mehr gehalten.

Körperbau und Körperfunktionen

Großkantschile erreichen eine Kopf-Rumpflänge von 42-68(-75) cm, eine Schwanzlänge von 8-10 cm, eine Körperhöhe von 30-35 cm und ein Gewicht von 3.5-4.5 (5-8) kg. Der Großkantschil ist ein typischer Schlüpfer mit spitz zulaufendem Kopf, dünnen Beinen und rundlichem, hinten überbautem Körper. Es ist ein schwarzer Nasenspiegel vorhanden und die anschließenden Nasenbereiche sind ebenfalls unbehaart und schwarz. Die Augen sind groß, die Ohren kurz und die oberen Eckzähne vor allem bei den Männchen hauerartig vergrößert. Beide Geschlechter haben eine Kinndrüse zum Markieren. Die Fellfarbe ist oberseits orangenbraun, auf dem Körper schwarz gesprenkelt; die Unterseite und die Beine sind heller [1; 6].

Verbreitung

Südostasien: Brunei Darussalam, Indonesien (Kalimantan, Sumatra), Malaysia (Halbinsel, Sabah, Sarawak), Myanmar, Singapur, Thailand [4].

Lebensraum und Lebensweise

Der Großkantschil besiedelt Primär. und Sekundärwälder des Tieflands und der Hügelzone, auf Borneo geht es bis auf eine Höhe von 1'000 m. Es wurde festgestellt, dass im Primärwald ein Tier ein Streifgebiet von 7 ha, im Sekundärwald von 19 ha hat. Grosskantschile sind sowohl tagsüber wie nachts aktiv. Meist werden sie einzeln angetroffen. Die Ernährung besteht hauptsächlich aus Früchten und Blüten. Vermutlich werden auch kleine Wirbeltiere getötet und gefressen. Es gibt keine feste Fortpflanzungsperiode. Nach einer Tragzeit von 152-155 Tagen wird ein einzelnes Kitz geboren, seltener zwei. Die Jungen werden 2-3 Monate gesäugt und sind breits mit 4.5 Monaten geschlechtsreif [4; 6].

Gefährdung und Schutz

Der Großkantschil hat eine weite Verbreitung und ist gebietsweise häufig. Auf Pulau Tioman erreicht es eine Dichte von 312 Tieren / 100 ha, auf Borneo im Primärwald bis zu 72 Tieren / 100 ha. Es wurde daher aufgrund einer Beurteilung aus dem Jahr 2014 als nicht-gefährdet eingestuft [4].

Der internationale Handel ist durch CITES nicht geregelt.

Bedeutung für den Menschen

Grosskantschile werden von der einheimischen Bevölkerung zur Fleischgewinnung gejagt bzw. mit Schlingen gefangen [4].

Haltung

Als Höchstalter werden von WEIGL 16 Jahre und 4 Monate bzw. 16 Jahre und 8 Monate angegeben, erreicht von 1.1. Nachzuchttieren des New Yorker Bronx-Zoos [5].

Haltung in europäischen Zoos: Großkantschile wurden in den 1830er-Jahren zum ersten Mal in England gezüchtet. Sie wurden später in ein paar Zoos gehalten, waren aber immer selten. Gegenwärtig (2023) halten nur russische Zoos welche. Im deutschprschigen Raum gab es sie nach Zootierliste einzig im 1931 geschlossenen alten Hamburger Zoo.

Mindestanforderungen an Gehege: Das Säugetiergutachten 2014 des BMEL gibt für zwei Kantschile ein Außengehege von mindestens 20 m² und ein Innengehege von 6 m² vor. Für jedes weitere Tier sind die Flächen außen und innen um jeweils 2 m² zu erweitern. Das Gutachten beschreibt die Kantschile als dämmerungs- und nachtaktiv. Das ist falsch. Richtig ist, dass sie  ein polyphasisches Aktivitätsmuster haben. Nachdem sie das Gutachten auch als „ kälte- und zugempfindlich und nicht akklimatisierbar“ charakterisiert, macht es wenig Sinn, dass ein Außengehege vorgegeben wird. Das Raumangebot scheint ohnehin von untergeordneter Bedeutung zu sein [2].

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für bis zu 2 Tieren ein Außengehege mit einer Fläche von 20 m² und ein Innengehege von 6 m² vor. Für jedes weitere Tier kommen innen 2 m² zur Basisfläche hinzu, eine entsprechende Angabe für das Außengehege fehlt. In der Vorgängerverordnung war kein Außengehege vorgesehen und in der Praxis werden in der Schweiz alle (Klein-)Kantschile in naturnah ausgestatteten Innengehegen gehalten

Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) müssen die Tiere paarweise oder in kleinen Familiengruppen gehalten werden. Für 2 Tiere ist ein Innengehege von 30 m² erforderlich, für jedes weitere 3 m² mehr. Die Temperatur muss mindestens 18ºC betragen.

 Taxonomie und Nomenklatur

Der Großkantschil wurde 1822 von dem im damals noch württembergischen Mömpelgard (Montbéliard) geborenen, französischen Naturforscher und Direktor der Ménagerie von Paris, Georges-Frédéric CUVIER unter dem Namen Moschus napu erstmals wissenschaftlich beschrieben. Später wurde auf ihn die Bezeichnung Tragulus javanicus angewendet. Da kein Typusmaterial vorhanden war, aber Großkantschile auf Java gar nicht vorkommen, wurde geschlossen, dass sich javanicus auf den Keinkantschil beziehen müsse. In der Folge wurde der Großkantschil Tragulus napu (F. CUVIER, 1822) genannt. Die Formen nigricans und versicolor galten bis vor Kurzem als Unterarten von T. napu. Entsprechend dem allgemeinen Trend zur Abschaffung der Unterarten wurde 2004 vorgeschlagen, sie als eigene Arten anzusehen, was sich seitdem durchgesetzt hat [3; 4; 6].

Literatur und Internetquellen

  1. GRZIMEK, B. (Hrsg. 1970)
  2. SEMRAU, A., VERSTAPPEN, F., WOLTERS, M., SZÁNTHO & HOYER, M. (2010)
  3. MEIJAARD; E. & GROVES, C. P. (2004)
  4. TIMMINS, R. & DUCKWORTH, J.W. (2015). Tragulus napu. The IUCN Red List of Threatened Species 2015: e.T41781A61978315. http://www.iucnredlist.org/details/41781/0 . Downloaded on 17 April 2018.
  5. WEIGL, R. (2005)
  6. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)

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Gelesen 12959 mal Letzte Änderung am Donnerstag, 23 Februar 2023 16:13
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern hyperworx