Hasen und Nagetiere

Hasenartige - Allgemeines

Kaphase (Lepus capensis) im Maria Moroka-Wildschutzgebiet, Thaba’Nchu, Oranje Freistaat, Südafrika Kaphase (Lepus capensis) im Maria Moroka-Wildschutzgebiet, Thaba’Nchu, Oranje Freistaat, Südafrika
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern

Klasse: Säugetiere (MAMMALIA)
Unterklasse: Höhere Säugetiere (EUTHERIA)

Überordnung: EUARCHONTOGLIRES
Klade: Hasen- und Nagetiere (GLIRES)
Ordnung:

Hasen

Lagomorpha • The Lagomorphs • Les lagomorphes

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„Geripp des Hasen“ aus BREHMs Thierleben (1882-1887) (= Lepus europaeus). Beim vergrößert dargestellten Gebiss sind die hinter den oberen Schneidezähnen sitzenden Stiftzähne zu erkennen.

 

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Kalifornischer Eselhase (Lepus californicus) im Imperial-Wildschutzgebiet, Arizona/Kalifornien. Bild US Fish and Wildlife Service

 

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Schneehase (Lepus timidus) im Winterkleid im Voroby-Vogelpark, Russland © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Freilebendes Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus) im Zoo von Edinburgh © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Rand-Wollschwanzhase (Pronolagus randensis) bei Twyfelfontein, Namibia © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Neu-England-Baumwollschwanzkaninchen (Sylvilagus transitionalis) im Crescent Beach State Park, Maine, USA. Bild US Fish and Wildlife Service North East

 

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Nachzucht des Alpenschneehasen (Lepus timidus varronis) im Tierpark Bern © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Skelett eines Sardischen Pfeifhasen (Prolagus sardus) im Museo speleologico-archeologico von Nùoro. Quelle: www.lamiasardegna.it. 1774 wurde letztmals ein lebendes Tier dieser Art beobachtet.

 

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Rekonstruktionsversuch des Sardischen Pfeifhasen (Prolagus sardus) im Zoo von Chleby

 

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Roter Pfeifhase (Ochotona rutila) in der Nähe Almaty-Stausees, Kasachstan © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Die Hasentiere, also Hasen, Kaninchen und die kurzohrigen Pfeifhasen werden von vielen Zoobesuchern und Tierfreunden als Nagetieren angesehen. Sie weisen gewisse Ähnlichkeiten mit den Nagern auf, haben sich aber unabhängig von jenen entwickelt, sind daher eine eigenständige Ordnung und gelten heute als Schwestertaxon der Nagetiere.

Artenspektrum und innere Systematik

Die Hasentiere umfassen heute noch zwei Familien: die eigentlichen Hasenartigen (Leporidae) mit 11 Gattungen und 61-66 Arten und die Pfeifhasen (Ochotonidae) mit einer Gattung und 29 oder 30 Arten. Der letzte Vertreter einer dritten Familie (Prolagidae), der Sardische Pfeifhase (Prolagus sardus), der auf Sardinia, Korsika und umliegenden Inseln vorkam, ist im 18. Jahrhundert ausgestorben. Man nimmt an, dass dies wegen nicht nachhaltiger Bejagung, Lebensraumverlust, der Konkurrenz bzw. Prädation durch Neozoen und eventuell als Folge von mit eingeführten Feldhasen und Wildkaninchen eingeschleppten Krankheiten der Fall war [4]. Von den insgesamt 95 nach Roter Liste noch lebenden Arten gelten 63 als nicht gefährdet (LEAST CONCERN) , 2 als potenziell gefährdet (NEAR THREATENED), 8 als gefährdet (VULNERABLE), 14 als stark gefährdet (ENDANGERED) und 2 als unmittelbar vom Aussterben bedroht (CRITICALLY ENDANGERED). 6 Arten konnten wegen ungenügender Daten nicht eingestuft werden [4; 7; 8].

Körperbau und Körperfunktionen

Die Hasentiere sind kleine oder eher kleine Säugetiere mit einem Körpergewicht von maximal 7 kg. Sie haben relativ große, seitlich liegende Augen, die eine Rundumsicht erlauben, mittellange bis sehr lange, bewegliche Ohren und eine gespaltene Oberlippe, von der sich der Begriff „Hasenscharte“ ableitet. Ihre Nüstern sind von einer Fellfalte bedeckt, die rhythmisch zurückgezogen wird. Ihr Gehirn ist einfach gebaut, ihr Gehör gut entwickelt. Ihr Fell ist dicht und besteht aus Woll- und Grannenhaaren. Der Schwanz ist kurz oder äußerlich nicht sichtbar, ihre Hinterbeine sind länger als die Vorderbeine, Schien- und Wadenbein sind distal verwachsen, Ellbogen- und Kniegelenk sind nicht zur Rotation befähigt. Hasen sind normalerweise Sohlengänger, ihre Fußsohlen sind behaart [1; 9].

Die Hasentiere sind Pflanzenfresser. Sie haben einen einfachen Magen und gut entwickelte Blinddärme. Sie produzieren zwei Arten von Kot, harten und weichen. Der weiche Blinddarmkot enthält große Mengen an Nährstoffen und wird von den Tieren direkt ab Quelle wieder gefressen, was man als Coecotrophie bezeichnet. Die Coecotrophie ermöglicht den Hasen, die verfügbare Nahrung effizienter aufzuschließen und so auch in Lebensräumen mit schlechter Nahrungs- bzw. Nährstoffverfügbarkeit zu leben. Die Gebärmutter der Weibchen ist doppelt angelegt (Uterus duplex), die Hoden sind bauchständig mit periodischem Descensus in die Cremastersäcke [1; 9].

Die Familie der eigentlichen Hasenartigen besteht aus den Hasen der artenreichen Gattung Lepus sowie Kaninchen, die verschiedenen Gattungen angehören. Die Tiere  haben eine Kopf-Rumpflänge von 25 bis 70 cm und ein Gewicht von 400-7000 g. Ihre Ohren sind lang bis sehr lang, der Schwanz ist kurz und wollig behaart. Die Hinterbeine sind wesentlich länger als die Vorderbeine, an jedem Fuß befinden sich fünf Zehen, wobei der Daumen reduziert sein kann. Hasen und Kaninchen sind überwiegend dämmerungs- und nachtaktiv. Sie leben teils in Erdbauen und ihre Jungen sind je nach Art Nesthocker oder Nestflüchter [1].

Bei den Pfeifhasen variiert die Kopf-Rumpflänge von 12 bis 25 cm und das Gewicht von 100-400 g. Sie  haben ein gedrungenes, eher meerschweinchenartiges Aussehen. Im Vergleich zu den Hasen sind ihre abgerundeten Ohren kürzer, die Hinterbeine weniger stark verlängert und der Schwanz ist äußerlich nicht sichtbar. Sie sind meist tagaktiv und nutzen Felsspalten oder selbstgegrabene Höhlen als Versteck, Ruhestätte, Lager für Wintervorräte und für die Aufzucht der Jungen, welche Nesthocker sind [1; 3].

Verbreitung

Mit Ausnahme von Australien (wo Feldhasen und Wildkaninchen eingeführt wurden) und der Antarktis kommen die eigentlichen Hasen natürlicherweise auf allen Kontinenten vor. Von den Pfeifhasen gibt es zwei Arten in Nordamerika (Ochotona collaris und O. princeps), alle übrigen sind auf Eurasien beschränkt, wobei drei davon (O. hyperborea, O. pusilla und O. rufescens) marginal in Europa vorkommen.

Haltung im Zoo

Es gibt kaum einen Streichelzoo oder Kinder-Bauernhof, der ohne Hauskaninchen auskommt. In manchen Zoos werden Hauskaninchen auch hinter den Kulissen als Futtertiere gezüchtet. Ansonsten beschränkt sich die Haltung in europäischen Zoos zumeist auf die einheimischen Arten, wobei insgesamt nur etwa 70 Zoos Hasen oder Wildkaninchen halten. Gründe dafür dürften sein, dass sich in tiergerecht gestalteten Gehegen die Tiere wohl züchten lassen, sie sich aber oft verstecken und somit für das Publikum schlecht sichtbar sind, und dass als Erwachsene der Natur entnommene Individuen schreckhaft bleiben.

Obwohl Pfeifhasen gelegentlich als Labortiere gehalten werden, wurden sie in der Vergangenheit im EU/EFTA-Raum nur selten in Zoos  gehalten und fehlten zeitweilig ganz. Heute (2023) ist eine Art im Tierpark Berlin vertreten und wird dort auch nachgezogen [5; 10].

Taxonomie und Nomenklatur

Ursprünglich wurden die Hasen als Unterordnung Duplicidentata zu den Nagetieren gestellt. Erst ab 1912 wurden sie als eigene Ordnung anerkannt [2; 6]. In seinem grundlegenden Werk über die Taxonomie der Säugetiere fasste der amerikanische Palaeontologe und Zoologe George Gaylord SIMPSON 1945 die beiden Ordnungen in der Kohorte oder Überordnung Glires zusammen [6]. Später wurden die offensichtlichen Ähnlichkeiten auf Konvergenz zurückgeführt und eine nähere Verwandtschaft zu den Nagern ausgeschlossen [9]. Heute werden die Hasen und Nagetiere wieder als Schwestertaxa mit gemeinsamen Vorfahren angesehen [8], die als „Klade“ oder „Taxon ohne Rang“ zusammengefasst werden, weil der Begriff Überordnung durch die Molekularbiologen besetzt wurde, welche die beiden Ordnungen mit den Riesengleitern (Dermoptera), Spitzhörnchen und Primaten zur Überordnung Euarchontoglires vereinigten [7].

Literatur und Internetquellen

  1. ANGERMANN, R. In GRZIMEK, B. (Hrsg. 1970)
  2. CHAPMAN, J. A. & FLUX, J. E. C. (1990)
  3. GRIMMBERGER, E. & RUDLOFF, K. (2009)
  4. IUCN Red List of Threatened Species. Version 2022-2. Downloaded on 6 January 2023.
  5. PUSCHMANN, W., ZSCHEILE, D., & ZSCHEILE, K. (2009)
  6. SIMPSON, G. G. (1945)
  7. WILSON, D. E. et al. eds. (2016)
  8. WILSON, D. E. & REEDER, D. M. (2005)
  9. ZISWILER, V. (1976)
  10. ZOOTIERLISTE

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Gelesen 16019 mal Letzte Änderung am Montag, 20 Februar 2023 14:59
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