Kapuzinerartige Neuweltaffen

Graubein-Nachtaffe

Graubein-Nachtaffe (Aotus lemurinus griseimembra) im Zoo Dortmund Graubein-Nachtaffe (Aotus lemurinus griseimembra) im Zoo Dortmund
© Kettner, Dortmund

Überordnung: EUARCHONTOGLIRES
Ordnung: Affen und Halbaffen (PRIMATES)
Unterordnung: Affen (Simiae / Haplorrhini)
Teilordnung: Eigentliche Affen (Simiiformes)
Überfamilie: Neuwelt- oder Breitnasenaffen (Platyrrhini)
Familie: Kapuzineraffen (Cebidae)
Unterfamilie: Nachtaffen (Aotinae)

D VU 650

EEP

Graubein-Nachtaffe, Kolumbianischer Nachtaffe

Aotus (lemurinus) griseimembra • The Grey-bellied Night Monkey • Le douroucouli à pattes grises

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Graubein-Nachtaffen-Paar (Aotus (lemurinus) griseimembra) im Zoo Frankfurt © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

 

 

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Approximative Verbreitung von Rotkehl-Nachtaffe (Aotus azarae - dunkelblau) und Graubein-Nachtaffe (Aotus lemurinus - rot)

 

 

 

 

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Graubein-Nachtaffe (Aotus (lemurinus) griseimembra) im Zoo Posen © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

 

 

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Graubein-Nachtaffen-Paar (Aotus (lemurinus) griseimembra) mit Jungtier im Zoo Frankfurt © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

 

 

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Graubein-Nachtaffen-Paar (Aotus (lemurinus) griseimembra) mit Jungtier im Zoo Frankfurt © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

 

 

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Bolivianische Rotkehl--Nachtaffen (Aotus azarae boliviensis) im Zoo Berlin © Carlos Frey, Berlin

 

 

 

 

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Graubein-Nachtaffe (Aotus (lemurinus) griseimembra) im Zoo Posen © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

 

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Der Graubeinnachtaffe kann nur in einem Nachttierhaus vernünftig präsentiert werden, was die Zahl der Einrichtungen, die ihn halten, stark einschränkt. Da es sich um eine im Freiland gefährdete Art handelt, wird seine Haltung durch ein Erhaltungszuchtprogramm unterstützt, und die Zahl der Zoos, wo er zu sehen ist, hat in den letzten Jahren etwas zugenommen.

Körperbau und Körperfunktionen

Nachtaffen sind kleine Neuweltaffen. Graubein-Nachtaffen sind etwa gleich groß wie Rotkehlnachtaffen, das Gewicht soll aber mit Mittelwerten von 920-950 g etwas tiefer sein. Der Chromosomensatz umfasst 52-54 Paare. Die Augen sind groß, die Ohren klein. Der Daumen ist nur ansatzweise opponierbar. Die Hinterbeine sind verlängert, was das Springen von Ast zu Ast erleichtert. An der vierten Zehe befindet sich ein krallenähnlich geformter Nagel. Der lange, buschige Schwanz ist nicht greiffähig. Das Fell ist weich und dicht aber deutlich kürzer als bei der Gebirgsform A. (lemurinus) lemurinus. Halsseiten und Halsunterseite sind grau oder graugelb, der Bauch und die Beininnenseiten fahl gelborange gefärbt. Der Rücken ist graubraun, bisweilen ist ein Aalstrich vorhanden. Der hintere Teil des Schwanzes ist oft schwarz. Das Gesicht ist auffällig schwarz und weiß gezeichnet [7].

Verbreitung

Tropisches Südamerika: Ekuador, Kolumbien, Venezuela [4].

Lebensraum und Lebensweise

Der Graubein-Nachtaffe besiedelt primäre Regenwälder und Sekundärwälder des Tieflands und wurde auch schon in Kaffee-Plantagen angetroffen. Die Tiere sind dämmerungs- und nachaktive Fruchtfresser, die aber auch Nektar, Blüten, Blätter, Pilze und Insekten zu sich nehmen. Sie bilden kleine Gruppen, die, in Analogie zu anderen Arte, aus einem monogamen Paar und 1-4 Nachkommen unterschiedlichen Alters bestehen dürften. In Nordkolumbien wurden Dichten bis zu 150 Tieren / 100 ha festgestellt [9].

Zur Fortpflanzung im Freiland gibt es keine Angaben. Bei gehaltenen Tieren wurden keine spezifische Fortpflanzungsperiode, eine Tragzeit von 133 Tagen und Geburtsintervalle von rund 240-250 Tagen ermittelt. Die Jungtiere verklammern sich anfangs seitlich am weichen Bauchfell der Mutter. Doch schon nach wenigen Tagen übernimmt der Vater die Hauptverantwortung für das Kleine, um es zu tragen und nur noch zum Säugen der Mutter zu übergeben. Auch ältere Geschwister kümmern sich um das Junge, allerdings mit geringerer Häufigkeit [2; 3; 9].

Gefährdung und Schutz

Der Graubein-Nachtaffe wird seit 2008 in der Roten Liste als gefährdet aufgeführt, da die Bestände stark unter der Veränderung und Zerstörung des Lebensraums leiden. Unter anderem werden viele Wälder, meist illegal, in Agrarflächen umgewandelt. Auch Konflikte in der Bevölkerung führen zu Störungen in den Beständen. Mittlerweile hat der globale Bestand um mehr als 30 % über die letzten drei Generationen (ca 24 Jahre) abgenommen (Rote Liste: VULNERABLE) [4].

Der internationale Handel ist nach CITES-Anhang II geregelt.

Bedeutung für den Menschen

Der Graubein-Nachtaffe wurde in den 1960-70er Jahren häufig als Versuchstier für die biomedizinische Forschung exportiert [4]. Von 1977 bis 2017 wurde aus den Ursprungsländern nur die Ausfuhr von Wissenschaftsmaterial sowie von 109 als Aotus trivirgatus deklarierten lebenden Wildfängen aus Kolumbien registriert. Von 1997-2017 wurden weltweit 45 als Aotus lemurinus bezeichnete Nachzuchttiere grenzüberschreitend abgegeben. Wichtigstes Exportland war die Schweiz. Unter den 420 von 1982-1996 als trivirgatus registrierten Nachzuchttieren dürften sich weitere griseimembra befunden haben [1].

Haltung

Als ältestes bekanntes Tier gibt WEIGL einen ursprünglich als Versuchstier eingeführten Wildfang an, der im Papiliorama Kerzers im Alter von über 33 Jahren und 9 Monaten starb [8].

In manchen Zoos (z.B. Dortmund, Gossau, Kerzers) wurden Graubein-Nachtaffen mit anderen Tieren vergesellschaftet, darunter Faultiere, Große Ameisenbären, Greifstachler, Opossums und Fledermäuse [10].

Haltung in europäischen Zoos: Die Art wird in rund zwei Dutzend Zoos gehalten, von denen sich ein paar im deutschsprachigen Raum befinden. Für Details siehe Zootierliste.

Das seit 2007 bestehende  Europäische Zuchtbuch (ESB) wurde zuletzt am Papiliorama Kerzers geführt und das daraus entstandene, seit 2017 bestehende Erhaltungszuchtprogramm (EEP) wird von diesem koordiniert.

Mindestanforderungen an Gehege: Im Säugetiergutachten 2014 des BMEL wird für die Haltung eines Paars oder einer Familiengruppe mit bis zu 5 erwachsenen Tieren ein Innengehege von 15 m² / 45 m³ gefordert und für jedes zusätzliche erwachsene Tier 2 m² / 6 m³ mehr. Dies ist beinahe eine Vervierfachung des Raumangebots gegenüber dem Gutachten’96, das 6 m² / 12 m³ vorsah. Die neue Anforderung ist aber weder durch konkrete wissenschaftliche Daten noch durch Tierhaltererfahrung erhärtet.

Die Vorgabe, des Säugetiergutachtens 2014 des BMEL, dass bei der Haltung in Nachttierhäusern in der Nachtphase die Beleuchtungsstärke unter  0,3 Lux ist nicht praktikabel und mit dem Betrieb einer öffentlich zugänglichen Anlage nicht zu vereinbaren (Sichtbarkeit der Tiere, Diebstahl, sexuelle Übergriffe). Tierhalterische erfahrung zeigt, dass bei  Beleuchtungsspitzen bis 4-6 Lux in den Gehegen keine negativen Auswirkungen beobachtet werden können [6].

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für 5 Tiere ein Innengehege mit einer Grundfläche von 6 m² bei 2 m Höhe und für jedes weitere Tier jeweils 1 m² Fläche zusätzlich vor. Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) muss die Haltung paarweise oder in kleinen Familiengruppen erfolgen und es ist ein Innengehege mit einer Grundfläche von 20 m² bei 3 m Höhe erforderlich.

Taxonomie und Nomenklatur

Der Graubein-Nachtaffe wurde 1912 von dem amerikanischen Zoologen Daniel Giraud ELLIOT unter seinem heute noch (bzw. wieder) gültigen Namen beschrieben. Da sich die verschiedenen Nachtaffen äußerlich nicht eindeutig bestimmen lassen, wurden sie zu einer einzigen Art (Aotus trivirgatus) zusammengelegt, später aber aufgrund unterschiedlicher Chromosomenzahlen wieder getrennt. Heute werden sie als ein Komplex von 8 bis 12 Arten angesehen, der bisweilen als eigene Familie (Aotidae), bisweilen als Unterfamilie der Neuweltaffen (Cebidae) betrachtet und von anderen Autoren in die Unterfamilie Cebinae gestellt wird. Drei Arten sind gefährdet. Aotus griseimembra wird entweder als eigene Art oder als Unterart von A. lemurinus angesehen [4; 7; 9].

Literatur und Internetquellen

  1. CITES TRADE DATA BASE
  2. DIXSON, A. F. & FLEMING, D. (1981)
  3. HUNTER J.,· MARTIN, R.D., · DIXSON, A.F. &· Rudder, B.C.C. (1979)
  4. MORALES-JIMÉNEZ, A.L. & LINK, A. (2008). Aotus griseimembra. The IUCN Red List of Threatened Species 2008: e.T1807A7650460. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2021-1.RLTS.T1807A190452803.en. Downloaded on 18 May 2018.
  5. PARKES, S. (2011) / O'CONNOR, J. (2014)
  6. SCHERPNER, C. (1982)
  7. SCHRÖPEL, M. (2010)
  8. WEIGL, R. (2005)
  9. WILSON, D. E. & REEDER, D. M. (2005)
  10. ZIEGLER, T. (2002)

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