S

STOLZE, M. (1998)

Einfluss der Fütterung auf das Verhalten von in Zoologischen Gärten gehaltenen Steppengiraffen (Giraffa camelopardalis).

Vet. med. Dissertation

189 Seiten

Tierärztliche Hochschule Hannover
Betreuung:
Zoo Basel, Wilhelma Stuttgart

Zusammenfassung und Abstract als PDF

Zusammenfassung:

Ziel dieser Arbeit war es, das Fressverghalten und die intraspezifische Nahrungskonkurrenz bei Zoogiraffen (Giraffa camelopardalis) unter dem Aspekt verschiedener Futterverteilung zu beschreiben und zu analysieren. Darüber hinaus wurde untersucht, inwieweit die Haltung und Fütterung von Giraffen deren Verhalten beeinflusst. Die Beobachtungen wurden im Zoologisch-Botanischen Garten Wilhelma Stuttgart sowie im Zoologischen Garten Basel durchgeführt. In diesen beiden Zoos unterschieden sich die Giraffenhaltungen hinsichtlich der Gruppenstruktur, der Größe des Außengeheges un der Zusammensetzung der Futterration. Auf diese Weise sollte ermittelt werden, ob Aussagen, die aus Beobachtungen an einer Giraffengruppe hervorgegangen sind, bei einer anderen Herde bestätigt werden können und ob zwischen Giraffenherden, die unter verschiedenen Haltungsbedingungen leben, grundsätzliche Verhaltensunterschiede bestehen.

In einem Fütterungsversuch, welcher in beiden Zoologischen Gärten analog aufgebaut war, wurde Luzerneheu nur tagsüber im Außengehege und nicht wie üblich auch nachts im Stall angeboten. Daran anschließend wurde zusätzlich die Anzahl der Futterstellen geändert. Anstelle von zwei /Stuttgart) bzw. drei (Basel) Futterstellen wurde Luzerneheu nun von fünf Futterstellen und in einer letzten Versuchsphase von einer Futterstelle gefüttert. Fünf Futterstellen wurden gewählt, da beide Giraffengruppen aus fünf Beobachtungstieren bestanden.

Auf die Änderung der Futtersituation zeigten die Giraffen folgende Reaktionen: Bei der Fütterung von fünf Futterstellen wurden bei beiden Herden höhere Fresshäufigkeiten beobachtet als bei der Fütterung von einer Futtestelle. Der Fütterungsversuch hatte keinen Einfluss auf die Häufigkeiten sozionegativer und soziopositiver Verhaltensweisen. Ein individuell unterschiedlicher Zugang zur Nahrung konnte bei der Fütrterung von einer Futterstelle nicht nachgeweisen werden. Die Distanzen der Dyaden vergrößerten sich bei der Fütterung von einer Futterstelle im Vergleich zu der Fütterung von fünf Futterstellen nicht, in Basel wurden bei der Fütterung von einer Futterstelle sogar geringere Distanzen ermittelt als bei der Fütterung von fünf Futterstellen. In Versuchsphasen mit geringen Fresshäufigkeiten wurden orale Verhaltensstörungen häufiger beobachtet als in Versuchphasen mit hohen Fresshäufigkeiten.

Beim Vergleich der beiden Haltungssysteme wurde folgendes festgestellt:

Bei der Giraffenhaltung in dem großen und abwechslungsreich gestalteten Gehege des Stuttgarter Zoos mit einer Fütterung, welche sich aus hohen Kraft- und Saftfutteranteilen und geringen Mengen frischer Laubäste zusammensetzte, zeigten die Giraffen häufig orale Verhaltensstörungen. Im Gegensatz dazu traten in dem kleinen Giraffengehege bei der Fütterung geringer Kraft- und Saftfuttermengen sowie täglich frischen Laubästen selten orale Verhaltebnsstörungen auf. Das Auftreten oraler verhaltensstörungen scheint somit hauptsächlich mit geringen Fress- und Kanbberhäufigkeiten und weniger mit der Größe des Außengeheges zuammenzuhängen. Futterkörbe in einer Höhe von 4 m wurden von den ausgewachsenen Giraffen in beiden Herden geegenüber Futterraufen in einer Höhe von 1.60 m bevorzugt. Bei beiden Giraffengruppen wurden in allen Versuchphasen selten soziopositive und sozionegative Intzeraktionen beobachtet. In einem kleinen Gehege wurden keine höheren Häufigkeiten sozionegativer Verhaltensweisen festgestellt als in einem großen Gehege. Die Aufenthaltsbereiche der Tiere waren in beiden Gehegen in hohem Maße von der Plazierung der Futterstellen abhängig. Sowohl in Stuttgart als auch in Basel wurde das Außengheheg nicht vollständig genutzt, wobei der prozentuale Anteil der ungenutzten Fläche in dem kleinen, unattraktiven Geheg höher war als in dem groen und abwechslungsreichen Gehege.

Nach den in der Literatur beschriebenen Erkenntnissen und nach den Ergebnissen dieser Arbeit sollten Zoogiraffen im Außengehege mehrere, an verschiedenen Stellen plazierte Futtesstellen zur Verfügung stehen. Dies wird weniger empfohlen, um die intraspezifische Nahrungskonkurrenz zu minimieren, sondern vielmehr um eine bessere Gehegeausnutzung zu erreichen, die sich auf die physische Verfassung der Tiere und auf die Besucherakzeptanz positiv auswirkt. Außerdem soll es Zoogiraffen ermöglicht werden, einen Großteil ihrer Zeit mit der Nahrungsaufnahme zu verbringen, was dem Nahrungsaufnahmeverhalten wildlebender Giraffen entspricht. Nach dieser Studie verbringen Zoogiraffen bei der Fütterung von mehreren Futterstellen einen höheren Zeitanteil mit der Nahrungsssuche und Nahrungsaufnahme als bei der Fütterung von einer Futterstelle. Hohe Kraft- und Saftfutternateile in der Futterration wirken sich negativ auf das Fressverhalten aus, während die Fütterung großer Mengen an Laubästen das natürliche Fressverhalten von Giraffen fördert. Frustrationen in Bezug auf das Nahrungsaufnahmeverhalten begünstigen vermutlich orale Verhaltensstörungen bei Zoogiraffen.

 

stolze-biblio

Gelesen 8551 mal Letzte Änderung am Dienstag, 26 Juni 2018 16:21
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern hyperworx