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BICKEL, D. (2007)

Untersuchungen zur Ernährung pflanzenfressender Reptilien am Beispiel der Köhlerschildkröte.

Diplomarbeit

119 Seiten

Zoologisches Institut, Universität zu Köln
Leitung: Prof. Dr. G. Nogge
Zoo Köln

Zusammenfassung:

Da herbivore Reptilien ihre Nahrung nicht durch kauen zerkleinern, gelangen die Futterpartikel entsprechend ihrer Abbissgröße in den Verdauungstrakt. Dies hat zur Folge, dass den cellolytischen Bakterien, welche die pflanzlichen Strukturpolymere fermentativ abbauen, auf dem aufgenommenen Pflanzenmaterial weniger Besiedlungsfläche als bei herbivoren Säugetieren zur Verfügung steht. Es lässt sich ein variabler Energiegewinn in Abhängigkeit von der Partikelgrösse vermuten.

Ziel dieser Arbeit war es, die Zusammenhänge zwischen der Partikelgröße und dem Energiegewinn in vivo mit dem Untersuchungstier Köhlerschildkröte sowie in vitro mittels einer Fermentationsuntersuchung zu charakterisieren und quantifizieren. Hierzu fanden Methoden zur Bestimmung von verdauungsphysiologischen Parametern (Futteraufnahme, Passagezeit, Kotpartikelgröße) Anwendung, ebenso wie ein modifizierter Hohenheimer Futterwerttest (HFT) zur Bestimmung der in vitro Parameter (Verdaulichkeit, Gasbildungsrate, max. Gasbildung).

Für die Untersuchung standen 6 juvenile und 2 adulte Köhlerschildkröten (Geochelone carbonaria), sowie ein adulter Nashornleguan (Cyclura cornuta) des Kölner Zoos zur Verfügung. In der ersten Sammelphase wurde an die Tiere Endiviensalat (Cichorium endivia, Rohfasergehalt: 9.7 % TS), in der zweiten Sammelphase Löwenzahn (Taraxacum officinale, Rohfasergehalt; 11.3 % TS) verfüttert. Nach einer Anfütterungszeit von 14 Tagen erfolgte eine Sammelphase von 20 (Salat) bzw. 14 Tagen (Löwenzahn), in der die Futter- und Kotmengen der einzeln gehaltenen Tiere bestimmt wurden. Im gleichen Zeitraum wurde eine Passagezeituntersuchung mittels des Partikelmarkers Cr-Faser und des Flüssigkeitsmarkers Co-EDTA durchgeführt. Die Bestimmung der Partikelgröße im Kot erfolgte mittels Nasssiebung.

Die Futteraufnahmen bezogen auf das metabolische Körpergewicht lagen bei Salatfütterung bei den juvenilen Köhlerschildkröten zwischen 0.28 - 2.49 g TS/kg BW0.75*d). Bei Löwenzahnfütterung lagen die Werte der juvenilen Schildkröten zwischen 1.28-2.79 g TS/(kg BW0.75*d), bei den adulten Schildkröten bei 0.98 g TS/(kg BW0.75*d) und bei dem Nashornleguan bei 6.59 g TS/(kg BW0.75*d). Die Tiere nahmen signifikant mehr Löwenzahn als Salat auf (p=0.0313).

Alle untersuchten Tiere zeigten eine selektive Retention der Partikelphase gegenüber der flüssigen Phase. Die Passagezeiten der Köhlerschildkröten lagen zwischen 142 und 190 h für Cr-Faser und zwischen 70 und 166 h für Co-EDTA. Die Passagezeit des Nashornleguans, verglichen anhand der maximalen Markerausscheidung, ist für die flüssige Phase 3 mal schneller, für die Partikelphase 2 mal schneller als bei den Köhlerschildkröten.

Die in vitro Untersuchung zeigte einen Einfluss der Partikelgrösse auf die Fermentierbarkeit für die Pflanzen Gras, Maulbeerblätter und Maisblätter. Bei den Futtermitteln Endiviensalat und Löwenzahnblätter findet man hingegen keinen Zusammenhang. Vorbehaltlich der Übertragbarkeit der in vitro Untersuchungen auf Reptilien würde dies bedeuten, bei Salat und Löwenzahn haben die juvenilen Tiere keinen Vorteil durch ihr kleineres Maul auf den möglichen Energiegewinn.

Hat die Partikelgröße tatsächlich einen Einfluss auf die Verdauung, sollte ein Unterschied hinsichtlich Energiegewinn, Passagerate und Nahrungsaufnahme bei den unterschiedlichen Größenklassen von Geochelone carbonaria festzustellen sein. Wie die Bestimmung der Partikelgrößen im Kot zeigten, existiert ein Unterschied zwischen den juvenilen und adulten Tieren hinsichtlich der Partikellänge, welcher auf die unterschiedlichen Maulgrössen zurückzuführen ist. Die Futteraufnahem der Jungtiere lag über der der adulten Tiere, weiterhin war die Passagezeit des Jungtieres kürzer. Die Hypothese von BJORNDAL und BOLTEN (1992) liesse sich demnach anhand der in vivo Versuche auch auf die Köhlerschildkröte übertragen. Anhand der in vitro Versuche konnte der Einfluss der Partikelgröße für die beiden Futtermittel Salat und Löwenzahn jedoch nicht bestätigt werden. Dies lässt vermuten, setzt man eine Übertragbarkeit der in vitro Versuche auf Reptilien voraus, dass die in vivo erhaltenen Unterschiede nicht auf unterschiedlichen Partikelgrößen zurückzufürhen sind, sondern weitere Unterschiede zwischen juvenilen und adulten Reptilien existieren müssen, die diese Ergebnisse erklären.

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© Peter Dollinger, Zoo Office Bern hyperworx