Brückenechsen

Tuatara

Tuatara (Sphenodon punctatus) im Zoo-Aquarium Berlin Tuatara (Sphenodon punctatus) im Zoo-Aquarium Berlin
© Klaus Rudloff, Berlin

Ordnung:  Brückenechsen (RHYNCHOCEPHALIA oder SPHENODONTIA)
Familie: Brückenechsen (Sphenodontidae)

D LC 650

Tuatara

Sphenodon punctatus • The Tuatara • Le sphénodon ponctué

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Männliche Tuatara (Sphenodon punctatus) im Orana Wildlife Park, Christchurch, Neuseeland © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Verbreitung der Tuatara (Sphenodon punctatus). Es sind nicht alle Inseln eingezeichnet

 

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Kopfansicht einer Tuatara (Sphenodon punctatus) im Zoo Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Weibliche Tuatara (Sphenodon punctatus) im Orana Wildlife Park, Christchurch, Neuseeland © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Junge Tuatara (Sphenodon punctatus) im Orana Wildlife Park, Christchurch, Neuseeland © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Brückenechse (Hatteria puctata) (= Sphenodon punctatus). Aus Brehms Thierleben. (1882-1887)

 

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Männliche Tuatara (Sphenodon punctatus) im Zoo Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Tuatara-Paar (Sphenodon punctatus) im Zoo Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Tuatara (Sphenodon punctatus) im Zoo-Aquarium Berlin © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Schädel der Brückenechse (Sphenodon punctatus). Illustration aus GADOW, H. (1909) Amphibia and Reptiles. Gemeinfrei.

 

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Die Tuatara ist eine selten in europäischen Zoos gehaltene Art. Äußerlich mag sie als "gewöhnliche", agamen- oder leguanähnliche Echse durchgehen, im Skelett gibt es aber deutliche Unterschiede zu den SAURIA, dagegen entspricht ihr Bauplan weitgehend Arten, die vor rund 170 Millionen Jahren während der Jura-Periode gelebt haben. Man kann daher davon ausgehen, dass die Brückenechsen die langsamste Evolutionsrate aller landlebenden Wirbeltiere haben.

Körperbau und Körperfunktionen

Die Tuatara ist eine mittelgroße Echse, die eine Gesamtlänge bis 65 (-75) cm und ein Gewicht von 1000-1200 g erreichen kann. Der Kopf ist groß, ebenso die Augen, die eine vertikale Schlitzpupille und eine braune Iris haben. Unter einer hellen Schuppe befindet sich auf der Stirn ein kleines, unpaares Scheitelauge. Das Zwischenkieferbein ist schnabelartig verlängert und mit Schneidezähnen besetzt. Die Unterkiefer verfügen über eine, die Oberkiefer über zwei Reihen acrodonter (d.h. direkt dem Knochen aufsitzender) Zähne, die nicht ersetzt werden. Alte Tiere sind daher weitgehend zahnlos. Der Schwanz ist seitlich abgeflacht und nimmt etwa die Hälfte der Gesamtlänge ein. Die Farbe der Adulttiere ist variabel und reicht von grau über olive bis zu ziegelrot [2; 6; 8; 10].

Weibchen erreichen eine Kopf-Rumpflänge von 21.4 cm, Männchen von 26.5 cm. Sie werden doppelt so schwer wie die Weibchen, haben weder einen Penis noch Hemipenisse und besitzen einen auffälligen, aus weichen Stacheln bestehenden Nackenkamm, der von einem weiteren Kamm auf Rücken und Schwanz abgesetzt ist. Beide Kämme sind bei den Weibchen schwächer entwickelt. Tuataras erreichen die Geschlechtsreife im Alter von 8-11 Jahren bei einer Kopf-Rumpflänge von 17-18 cm [2; 4; 10].

Verbreitung

Vor oder zu Beginn der Einwanderung der Europäer ist die Tuatara auf den beiden Hauptinseln von Neuseeland ausgestorben. Heute leben Tuataras nur noch auf 32-37 Inseln vor Neuseeland und in einem eingezäunten Reservat bei Wellington, wo sie wiederangesiedelt wurden [2; 4].

Lebensraum und Lebensweise

Brückenechsen sind terrestrisch, ovipar und nachtaktiv. Sie leben in Erdhöhlen, die sie selber graben oder mit Sturmvögeln teilen, und ernähren sich von Mollusken, Arthropoden und Würmern, seltener von kleinen Wirbeltieren, wie Geckos, Skinken und Vögeln. Sie nehmen gerne Sonnenbäder, sind aber hauptsächlich nachts unterwegs. Die optimale Umgebungstemperatur liegt bei 12ºC, was ihren gedämpften Metabolismus erklärt. Dementsprechend ist auch die lange Embryonalzeit von 13-15 Monaten im Ei, ihr sehr langsames Wachstum - sie sind erst mit etwa 20 Jahren erwachsen und Männchen wachsen weiter bis sie 50 sind - und ihr hohes Lebensalter von bisweilen mehr als 100 Jahren. Die Gelege von 8-15 Eiern werden in speziellen Nestbauten abgelegt, die danach mit Erde aufgefüllt und verlassen werden [5; 6; 10].

Gefährdung und Schutz

Nach einer Beurteilung aus dem Jahr 2019 gilt die Tuatara nicht als gefährdet. Die nördlichen Populationen wurden 2005 auf 10'000, jene der Inseln in der Cook-Strasse auf 45'000 geschätzt. Die größte zusammenhängende Population lebt auf dem 184 ha großen Stephens  Island und umfasst etwa 30'000 Individuen [1].

Der internationale Handel ist nach CITES-Anhang I eingeschränkt.

Bedeutung für den Menschen

Die Tuatara hat eine wesentliche kulturelle Bedeutung für die Maori-Bevölkerung Neuseelands. Es gibt viele Geschichten über sie und bei manchen Stämmen gilt sie als Hüterin des Wissens [7; 8].

Ein Tierhandel existiert nicht. Nebst Museumsexemplaren, Probenmaterial und einem temporären Export wurden im Lauf von 1978-98 aus Neuseeland nur 80 lebende Tiere an Zoos und wissenschaftliche Einrichrungenin Australien, Europa und Nordamerika abgegeben, seitdem keine mehr. Sowiet Angaben vorhanden, handelte es sich um Nachzuchttiere [3].

Haltung im Zoo

Die neuseeländischen Behörden haben 2002 ein "Tuatara captive management plan and husbandry manual" herausgegeben, an dem sich Halter orientieren sollen. Nebst vielen anderen Details wird darin festgehalten, dass 3 Jungtiere bis zu 4 Jahre in einem Terrarium von 2 m² gehalten werden können, dass pro Adulttier eine Fläche von nicht weniger als 5 m² vorzusehen ist, und dass die Tiere Schlafboxen von 30x30x30 cm mit zwei Zugängen über 60 cm lange, gekrümmte Röhren benötigen [4].

Zoopädagogik: Aufgrund ihrer stammesgeschichtlichen Bedeutung ist die Brückenechse ein geeignetes Beispiel, für die Erläuterung von Taxonomie und Evolution.

Haltung in europäischen Zoos: Die vermutlich erste Tuatara in einem Zoo wurde 1869/70 in London gehalten, eine weitere wurde 1880 importiert [4]. Heute gibt es in Europa nur zwei Haltungen, nämlich  in den Zoos von Berlin und Chester (Stand 2023). Für Details siehe Zootierliste.

Zucht und Aufzucht: In Chester ist 2016 erstmals außerhalb Neuseelands die Zucht gelungen. Das Junge stammte von einem Paar, das bereits 1994 aus Neuseeland importiert worden war. Es schlüpfte nach einer Bebrütungsdauer von 238 Tagen und hatte ein Gewicht von 4.21 g [PM Chester Zoo, 01.02.2016].

Mindestanforderungen an Gehege: Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für 1 Tier ein Gehege vor, dessen Landteil das 4x3-fache und dessen Wasserteil das 2x1-fache der Kopf-Rumpflänge misst. Die Wassertiefe soll 40%, die Terrariumhöhe 50% der Kopf-Rumpflänge ausmachen, wobei man sich nicht so recht vorstellen kann, wie ein 15 cm hohes Terrarium funktionieren soll. Für jedes weitere Tier sind die Flächen zu verdoppeln. Im Reptiliengutachten 1997 des BMELF und in der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) ist die Art nicht erwähnt.

Taxonomie und Nomenklatur

Die Art wurde 1842 von John Edward GRAY, einem Mitglied der Londoner zoologischen Gesellschaft als "Hatteria punctata" beschrieben. Während einiger Jahre hieß die Gattung dann Rhynchocephalus und seit 1869 trägt sie den Namen Sphenodon. Von punctatus gibt es zwei Unterarten: S. p. punctatus auf den Inseln nördlich der Nordinsel und eine noch nicht benannte Form auf den Inseln der Cookstraße. Bei der ursprünglich als zweite Art beschriebenen Brothers Island-Tuatara (S. guntheri) dürfte es sich ebenfalls um eine Unterart handeln [9]. Die Rote Liste der IUCN geht ebenfalls von nur einer Art aus [1].

Literatur und Internetquellen

  1. HITCHMOUGH, R. (2019). Sphenodon punctatus. The IUCN Red List of Threatened Species 2019: e.T131735762A120191347. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2019-2.RLTS.T131735762A120191347.en . Accessed on 07 January 2023.
  2. CITES IDENTIFICATION MANUAL
  3. CITES TRADE DATA BASE
  4. DEPARTMENT OF CONSERVATION NEW ZEALAND
  5. LINDSEY, T. & MORRIS, R. (2000) 
  6. O'SHEA, M. & HALLIDAY, T. (2002)
  7. RAMSTAD, K.M., NELSON, N.J. et al. (2007)
  8. TE ARA - ENCYCLOPEDIA OF NEW ZEALAND
  9. THE REPTILE DATA BASE
  10. ZISWILER, V., (1976)

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Gelesen 9000 mal Letzte Änderung am Dienstag, 02 April 2024 17:54
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