S

SCHWITZER, C. (2003)

Energy intake and obesity in captive lemurs (Primates, Lemuridae).

Dissertation Universität Köln
Zoologisches Institut in Zusammenasrbeit mit
Kölner Zoo, Zoo Mülhausen im Elsass und anderen

154 Seiten. Schüling-Verlag, Münster. ISBN: 9783934849488

Zusammenfassung:

Die vorliegende Studie behandelt die Energieaufnahme und Fettleibigkeit bei Lemuren in menschlicher Obhut. Ziel der Arbeit war, mögliche Zusammenhänge zwischen Ernährung, speziell Überernährung, und Aspekten der Populationsdynamik (Wurfgröße, Jungtiersterblichkeit) zu untersuchen.

Die Körpergewichte von in Europäischen Zoos lebenden Lemuren verschiedener Arten wurden mit den Gewichten freilebender Individuen der jeweiligen Art verglichen und der Anteil fettleibiger Tiere in den einzelnen Populationen wurde bestimmt. Die Nahrungs- und Energieaufnahme von Gruppen zweier Lemurenarten (Varecia variegata variegata und Eulemur macaco flavifrons) in drei verschiedenen Zoos wurde erfasst. Es sollte überprüft werden, ob es Hinweise darauf gibt, dass Fettleibigkeit bei Lemuren im Zusammenhang mit Superoptimaler Ernährung und/oder suboptimalen Mustern der Energieaufnahme steht. Zudem wurde die langzeitige Entwicklung der Europäischen Zoopopulationen von zwei Unterarten des Vari mit Bezug auf Veränderungen der Populationsdynamik, speziell der Wurfgröße, analysiert. Es wurde nach einem Einfluss von superoptimaler Ernährung (ausgedrückt in Körpergewicht der Weibchen) auf Veränderungen in der Population gefragt.

Die durchschnittlichen Körpergewichte von 7 Lemurenarten und –unterarten in Europäischen Zoos waren höher als die Durchschnittsgewichte der jeweiligen Arten im Freiland. Der Anteil fettleibiger Tiere in den verschiedenen Stichproben lag zwischen 0% und 80%. Die Lemuren aller drei Zoos, in denen Daten zur Ernährung erhoben wurden, zeigten eine hohe Energieaufnahme. Wenn die tatsächliche Aufnahme an verdaulicher Energie bei allen Tieren der Studie 65% der errechneten Aufnahme entsprach, wie eine Verdaulichkeitsuntersuchung für zwei Schwarz-Weiße Varis des Kölner Zoo ergab, so nahmen lediglich die Sclater’s Makis im Zoo Mulhouse sowie die Schwarz-Weißen Varis in der zweiten Beobachtungsperiode im Kölner Zoo adäquate Mengen an Energie auf. Bei allen anderen untersuchten Lemurengruppen überstieg die Energieaufnahme die errechneten Bedarfswerte. Eine Präferenz der Tiere für Obst war erkennbar.

Die Muster der Energie- und Trockenmasseaufnahme über 24 Stunden zeigten bei beiden Arten Unterschiede zwischen den drei Zoos. Bei den Varis fiel dies zusammen mit Unterschieden im Anteil stereotyper Verhaltensweisen. Stereotypien traten hauptsächlich vor den Fütterungszeiten auf. Nach einer Änderung des Fütterungsschemas im Kölner Zoo zeigten beide Spezies einen geringeren Anteil an Stereotypien als davor.
Die Europäischen Zoo-Populationen beider Vari-Unterarten zeigten hohe Wachstumsraten. Es gab jedoch bei beiden Unterarten Unterschiede im Reproduktionserfolg der Weibchen. Für beide Unterarten zusammengenommen korrelierte das Körpergewicht der Weibchen signifikant positiv mit der Wurfgröße, jedoch nicht mit der Jungtiersterblichkeit bei den einzelnen Weibchen. Ein Trend, dass das Gewicht der Weibchen über die Generationen gestiegen ist, konnte festgestellt werden.

Die Ergebnisse dieser Arbeit sind kompatibel mit der Annahme, dass Lemuren als Tiere, die an Lebensräume mit unvorhersagbaren Bedingungen und langen Perioden des Nahrungsmangels angepasst sind eine energiereiche Nahrung bevorzugen, deren Aufnahme möglicherweise eher von der Verfügbarkeit als von intrinsischen Mechanismen reguliert wird. Unter Zoobedingungen mit konstantem Angebot an energiereicher Nahrung nehmen die Tiere an Gewicht zu und können letztendlich fettleibig werden.

Auf Populationsebene konnte die vorliegende Studie erste Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Körpergewicht und Reproduktionserfolg bei Vari-Weibchen liefern. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass die Ernährung ein wichtiger Faktor beim Management von kleinen Populationen ist. Eine unangemessene Ernährung kann Veränderungen in der Populationsdynamik hervorrufen, die mittelfristig zu einem Verlust von genetischer Variabilität der Population führen können. Wenn ein beträchtlicher Anteil einer Zoopopulation übergewichtig ist, ist deren Eignung als Reservepopulation, die potentiell die Freilandpopulation der Art aufstocken oder ersetzen soll, fraglich. Die Ernährung im Zoo muss daher mit Bezug auf Nährstoff- und vor allem Energiegehalt den Bedürfnissen der jeweiligen Art angepasst sein.

 

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© Peter Dollinger, Zoo Office Bern hyperworx