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ZELL, E. (1987)

Studien zum Sozialverhalten des Capybara (Hydrochoerus hydrochaeris).

Diplomarbeit

133 Seite

Fachbereich Biologie, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
Leitung: Prof. Dr. H. Hemmer
Zoo Duisburg, Zoo Dortmund

Zusammenfassung:

Ziel der vorliegenden Arbeit war es, das soziale Verhaltensinventar des Capybara in Gefangenschaftshaltung qualitativ und quantitativ darzustellen, um Hinweise auf eine potentielle Eignung zur Domestikation geben zu können. Das Verbreitungsgebiet des Capybara ist Südamerika. Sie sind die größten Vertreter der Rodentia und sind insbesondere durch Schwimmhäute der Vorder- und Hinterfüße einer semiaquatischen Lebensweise angepasst. Sie unterliegen im Freiland in ihrem Verhalten Einflüssen des Klimas. Während der Regenzeit leben sie in Gruppen von im Durchschnitt 10-12 Tieren. In der Trockenzeit schließen sie sich zu größeren Verbänden (bis zu über 100 Tieren) zusammen. Während 374 Stunden (=1248 Tierstunden) wurde in mehreren Beobachtungsperioden (Ende 1985 bis August 1987) das Sozialverhalten unterschiedlich zusammengesetzter Capybaragruppen im Zoo Dortmund und im Zoo Duisburg beobachtet. Ab Mai 1987 konnte im Zoo Duisburg die Entwicklung des Sozialverhaltens eines Jungtieres in drei Beobachtungsperioden verfolgt werden. Capybara verfügen über ein relativ geringes soziales Verhaltensrepertoire. Die sozialen Interaktionen sind nicht sehr komplex. Die aggressiven Kontaktnahmen sind meist milder Art (Imponieren oder Drohen), Angriffshandlungen wurden selten beobachtet. Sie richteten sich zumeist gegen Artfremde. Das soziale Verhalten ist zum größten Teil von primär ausdrucksneutralen Verhaltensweisen geprägt, komplizierte, aufeinanderfolgende Sozialkontakte konnten nicht beobachtet werden. Die Mutter-Kind-Bindung löst sich bereits nach vier Wochen. Während der Beobachtungen der Neuintegrationsphase konnte festgestellt werden, dass das erhöhte aggressive Verhalten nur während der ersten beiden Tage auftrat. Danach tolerierten sich Gruppenfremde und ursprüngliche Gruppenmitglieder bei größerem Individualabstand auf der Außenanlage. Capybaras sind im Vergleich sozial aktiver, wenn ihnen weniger Raum zur Verfügung steht (dies bezieht sich nur auf die Außenanlagen). Im Innenstall unter beengten räumlichen Verhältnissen sind sie sozial wenig aktiv. Die soziale Aktivität im Innenstall ändert sich jedoch mit veränderter Gruppenzusammensetzung. Das Vorkommen von Jungtieren steigert die soziale Aktivität in den ersten beiden Wochen erheblich, sie gleicht aber bereits nach sechs Wochen der der Adulttiergruppe. Die prozentualen Anteile der Sozialkontakte an den Funktionskreisen zeigen, dass die Abnahme der neutralen Kontaktnahmen mit der Zunahme der aggressiven Kontakte einhergeht. Gleichzeitig nimmt das Defensivverhalten zu und die soziale Unterlegenheit demonstrierenden Verhaltensweisen verringern sich. Die Rangordnung ist linear, sie wird durch die Zahl aggressiver Kontaktnahmen bestimmt. Das ranghöchste Tier ist immer das männliche. Weiterhin wurden Soziogramme erstellt, die die sozialen Interaktionen innerhalb der verschiedenen Gruppen verdeutlichen. Die Ermittlung der Individualabstände zeigt, dass Capybaras bei den unterschiedlichsten Aktivitäten keine großen Abstände zueinander halten. Die Analyse der qualitativen und quantitativen Ergebnisse zeigt, dass das soziale Verhalten des Capybara unter Gefangenschaftsbedingungen wenig differenziert ist. Sie weisen eine hohe Artgenossentoleranz auf. Diese Aussagen werden größtenteils durch Freilandbeobachtungen bestätigt. Es ist anzunehmen, dass Capybara mit steigender Herdengröße auch während einer Gehegehaltung keine komplexen Verhaltensstrategien entwickeln, da sie auch unter natürlichen Bedingungen in Verbänden bis zu über 100 Tieren leben. Die Ergebnisse der Beobachtungen lassen vermuten, dass sich das Capybara zur Nutztierhaltung eignet.

 

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© Peter Dollinger, Zoo Office Bern hyperworx