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HAMBRECHT, S. (2012)

Gruppendynamik bei jungen Asiatischen Elefantenbullen (Elephas maximus L.) im Zoo Heidelberg – Integration eines Neulings in eine bestehende Herde.

Diplomarbeit

138 Seiten

Julius-Maximilians Universität Würzburg, Fakultät für Biologie, Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie
Erstgutachten: AD Dr. Dieter Mahsberg
Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie, Universität Würzburg
Zweitgutachten: Prof. Dr. Jürgen Tautz
Lehrstuhl für Verhaltensphysiologie und Soziobiologie, Universität Würzburg
Zoo Heidelberg

Voller Text

Zusammenfassung:

Die soziale Organisation von Elefanten beruht auf weiblicher Philopatrie und männlicher Emigration. Das Loslösen junger Elefantenbullen von der Geburtsherde ist eine natürliche Strategie zur Inzucht-vermeidung. Nach der Trennung von der Familiengruppe schließen sich junge Bullen mit Gleichaltri-gen zu lockeren Jungbullengruppen zusammen. Dieser natürliche Prozess in der Entwicklung männli-cher Elefanten stellt die Elefantenhaltung in Zoologischen Gärten jedoch vor das Problem der zuneh-menden Unverträglichkeit mit der Kuhherde in Kombination mit dem Mangel an adäquaten Haltungs-einrichtungen für die Bullen. Bisher werden Jungbullen in den meisten Fällen separat ohne direkten Kontakt zu Artgenossen gehalten, was jedoch, wie oben erwähnt, nicht den natürlichen Verhältnissen entspricht. Der Heidelberger Zoo ist die erste Einrichtung Deutschlands, die diese aktuellen Erkennt-nisse aus dem Freiland umsetzt und eine Gruppe junger Elefantenbullen hält. Heidelberg hat zudem als erster Zoo überhaupt das Experiment gewagt, einen weiteren Jungbullen in eine bestehende Gruppe zu integrieren.
Anhand der Fokustiermethode (ALTMAN, 1974) wurde das Sozialverhalten der vier Jungbullen aufge-nommen. Dies hatte das Ziel, Aufschluss über die Gruppendynamik einer Jungbullenherde in Gefan-genschaft während der Integration eines neuen Jungbullen hinsichtlich individueller Persönlichkeiten und sozialer Bindungen zu erlangen. Als Kriterium für einen sozialen Kontext diente das Zustande-kommen einer Assoziation durch Unterschreiten eines definierten Abstandes zu einem Elefanten (Empfänger der Assoziation) durch einen anderen (Sender der Assoziation). Darauf basierend wurde die individuelle Dauer der sozialen Isolation und der Assoziation, die Häufigkeit der möglichen aus zwei bis vier assoziierten Individuen bestehenden Gruppierungen, sowie die Häufigkeit der Sender- und Empfängeraktivität jedes Individuums inklusive des Sozialpartners bezüglich definierter Abstands- (Stärke der Assoziation) und Verhaltenskategorien (Motivation der Assoziation) ermittelt. Anschlie-ßend erfolgte die Standardisierung aller Zeiten (als Anteil an der individuellen Beobachtungsdauer) und Häufigkeiten (als Anzahl Beobachtungen pro Stunde), um einen Vergleich zwischen den Individu-en zu ermöglichen.
Es zeigte sich, dass die vier Jungbullen unterschiedliche Persönlichkeiten aufweisen, was sich auf den Charakter ihrer Beziehungen zueinander auswirkte. Zwischen den Individuen der anfänglichen Gruppe wurde generell ein höheres Maß an Sozialverhalten und speziell eine größere Anzahl an Kör-perkontakten und freundlichen Verhaltensweisen beobachtet als zwischen ihnen und dem neuen Jungbullen. Sowohl innerhalb der ursprünglichen Gruppe als auch bei dem neuen Jungbullen bestan-den jedoch Unterschiede in der Häufigkeit und Motivation der Assoziationen in Abhängigkeit vom So-zialpartner. Weiterhin zeigten sich beim neuen Elefanten Anzeichen für soziale Isolation und für ein erhöhtes Stressempfinden. Neben einem ausgeprägten Sozialverhalten wurden auch die Existenz einer festen Dominanzhierarchie, sowie ein positiver Verlauf hinsichtlich der Eingliederung des neuen Bullen in die Gruppe deutlich. Diese Ergebnisse sprechen für eine stabile Gruppenstruktur und unter-stützen das Konzept der Gruppenhaltung von Jungbullen.

 Abstract:

The social organisation of elephants is based on female philopatry and male natal dispersal. The separation of males from their family group is a behavioural strategy of inbreeding avoidance. After leaving the natal herd young bulls join same-age peers and form loose all-male groups. This natural process during the development of male elephants, however, raises a problem for the elephant keep-ing in zoological gardens because of the increasing intolerance by the herd in combination with the lack of adequate keeping facilities for bulls. To date, mostly young bulls are kept separately with no direct contact to conspecifics which is an unnatural way of handling them, as described above. The zoo of Heidelberg is the first German facility, which uses these new insights and keeps a group of young elephant bulls. Moreover it is the first zoo which undertakes the experiment to integrate another young bull in an established group.
By means of the focal animal sampling (ALTMAN, 1974) the social behaviour of the four young bulls was recorded in order to assess the group dynamics of a herd of young bulls in captivity during the integration of a new bull in terms of individual personalities and social bonds. A social context was defined as the occurrence of an association on falling below a specified distance to an elephant (re-ceiver of an association) by another elephant (sender of an association). Based thereupon the individ-ual duration of social isolation and association, the frequency of the different groupings consisting of two to four associated individuals and the frequency of the individual activity as sender and receiver including social partner in terms of defined categories of distances (strength of the association) und behaviours (motivation of the association) was determined. The durations and the frequencies were standardised as the percentage of the individual observation period and the number of occurrences per hour, respectively, in order to allow the comparison of the individuals.
The four young bulls showed distinct personalities, which affected the strength and kind of social bonds between them. In general the members of the initial group interacted more frequently among themselves than they do with the new one. Particularly the initial three elephants exhibited physical contact and friendly behaviours to a greater extent than the new bull did. But the frequency and the motivation of the associations depended on the social partner both in the case of the initial group members and the new one. Furthermore the behaviour of the new elephant indicated social isolation and an elevated stress level. Beside a high frequency of social interactions, the existence of a domi-nance hierarchy and the progressive integration of the new bull suggest a stable social structure and therefore support the concept of keeping young bulls in same-sex groups.

 

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Gruppendynamik bei jungen Asiatischen Elefantenbullen (Elephas maximus L.) im Zoo Heidelberg – Integration eines Neulings in eine bestehende Herde
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© Peter Dollinger, Zoo Office Bern hyperworx