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LEMBECK, M. (2009)

Elterliches Fürsorgeverhalten bei der Jungenaufzucht und Verhaltensentwicklung bei Gibbons: Eine vergleichende Studie des Siamang- und Weisshandgibbons.

Differential parental investment and behavioural development in Gibbons: comparison between Siamang (Symphalangus syndactylus) and Lar Gibbon (Hylobates lar).

Masterarbeit

100 Seiten

Karl-Franzens Universität Graz, Institut für Zoologie
Leitung: A.O. Univ.-Prof.Dr.phil. Gerhard Skofitsch, Dr. Cornelia Franz
Tiergarten Schönbrunn, Tierwelt Herberstein

Ganzer Text

Zusammenfassung:

Siamangs und Weisshandgibbons leben in, für uns Menschen, idyllischen, für Menschenaffen, eher seltenen Familienverhältnissen: in Einehe. Das bedeutet im Weiteren, dass Männchen und Weibchen ihr Leben lang zusammen bleiben, ein gemeinsames Territorium verteidigen und Nachwuchs zeugen. Auf Grund dieser Gegebenheiten ist anzunehmen, dass eine elterliche Rollenverteilung bei der Jungenaufzucht bestehen könnte. Daher wurde eine Siamangfamilie in der Tierwelt Herberstein mit einer Weisshandgibbonfamilie im Tiergarten Schönbrunn, die jeweils aus Vater, Mutter, der 2-jährigen Tochter und dem wenige Wochen alten Baby bestand, beobachtet. Wie sich herausstellte, gab es nicht nur Unterschiede im allgemeinen Sozialverhalten zwischen den Gruppenmitgliedern, sondern auch im Anteil der väterlichen Fürsorge gegenüber den Jungen. Während die Siamangfamilie viel mehr Zeit in Körperkontakt verbrachte und dabei gegenseitiges Felllausen oder gemeinsames Spiel im Vordergrund standen, verbrachten die Weisshandgibbons viel mehr Zeit mit der Beobachtung ihrer Umgebung beziehungsweise mit Ruhen. Weiteres lässt sich sagen, dass das Siamang- Männchen sich intensiver um die Jungen kümmerte, als das Weisshandgibbon-Männchen, welches nie beim Tragen des Babys beobachtet wurde und wesentlich weniger Zeit mit der Tochter im gemeinsamen Spiel verbrachte.

Diese und weitere Ergebnisse lassen darauf schließen, dass sich Grundbedürfnisse wie Sicherheitsgefühl und Erkundungsdrang während der verschiedenen Stadien der Jungenentwicklung in elterlichem Rollenverhalten widerspiegeln. Während die Mutter im 1. Lebensjahr die primäre Bezugsperson darstellt, ersetzt der Vater ab dem 2. Lebensjahr einen gleichaltrigen Spielkameraden, sodass nach und nach mehr Zeit mit dem Vater, als mit der Mutter verbracht wird. Allerdings gibt es Artunterschiede, die den Zeitaufwand der Eltern betreffen, trotz gleichem Sozialleben und somit Anlass zur Diskussion geben. Eine mögliche Erklärung dafür könnte im Fressverhalten liegen: Während Siamangs sich hauptsächlich von Blättern ernähren, die ja das ganze Jahr im Überfluss vorhanden sind, fressen Weisshandgibbons bevorzugt Früchte. Die meisten davon sind allerdings nur saisonal vorhanden und dann nur verstreut auf bestimmten Bäumen. Daher könnte es nicht nur zwischen benachbarten Weisshandgibbongruppen zu einem Konkurrenzgefühl, sondern selbst innerhalb der Familiengruppen zu Streitigkeiten um Nahrung kommen. Somit könnte sich im Laufe der Evolution ein geringeres Gemeinschaftsgefühl entwickelt haben und nun weniger Zeit in soziale Verhaltensweisen, wie es auch das väterliche Fürsorgeverhalten ist, investiert wird, als in Siamangfamilien. So die Theorie, dennoch: Selbst wenn man solche Ergebnisse von Verhaltensstudien in größeren Zusammenhängen betrachtet, dürften diese grundsätzlich komplexeren Mechanismen unterliegen und Anlass dafür geben, immer neue, interessante Aspekte aufzuwerfen, insbesondere wenn man mit Menschenaffen, wie es auch Gibbons sind, arbeitet.

Abstract:

Siamangs and lar gibbons live in monogamous family groups consisting of an adult pair and 1-3 offspring. Cooperative care for offspring is expected for monogamous mammals though little is known about the differential parental investment during infant development. Ontogenetic changes in the needs of the infant in respect to security and exploration should be reflected in differential parental investment. Mothers as the primary attachment figures are expected to provide security during the first months of life whereas fathers supply the need for exploration in play behaviour during later infancy. These assumptions are studied in a group of siamangs (n=4) in the wild animal park “Tierwelt Herberstein”, as well as in a group of lar gibbons (n=4) in the Vienna zoo “Schönbrunn”, both Austria, with similar group composition and infants of similar age. In order to compare social behaviour and infant development data for both species were collected at similar developmental stages of the infants. Additionally, the ontogenetic development of the siamang infant was tracked continuously until the age of six months. At the age of about one year, additional data on the infant’s activity budget were collected additionally. The results support a model of complementary parental investment with a higher amount of maternal investment in terms of caring behaviour during early infancy and a higher amount of paternal investment in terms of play behaviour in later juvenile stages in both species. In particular, a correlation between the siamang infant’s increasing age and the decreasing amount of mother – infant body contacts was found, which indicates prospective change in the infant’s integration in social interactions among the family group. Paternal care in the siamang group was mainly obvious in the more frequent play with the offspring compared to the adult female’s contribution. Further the adult male played significantly more often and longer with the juvenile female, than the adult female did and was observed, though rarely, to carry the infant. Similarly, the lar gibbon father was observed to spend more time in offspring – play than the adult female, particularly he played significantly more often and longer with the juvenile female. Nevertheless, the lar gibbon father invested less time in interactions with offspring than the siamang father. These results support the hypothesis of the siamang male to be outstanding among gibbons, as conducting intensive care in offspring rearing. Species differences are reflected in significantly lower rates of social interactions among family members in the lar gibbon group compared to the siamang group. These results are consistent with studies from both, the wild and captivity, possible originating from differing intra-specific feeding competition mechanism

 

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