Möwen, Seeschwalben, Alken

Sturmmöwe

Sturmmöwe (Larus canus), Zoo Heidelberg Sturmmöwe (Larus canus), Zoo Heidelberg
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern

Ordnung: Wat- und Strandvögel (CHARADRIIFORMES)
Unterordnung: Möwenverwandte (LARI)
Familie: Möwen (Laridae)

D LC 650

Sturmmöwe

Larus canus • The Common Gull • Le goéland cendré

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Sturmmöwe (Larus canus) im Zoo Heidelberg © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

 

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Approximatives Brutareal der Sturmmöwe (Larus canus)

 

 

 

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Sturmmöwe (Larus canus) im Zoo Heidelberg © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

 

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Sturmmöwe (Larus canus) im Ohrada Zoo, Hluboká an der Moldau © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

 

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Sturmmöwe (Larus canus), wild lebend in Helsinki © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

 

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Die global nicht gefährdete Sturmmöwe ist als einheimische Tierart, deren Bestände gebietsweise durch das Sammeln der als Delikatesse geltenden Eier eingebrochen sind, die aber andernorts ihr Areal ausdehnen konnte, von zoopädagogischem Interesse. Sie wird aber nur in wenigen europäischen Zoos gezeigt.

Körperbau und Körperfunktionen

Die Sturmmöwe erreicht eine Gesamtlänge von 40-46 cm, eine Flügelspannweite von 110-125 cm und ein Gewicht von etwa 350 (290-550) g. Das Körpergefieder ist weiß, der Mantel bläulichgrau wie bei der Silber- oder Mittelmeermöwe. Die Flügel haben einen weißen Hinterrand und schwarze Handschwingen mit weißen Spitzen und zum Teil einem weißen, subterminalen Spiegel. Schnabel und Füße sind grünlich-gelb bis grau-grünlich, die Iris ist braun, der Orbitalring rot [3; 4; 5].

Verbreitung

Holarktis: Nördliche Regionen von Europa, Asien und Nordamerika. Zieht im Winter auch in die südlicheren Regionen (Mexiko, Mittelmeer-, Schwarzmeer- und Kaspiseeraum, Nordafrika, arabischer Golf, Südchina). Die Rote Liste der IUCN führt etwa 90 Länder und Territorien auf, in denen die Art als Brut-, regelmäßiger Zug- oder Gastvogel auftritt [1].

Situation in Europa: In manchen Teilen des Areals, in Dänemark, Norwegen und Estland, sind die Bestände rückläufig. Andererseits hat die Sturmmöwe, die zuvor nur in Nordeuropa brütete, im 20. Jahrhundert ihr Brutareal bis ans Mittelmeer ausgedehnt und ist dabei weit ins Binnenland vorgestoßen. 1956 wurde die erste Brut in Baden-Württemberg am Federsee, 1959 im Vorarlberger Rheindelta, 1961 in Bayern am Chiemsee, 1963 am Neuenburgersee in der Schweiz und 1966 an der Dransemündung in Frankreich registriert. BIRDLIFE gibt die Brutbestände für Österreich mit 4-5 Paaren, für die Schweiz mit 1-3 Paaren und für Deutschland mit 22'000-24'000 Paaren an [2]. In der Schweiz wurden allerdings seit 2015 keine Bruten mehr bekannt. Im Januar 2020 ergab die Wasservogelzählung 1'890 überwinternde Exemplare [6].

Als Wintergast war sie in der Schweiz schon im 18. und 19. Jahrhundert bekannt, jedoch war ihre Zahl stets bescheiden. Noch 1950 wurden erst 50 Vögel gezählt. Danach explodierte ihre Zahl: 1997 wurden im Rahmen der Wasservogelzählung 11'919 Sturmmöwen erfasst. Dies ist einerseits das Ergebnis der Arealausweitung, andererseits hat es mit der eingeschleppten und nun massenhaft vorkommenden Wandermuschel (Dreissena polymorpha) zu tun: Wandermuscheln bilden eine wichtige Nahrungsgrundlage für Blässhühner und Tauchenten, und die Sturmmöwen haben sich darauf spezialisiert, diesen ihre Beute abzujagen, wenn sie damit auftauchen [7].

Lebensraum und Lebensweise

Die Sturmmöwe brütet an Meeresküsten, Binnenseen und Hochmooren. Teilweise sind sie Kurzstreckenzieher, die ab August das Brutgebiet verlassen und ab Ende Februar wieder zurückkehren. Ihre Nahrung besteht in größerem Ausmaß als bei anderen Möwen aus Regenwürmern und anderen bodenlebenden Wirbellosen, die sie auf Äckern und im Grünland findet. Das Gelege besteht aus 3 Eiern, die während 24-26 Tagen bebrütet werden. Die Küken werden mit 30-35 Tagen flügge, schnell unabhängig und schreiten mit 3 Jahren erstmals zur Fortpflanzung [3; 4; 5; 7].

Gefährdung und Schutz

Die Sturmmöwe hat ein sehr großes Verbreitungsgebiet und ist mit einem geschätzten Bestand von 2.5 bis 3.7 Millionen erwachsenen Vögeln auch sehr häufig. Sie wird deshalb als nicht gefährdet betrachtet (Rote Liste: LEAST CONCERN) [1].

Der internationale Handel ist unter CITES nicht geregelt. Die Art fällt unter Anhang 3 der Berner Konvention über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume, der Bonner Konvention über wandernde Tierarten und  Anhang 2 des African-European Waterbird Agreements (AEWA).

Bedeutung für den Menschen

Wirtschaftliche Bedeutung: Gebietsweise wird die Sturmmöwe als Sport bejagt, zur Fleisch- oder Eiergewinnung genutzt oder für den internationalen Tierhandel gefangen [1]. An der deutschen Ostseeküste haben trotz intensiven Eiersammelns die Bestände zum Teil zugenommen [5]. In Deutschland und der Schweiz fällt sie unter das Jagdgesetz. In der Schweiz und manchen deutschen Bundesländern ist sie aber ganzjährig geschont

Kulturelle Bedeutung: Der deutsche Dichter Christian MORGENSTERN [8] hat den Möwen in seinen erstmals 1905 von Bruno CASSIRER verlegten "Galgenliedern" (1952) ein skurriles literarisches Denkmal gesetzt:

Christian Morgenstern: Möwenlied

Haltung

Eine Vergesellschaftung mit anderen Seevögeln ist möglich und wird häufig praktiziert, z. B. mit diversen Enten und anderen Möwenarten, Trielen, Austernfischer, Kampfläufern, Stelzenläufern und Säbelschnäblern.

Haltung in europäischen Zoos: Die Art wird nur in wenigen Zoos gezeigt. Für Details siehe Zootierliste.

Wie Sturmmöwen gehalten werden (Beispiel):

Mindestanforderungen an Gehege: In Deutschland und Österreich gibt es keine konkreten Mindestanforderungen an Gehege für Möwen. Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 1.2.2022) schreibt für die Haltung von bis zu 10 kleineren Möwen eine Voliere mit einer Grundfläche von 60 m² und einer Höhe von 4 m mit einem 6 m² großen Wasserbecken vor.

Taxonomie und Nomenklatur

Die Sturmmöwe wurde 1758 von Carl von LINNÈ unter ihrem heute noch gültigen Namen erstmals wissenschaftlich beschrieben. Es werden vier Unterarten anerkannt [3]. Der deutsche Name "Sturmmöwe" kommt daher, dass die Vögel bei schlechtem Wetter oft in großen Schwärmen ins Binnenland ausweichen [5].

Literatur und Internetquellen

  1. BIRDLIFE INTERNATIONAL (2018). Larus canus. The IUCN Red List of Threatened Species 2018: e.T22694308A132540312. http://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2018-2.RLTS.T22694308A132540312.en. Downloaded on 10 September 2019.
  2. BIRDLIFE INTERNATIONAL (2015). Larus canus. The IUCN Red List of Threatened Species 2015: e.T22694308A60081396. Downloaded on 17 September 2019.
  3. DEL HOYO, J., ELLIOTT, A. et al. (eds., 1992-2013)
  4. GRUMMT, W. & STREHLOW, H. (2009)
  5. GRZIMEK, B. (Hrsg. 1970)
  6. KNAUS, P., SATTLER, T., SCHMID, H., STREBEL, N. & VOLET, B. (2020) 
  7. MAUMARY, L. , VALLOTTON, L. & KNAUS P. (2007)
  8. MORGENSTERN, C. (1952)

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