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PULST, J. (2009)

Triadische Intervention: Gelten die Kummerschen Regeln auch bei Caniden?

Diplomarbeit

90 Seiten

Erstprüfer: Apl. Prof. Dr. Günter Purschke, Fachbereich Zoologie, Universität Osnabrück
Zweitprüfer: PD. Dr. Udo Gansloßer, Zoologisches Institut und Museum Universität Greifswald
Universität Osnabrück
Zoo Osnabrück
Zoo Münster

Zusammenfassung:

In der vorliegenden Arbeit sollten die von KUMMER 1975 bei zwei Primatenarten aufgestellten Regeln der Beziehungsbildung in einer Gruppe bei Caniden getestet werden.

Insbesondere waren die triadischen Einflüsse in einer Gruppe von Interesse; daher wurden die Kummersche Regel 5 „Zwei Dyaden in einer Triade mit hoher und nahezu gleicher Kompatibilität sind inkompatibel. Die Dyade mit höherer Statussumme entwickelt sich zuerst, die Entwicklung der anderen ist verzögert“ und die Kummersche Regel 8 „Ein Dritter interveniert nur in eine Dyade, wenn er mindestens einem der beiden gegenüber dominant ist“ näher untersucht. Hierzu wurden drei Alternativ-Hypothesen formuliert:

1. Der dritte Canide interveniert häufiger, wenn er gegenüber mindestens einem Caniden der Dyade ranghöher ist.
2. Der dritte Canide wird häufiger versuchen das Spiel des ranghöheren Caniden der Dyade mithilfe von Verhaltensweisen der sozialen Annäherung oder des Spiels auf sich zu ziehen.
3. Der dritte Canide unterstützt den ranghöheren Caniden in einer agonistischen Auseinandersetzung, indem er häufiger aggressive oder Imponiersignale gegen den rangniedrigeren Caniden sendet.

Exemplarisch wurden Daten mittels des Sequence Sampling in einem Junggesellenrudel Europäischer Wölfe (Canis lupus lupus), einem Schwesternverband Iberischer Wölfe (Canis lupus signatus) und einer laufenden Gruppe juveniler Haushunde (Canis lupus f. familiaris) erhoben. In den beiden Wolfsgruppen wurden die Daten mittels eines Protokollblattes aufgezeichnet und in der Hundegruppe wurden die Sequenzen gefilmt und anschließend ausgewertet. Das Interventionsverhalten wurde hierfür basierend auf FEDDERSEN-PETERSEN 2008 in Verhaltenskategorien eingeordnet und die für die Feststellung der situativen Dominanz verwendeten dominanzanzeigenden und rangtiefen Verhaltensweisen stammten aus FEDDERSEN-PETERSEN 2004. Die Rangordnungen der drei Gruppen wurden mittels der Formel von Biswas & Craig erstellt und die Ergebnisse der Hypothesen mit dem Chi2-Anpassungstest und dem Vierfelder-Chi2-Test statistisch abgesichert.
Die Hypothesen wurden bei den Wölfen in agonistischen Situationen und bei den Haushunden in Spiel-Situationen überprüft. Die Arbeit lieferte folgende Ergebnisse:

• Die erste Hypothese und somit die Kummersche Regel 8 konnte in allen drei Gruppen signifikant bestätigt werden.
• Bei den Haushunden intervenierten Rüden signifikant häufiger als Hündinnen.
• Bei den Haushunden lieferte die Überprüfung der Kummerschen Regel 5 keine signifikanten Ergebnisse. Weder war das Ziel der Intervention signifikant häufiger der Ranghöhere der Dyade, noch wurden bevorzugt spielerisches Verhalten bzw. Signale der sozialen Annäherung bei der Intervention genutzt.
• Signale dieser Verhaltenskategorien wurden auch nicht bevorzugt gegenüber dem rangniedrigeren Hund gezeigt.
• Meist führte eine Intervention mit spielerischen Signalen oder mit denen der sozialen Annäherung gegen den Ranghöheren und auch gegen den Rangniedrigeren dazu, dass der Intervenierende nicht ins Spiel integriert wurde, die beiden Hunde der Dyade interagierten anschließend alleine weiter oder jegliche Interaktion hörte auf.
• Ein Zusammenhang zwischen dem Geschlecht des Ziels und dem Rang des Ziels wurde in der Hundegruppe gefunden. Rangniedrigere Rüden oder ranghöhere Hündinnen waren eher das Ziel.
• Die Kummersche Regel 5 konnte auch bei den Europäischen Wölfen nicht bestätigt werden. Ziel von Dritten waren sowohl Rangniedrigere wie auch Ranghöhere.
Allerdings wurden signifikant häufiger aggressive oder Imponiersignale als andere Verhaltensweisen an den Rangniedrigeren gerichtet. In 11 von 19 Fällen kam es dabei zu einer Allianz bzw. Koalition gegen den Rangniedrigeren.
• Auch gegen den Ranghöheren wurde signifikant häufiger aggressiv oder mit Imponiersignalen interveniert. Das Ergebnis der Intervention fiel sehr heterogen aus.
• Bei den Iberischen Wölfinnen konnte die Kummersche Regel 5 eindeutig bewiesen werden, in 100 % der Fälle war die rangniedrigere Wölfin der Dyade das Ziel und diese erhielt auch nur aggressive und Imponiersignale.
• In 15 von 20 Fällen kam es dabei zu einer Allianzbildung gegen die rangniedrigere Wölfin.

Die Ergebnisse dieser Arbeit lassen den Schluss zu, dass Caniden bei der Beziehungsbildung weniger individuelle Strategien wie die von Kummer untersuchten Primaten verfolgen, sondern vielmehr soziale Netzwerke bilden, die auf Kooperation basieren. Die Beziehungsbildung und Gruppenformierung der Caniden weichen somit entscheidend von denen der Primaten ab.

 

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© Peter Dollinger, Zoo Office Bern hyperworx