M

MAISCH, H. (2005)

Ist das Fortpflanzungssystem bei Rothunden (Cuon alpinus) die Ursache oder eine Konsequenz des Rudellebens?

Dissertation

559 Seiten

Fachbereich Biologie/Chemie, Prof. Dr. R. Schröpfer
Universität Osnabrück
Zoo Osnabrück

GOOGLE Books

Zusammenfassung:

Rothunde (Cuon alpinus, Pallas 1811) gehören zu den mittelgroßen, rudellebenden Caniden. In dieser Studie wurden die ultimaten Gründe für einen Verbleib der Nachkommen im Rudel (auch über ihre Geschlechtsreife hinaus) erörtert und die proximaten Mechanismen, wie Rudelleben koordiniert wird, erforscht. Als Forschungsansatz wurde hypothetisch angenommen, dass Rothunde nicht wegen der kooperativen Jagd im Rudel leben, sondern aufgrund der hohen prä- und postnatalen Kosten einer Aufzucht. Die Reproduktion ist dabei auf das Alphapaar beschränkt, die restlichen Rudelmitglieder sind obligate Helfer, die durch ihre Verwandtschaft mit dem Alphapaar indirekt an Fitness gewinnen. Schwerpunkte der Grundlagenforschung waren deshalb die Paar- und Rudelbildung sowie die Koordination des Zusammenlebens mittels optischer und olfaktorischer Kommunikation. Des Weiteren fanden die Reproduktion und die Aufzucht besondere Beachtung. Im angewandten Bereich der Studie wurde der Einfluss verschiedener haltungsspezifischer Parameter auf den Reproduktionserfolg der Rudel in zoologischen Gärten untersucht. Methoden In den Jahren 2001 bis 2004 wurden drei verschiedene Rudel in zwei unterschiedlichen Tiergärten untersucht. Sowohl die Haltungsbedingungen, Gruppengrößen als auch die Geschlechterverhältnisse in diesen Rudeln waren verschieden. Dadurch konnten verschiedenste Einflussfaktoren auf das Rudelleben ermittelt werden. Neben direkten Beobachtungen vor den Anlagen wurden Infrarotaufnahmen von der Geburt und der Aufzucht in Wurfhöhlen gemacht.

Ergebnisse

  • Wie hypothetisch angenommen, konnte eine Reproduktionsunterdrückung beim Rothund belegt werden. Aufgrund hoher prä- und postnataler Kosten für die Reproduktion, wird die Anwesenheit von Helfern beim Rothund und damit das Rudelleben obligat.
  • Rudel mit 1,1 Rothunden bringen oft keine Welpen zur Welt. Rudel mit vier und mehr Wildhunden reproduzieren sich dagegen erfolgreich. Die Würfe sind durchschnittlich größer als die von zwei- und dreiköpfigen Rudeln.
  • Die Kommunikation im Rudel begann bei der Bildung des Alphapaares. Jeweils die ranghöchsten Tiere der Geschlechtergruppe nahmen ab dem ersten Tag die Alphaposition ein. Imponierendes Verhalten und paarbindendes Verhalten trat am häufigsten zwischen den Alphatieren auf. Beide Alphatiere markierten von Beginn an. Geruchliche Prüfungen der Anogenitalregion traten besonders beim Kennenlernen zwischen den Rothunden auf, die sich bisher nicht kannten, sowie verstärkt zwischen den Alphatieren.
  • Soziopositives und sozionegatives Verhalten führten zur Festigung der Hierarchie im neu gebildeten Rudel. Beschwichtigendes Verhalten war vorherrschend.
  • Mittels Hierarchien innerhalb der Geschlechter sicherten die Alphatiere ihre Vormachtstellung bereits ab September noch vor der Vorpaarungszeit im November/Dezember. Wie angenommen, trat in der Vorpaarungszeit verstärkt paarbindendes Verhalten zwischen den Alphatieren auf. Zeitgleich kam es zu steigender Intoleranz der Alphahündin zu ihrer rangniedrigen Schwester. Diese suchte vermehrt Kontakt zum Rüden. VIII. Zusammenfassung 506
  • Es markierten im gesamten Jahresverlauf ausschließlich die Alphatiere. Durch Markierungsverhalten betonten sie ihre Vorrangstellung bereits vor der Vorpaarungszeit. Das Markierungsverhalten stieg zur Vorpaarungszeit weiter an und erreichte die maximale Rate in der Paarungszeit. Sie markierten nur einen Kot und Urin sowie den des Partners. Alle Rudelmitglieder prüften die Markierungsstellen geruchlich.
  • Markierungsverhalten hat beim Rothund keine territoriale Funktion. Das Verhalten ist wichtig für die Paarbindung und dient möglicherweise als „Besitzanzeige“ für weitere Rudelmitglieder. Es dient damit der rudelinternen Kommunikation. Rothunde vermögen an Kot und Urin das Individuum und zumindest bei Ausscheidungen der Hündinnen, den Fortpflanzungsstatus zu erkennen. Kot bzw. Urin des Partners wurde von den Alphatieren bevorzugt markiert.
  • Die Alphatiere haben das Fortpflanzungsmonopol. Während der Paarungszeit verhinderte das ranghöchste Weibchen eine Verpaarung ihrer Geschlechtsgenossen. Trotz optimaler Versorgung mit Nahrung wurde jeweils nur ein Wurf geboren, obwohl mehrere fertile Weibchen vorhanden waren. Anders als hypothetisch angenommen, prüfte die Alphahündin nicht häufiger ihre östrische Schwester geruchlich, sondern vermehrt den Rüden.
  • In der Trächtigkeitsphase der Alphahündin befriedete sich das gesamte Rudel. Das Alphapaar grenzte sich nicht mehr vom restlichen Rothundrudel durch Markieren ab. Soziopositive Verhaltensweisen wie submissives Begrüßungsverhalten (ritualisiertes Futterbettelverhalten von Welpen), Spielverhalten oder spielerische Körperkontakte, nahmen im Rudel in dieser Zeit zu.
  • Das ritualisierte Futterbettelverhalten der Adulttiere wurde während der Trächtigkeit von den Hündinnen wieder verstärkt im ursprünglichen Kontext, dem Nahrungserwerb, angewandt. Die Alphahündin monopolisierte zusätzlich den Zugang zu Nahrung, sowohl bei der Fütterung als auch durch das Vergraben von Nahrung, der Aneignung von fremden Futterdepots und der Verteidigung von Futterlagern.
  • Die Anwesenheit von Helfern (Jährlingen) bei der Aufzucht führte zu einer stärkeren Verteilung der Aufgaben bei der Aufzucht. Die Elterntiere wurden merklich entlastet.
  • Bei der Aufzucht kam es zur Rollenverteilung im Rudel. Geschlechter und Altersklassen hatten dabei verschiedene Aufgaben. Die Welpen wurden hauptsächlich vom Muttertier gesäugt, und in geringerem Maße von einem zweiten Weibchen. Weibchen und Jährlinge trugen den Welpen Futter zu. Das Vatertier dagegen versorgte hauptsächlich zunächst das Muttertier und später dann auch die Jungen mit Nahrung. Das Vatertier bewachte den Höhleneingang. Als Jährlinge vorhanden waren, übernahmen sie diese Aufgabe in Höhlennähe und bewachten Welpen im Gelände.
  • Durch eigene Erfahrung waren die Wildhunde von Aufzucht zu Aufzucht ruhiger und gelassener. Fehlverhalten wie übersteigertes Umhertragen von Welpen mit falschen Tragegriffen kam in späteren Jahren nicht mehr vor. Die Welpen wurden dann erfolgreich aufgezogen.
  • Die Gehegegröße und Ausstattung hat weitreichende Konsequenzen für die erfolgreiche Zucht von Rothunden im Menschenobhut.

Abstract:

Dholes (Cuon alpinus, Pallas 1811) are medium-sized canids. They live in packs. This study investigates ultimate factors of the delayed dispersal of fertile offspring and focuses on the proximate mechanisms of co-ordinated pack activities. In this study, hypothetically, dholes do not live in packs because of the communal hunting. It is rather the high pre- and postnatal investment of raising young which forces dholes to live in social groups. Reproduction is limited to the alpha-pair. All other pack members serve as obligate helpers. As they are relatives of the breeding pair, they gain indirect fitness. The main emphasis of the basic science was put on pair and pack formation as well as the mechanisms of pack co-ordination via optical and chemical communication. Reproduction and rising of young was also of main interest. The influence of different husbandry parameters on reproductive success of dholes in zoological institutions were the basic question in the field of applied science. Methods In two different institutions three packs were monitored from 2001 to 2004. Husbandry conditions, pack size and sex ratios varied between the study packs. The influence of those factors on dholes could therefore be investigated. Direct observations as well as infrared video-recording within dens were used to gather data.

Results

  • Dholes use reproductive suppression. Helpers at the dhole den are necessary because of high pre- and postnatal costs for the development of pups.
  • Packs which consist of 1,1 dholes seldom reproduce. Packs with four or more members on the other hand reproduce successfully. There, average litter size is bigger than in packs with two or three dholes.
  • In newly formed packs the highest ranking animals of both sexes became alpha-pair within the first day of the encounter. Communication started between the new pack members with bonding. Dominance displays as well as behaviour associated with the pair bond were most often shown by and between alpha-animals. Both alpha-animals marked from the beginning. Olfaction of body odours was important between so far unfamiliar dogs and was seen most often between the alpha-pair.
  • The hierarchy was supported by sociopositive and –negative behaviour. Submissive and friendly behaviour was predominant.
  • The alpha-animals secured their dominant position within same sex groups through the dominance order. The manifestation of the hierarchy took place already in September, way ahead of the pre-oestrus period of November/December. As supposed, the pair bonding behaviour of the alpha-pair increased during pre-oestrus. In the same time the dominant female became intolerant of her subordinate sister. The submissive bitch showed increased interest in the alpha-male.
  • The alpha-pair showed its priority status by increased marking behaviour from September onwards to the breeding season. It peaked during the oestrus. Only the alphaanimals showed any marking behaviour throughout the year. They exclusively marked urine and faeces of their partner and their own samples. VIII. Zusammenfassung 508
  • Marking behaviour of dholes has no territorial meaning. But it is important for the pair bond and may serve as indicator of “possession” for other pack members. Dholes are able to differ between individual pack members from faecal samples or urine. Secretions of females give information about their reproductive status.
  • The highest ranking female hindered the subordinate female from copulating. Although there was a surplus of food and several fertile females present, only one bitch gave birth to pups every year. Unlike expected, the dominant female did not sniff or lick the vulva of her sister in heat more often than the genitals of her mate.
  • During pregnancy the whole pack got calm and friendly. The alpha-pair gave up separating itself from the rest of the pack by marking and threat displays. Sociopositive behaviours increased, like greeting (which is a ritualised, infantile “begging for food” behaviour), playing or playful close contacts.
  • The females used the infantile „begging for food“ behaviour during the pregnancy often in its original meaning, e. g. to get food, and less often in its ritualised meaning as greeting behaviour. The alpha-female also monopolised access to food in several different ways, like during feeding hours and she also cached food, acquired foreign food caches and defended them.
  • With the presence of additional helpers (yearlings) the tasks of caring for pups were spread more evenly within the pack. The parents were greatly relieved.
  • All pack members had different tasks during the rearing season, which depended on sex and age class of the individual. Pups were mainly suckled by their mother and in a minor way by the second female. Females and yearlings brought food to the pups. The sire provisioned both pups and lactating females. The sire guarded the entrance of the den. Later, when yearlings lived with the pack, they took over guard duties.
  • Every year the dholes got more relaxed in each rearing season. Maladaptive behaviour like exaggerated carrying of pups and gripping them at the wrong parts of the body decreased every year. Then, pups were raised successfully.
  • The size and fittings of enclosures influences successful reproduction of dholes in captivity.

maisch-biblio

Gelesen 7670 mal Letzte Änderung am Mittwoch, 20 Juni 2018 09:25
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern hyperworx