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SCHUBERT, C. (2006)

Bedeutung chronoethologischer Erkenntnisse und Methoden zur Beurteilung des Wohlbefindens und der artgerechten Haltung von Elchen (Alces alces) in Menschenobhut.

Importance of chronoethological findings an methods to evaluate welfare orientated animal husbandry of Moose (Alces alces) in captivity.

Dissertation

307 Seiten, 154 Abb. und Anhang mit weiteren Abb.

Neurobiologie Circadianer Rhythmen, Prof. Dr. G. Fleissner
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt
Opel-Zoo Kronberg

Voller Text

Zusammenfassung:

Elche stellen eine Problemart in der Zootierhaltung dar. Sie erreichen im Zoo entgegen dem Trend, dass Tiere in Menschenobhut älter werden als ihre frei lebenden Artgenossen, meist weniger als die Hälfte des biologisch möglichen alters. Besonders schwierig gestaltet sich die adäquate Fütterung, da die Tiere sehr stark von der Gabe frischer Laubäsung abhängen und die Fütterung mit Ersatzfuttermitteln, wie z.B. Heu, langfristig nicht erfolgversprechend ist. Zudem sind die Tiere sehr anfällig für Parasiten und eine von Schafen übertragene Viruserkrankung (Bösartiges Katarrhalfieber). Ihr hoher Platzbedarf und das Problem der innerartlichen Aggression machen die Haltung dieser größten Hirschart zusätzlich kompliziert. In dieser Arbeit wird die Methode der angewandten Chronoethologie in der Zootierhaltung vorgestellt, die sich die von der Inneren Uhr gesteuerten Verhaltensrhythmen einer Tierart zur Beurteilung ihres Wohlbefindens und ihrer Haltungsbedingungen in der künstlichen Zooumwelt zu Nutze macht. Der Besitz einer Inneren Uhr stellt in der hochgradig rhythmisch organisierten Umwelt einen Selektionsvorteil im Sinne einer frühzeitigen Anpassung an wiederkehrende Umweltbedingungen dar. Die Innere Uhr ist so alt wie das Leben selbst, genetisch fixiert, über Zeitgeberreize mit ihrer Umwelt synchronisiert und regelt die Lebensvorgänge von Organismen auf allen organisatorischen Ebenen, auch auf der Ebene des Verhaltens. Ist der normale Verhaltensrhythmus einer Tierart bzw. eines Individuums bekannt, ist es möglich, aus Abweichungen von der Norm auf Störungen des Organismus – auf Unwohlsein – zu schließen. Anhand des Vergleiches von drei Elchhaltungen mit jeweils zwei Tieren, die unter verschiedenen Bedingungen gehalten wurden, konnte mit Hilfe zeitgeraffter Videoaufzeichnungen und dem Einsatz eines Speichertelemetriesystems die folgenden Faktoren als einflussreich auf das Verhaltensmuster von Elchen in Menschenobhut identifiziert werden.

Die nächtliche Aufstallung von Elchen ist aufgrund des Raum- und Reizmangels in den Boxen ein erheblicher Eingriff in das natürliche, gleichmäßig über den Tag und Nacht verteilte Verhaltensmuster der Tiere. Außerdem sind sie in ihrem Verhalten hochgradig vom täglichen Ablauf des Pflegeralltages im Zoo beeinflusst. Feste Fütterungszeiten können einen starken Zeitgeberreiz darstellen, den die Elche in den beiden naturfernen Haltungen stärker zu antizipieren scheinen als den Zeitgeber „Licht“. Größe und vor allem Strukturierung des Außengeheges haben einen Einfluss auf dessen zeitliche und räumliche Nutzung. Abschüssige Gehegeteile können die unerwünschte Verhaltensweise Grasen fördern. In unseren mitteleuropäischen Breiten leiden die Elche im Sommer unter Hitzestress, was sich in verringerter Aktivität widerspiegelt. Ein hohes Besucheraufkommen kann die Tiere ebenfalls in ihrem Verhalten beeinflussen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass sich der Elch schnell an die Zoogegebenheiten und viele Besucher gewöhnt.

Durch den Vergleich der verschiedenen Haltungsbedingungen konnte in der vorliegenden Arbeit Vorschläge zur Verbesserung der Haltung von Elchen in Menschenobhut und zu ihrem zeitlichen Management gemacht werden. Der Elch hat sich aufgrund des für Wiederkäuer typischen, sehr geregelten Verhaltensrhythmus aus alternierenden Aktivitäts- und Ruhephasen, der auch unter den verschiedenen Haltungsbedingungen prinzipiell bestehen beleibt, als sehr gut geeignetes Modelltier für die Anwendbarkeit der Methode der Angewandten Chronoethologie in der Zootierhaltung herausgestellt. Abweichungen von der Norm können leicht erkannt werden. Änderungen im Verhaltensmuster in Form erhöhter lokomotorischer Aktivität lassen bei den untersuchten Tieren auf Unwohlsein (Krankheit, Abweichungen von der täglichen Routine, unterbundenes Brunftverhalten) schließen und können im Sinne eines chronoethologischen Paradigmas als eine indikative Verhaltensweise gewertet werden. Das Ziel einer vollständig automatisierten Verhaltenserfassungs- und Auswertung mittels Bewegungsmeldern soll im restringierten Raum der Elchbox in einem weiteren Projekt verwirklicht werden, um damit Tierpflegern, Zooveterinären und Verantwortlichen ein gut handhabbares Mittel zur objektiven und langfristigen Beurteilung des Wohlbefindens ihrer Schützlinge zur Verfügung stellen zu können.

Abstract:

Moose are problem animals in zoo management. They only reach half of their biological possible age in zoos, contrary to the trend that zoo animals in captivity get older than their wild living conspecifics. Extremely difficult is an adequate feeding. The animals depend on feeding with fresh leaves and feeding with substitute feed like hay is not promising. Furthermore moose are prone to parasites and to a virus infection passed by sheep (bovine malignant catarrhal fever). Her need for large enclosures and intraspecific aggression makes it difficult to keep them in a zoo.

In this study the method of applied chronoethology in zoo husbandry is introduced.
Applied chronothology uses the activity rhythms of behavior of an animal which are regulated by the internal clock to evaluate animal welfare in zoo husbandry.
If the normal activity rhythm of animal behavior is known it is possible to see deviations and they suggest disturbances or discomfort. In this study three different Moose husbandries with two animals in each case were observed with time lapse video recordings and a telemetric monitoring system. Following factors could be identified as important for the behavioral activity pattern of moose in zoos.

The penning system during night is a massive intervention on the natural, equally pattern during night and day. Furthermore the moose are strongly influenced by the daily routine of the keepers. Fixed feeding times are probably a zeitgeber stimulation and this was more anticipated in the keeping systems with distance from nature than the zeitgeber light. Dimensions and structure of the outdoor enclosure have influence on the spatio-temporal use. Inclined parts in the enclosure probably help the animals to browse grass, which is not wanted. In our Central European latitude the moose suffer during hot times, which is reflected by a reduced activity.
A high frequency of visitors also influences the behavior of the animals. But it was shown, that moose are habituated fast to zoo conditions and many visitors.

Because of the comparison of different husbandry systems in this study it was possible to make suggestions to optimize husbandry conditions of moose in zoos and to their optimal timely management.

The moose turned out to be a good model for the use of the method of applied chronoethology in zoo husbandry, because they have a very controlled rhythm of a ruminant animal. Their behavioral pattern shows alternating phases of activity and resting, also in differnet husbandry conditions. It was easy to point out abnormalities from theier normal behavioral pattern. Changes in the behavioral pattern, like increased locomotion, allows the conclusion that the observed animals feel unwell (diseases, changes in daily routine, prevented rut). For the purpose of a chronoethological paradigm increased locomotion could be ssen as an indicative behavior. The aim is to develop an automatic system to record and evaluate behavior. In the restricted area of a moose box it should be possible with motion detectors. In a further study an automatic system should be developed as a tool to help keepers, veterinarians and people in authority to evaluate the welfare of their animals.

 

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© Peter Dollinger, Zoo Office Bern hyperworx