Antilopen

Gerenuk

Gerenuk (Litocranius walleri) im Tierpark Berlin Gerenuk (Litocranius walleri) im Tierpark Berlin
Klaus Rudloff, Berlin

Überordnung: LAURASIATHERIA
Taxon ohne Rang: CETARTIODACTYLA
Ordnung: Paarzeher (ARTIODACTYLA)
Unterordnung: Wiederkäuer (Ruminantia)
Familie: Hornträger (Bovidae)
Unterfamilie: Gazellenartige (Antilopinae)
Tribus: Gazellen (Antilopini)

D NT 650

Gerenuk, Giraffengazelle

Litocranius walleri • The Gerenuk or Waller's Gazelle • La gazelle de Waller

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Gerenuk-Bock (Litocranius walleri) im Tierpark Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Approximative Verbreitung der Giraffengazelle (Litocranius walleri)

 

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Gerenuk-Geiß (Litocranius walleri) im Zoo Miami © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Gerenuk-Bock (Litocranius walleri) im Zoo Miami © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Gerenuk-Bock im Zoo Berlin © Elias Neideck

 

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Gerenuk-Paar (Litocranius walleri) im Fort Worth Zoo © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Gerenuk-Bock (Litocranius walleri) im Ol Pejeta Conservancy, Laikipia District, Kenia © Rainer Revers, ehemals Zoo Salzburg

 

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Gerenuk-Paar (Litocranius walleri) im Tierpark Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Gerenuk-Paar (Litocranius walleri) mit Kitz im Tierpark Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Gerenuk-Kitz (Litocranius walleri) im Tierpark Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Gerenuk-Paar (Litocranius walleri) im Tierpark Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Gerenuk-Paar (Litocranius walleri) im Tierpark Berlin © Wolfgang Dreier, Berlin

 

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Gerenuk-Geiß (Litocranius walleri) im Tierpark Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

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Die Giraffengazelle oder das Gerenuk ist eine potenziell gefährdete Gazelle Ostafrikas, die durch ihren eigenartigen Körperbau auffällt und interessante Verhaltensweise zeigt. Im Zoo ist sie ein schwieriger Pflegling, Erfolge und Misserfolge halten sich in etwa die Waage, weshalb sie in Europa nur selten gezeigt wird.

Körperbau und Körperfunktionen

Das Gerenuk ist eine große Gazelle. Seine Kopf-Rumpflänge beträgt ungefähr 145 cm, Böcke haben eine Schulterhöhe von 89-105 cm und ein Gewicht von 31-52 kg, Geißen werden 80-100 cm hoch und 28.5-45 kg schwer. Der Schwanz ist etwa 23 cm lang. Der Kopf ist klein und schmal, die Schnauze schmal mit sehr beweglichen Lippen. Nur die Böcke haben bis etwas über 40 cm lange, stark geringelte und an der Basis recht dicke Hörner, die S-förmig erst nach hinten, dann nach vorne geschwungen sind. Die Ohren sind sehr groß, die großen Augen sind von einem weißen Ring umgeben. Die Voraugendrüse ist beim Bock ziemlich groß. Das Fell bildet auf dem Rücken einen rötlichbraunen Sattel, der sich scharf von der sonst oberseits helleren Färbung abhebt. Bauch, Beininnenseiten und Schwanzunterseite sind weiß, die Schwanzspitze ist schwarz. Bei der Nominatform verläuft der Haarstrich an der Halsoberseite kopfwärts [2; 3; 9].

Verbreitung

Ostafrika: Äthiopien, Dschibuti, Kenia, Somalia, Tansania [4].

Lebensraum und Lebensweise

Gerenuks besiedeln halbtrockenen und trockenen Dornbusch und Dornsavanne unterhalb einer Höhe von 1'600 m. Sie meiden Waldgebiete und sehr offene, von Gras dominierte Lebensräume. Sie ernähren sich von Blättern, Knospen und Blüten von Dornbüschen und Bäumen, zum Äsen richten sie sich bei Bedarf auf die Hinterbeine auf. Sie kommen gut ohne Wasser aus, die in Frankfurt gehaltenen Tiere konnten nie beim Trinken beobachtet werden. Die soziale Organisation umfasst Einzeltiere, Paare, sowie Harems mit bis zu 30 Tieren und eingeschlechtliche Gruppen. Erwachsene Böcke sind territorial [3; 4; 6; 9].

Im Rahmen des Paarungszeremoniells markiert der Bock die Ricke mit seinen Voraugendrüsen. Der bei Gazellen übliche Laufschlag ist beim Gerenuk besonders stark ritualisiert, der ausgestreckte Vorderlauf wird nicht selten bis zur Waagrechten emporgehoben. Nach einer Trächtigkeitsdauer von etwa 195-212 Tagen wird in der Regel ein einzelnes Kitz mit einem Gewicht von etwa 3 kg geboren. Dieses ist ein Ablieger, der von der Mutter anfänglich nur zum Säugen aufgesucht wird. Mit ungefähr einem Monat können die Kitze bipedal stehen. Ricken werden mit 11-12 Monaten, Böcke mit 18 Monaten geschlechtsreif [3; 5; 6; 9].

Gefährdung und Schutz

1995 wurde der Bestand grob auf 95'000 Individuen geschätzt. Etwa 10% der Tiere lebten in Schutzgebieten und waren dort einigermaßen sicher. Außerhalb der Reservate ist die Bestandstendenz abnehmend. Es wird geschätzt, dass der Bestand von 2002-2016 um 25% abgenommen hat. Die Art wird daher aufgrund einer Beurteilung aus dem Jahr 2016 als potenziell gefährdet eingestuft (Rote Liste: NEAR THREATENED) [4].

Der internationale Handel ist unter CITES nicht geregelt. Die Einfuhr lebender Tiere aus den Ursprungsländern ist jedoch wegen der restriktiven Veterinärbestimmungen der EU so gut wie ausgeschlossen.

Bedeutung für den Menschen

Die Giraffengazelle wird gebietsweise zur Gewinnung von Fleisch gejagt. Bei manchen Volksstämmen ist die Art aber mit einem Tabu belegt, das Fleisch gilt als unrein und wird verschmäht. Aus der dünnen Haut werden Umhänge und Gebetleder gefertigt. Die Nachfrage nach Häuten war in den 1950er Jahren so groß, dass in Somalia deswegen im Jahresmittel 70'000 Tiere erlegt wurden [4; 6].

Haltung

Der amerikanische Zoo- und Aquarienverband (AZA) betreibt ein Zuchtprogramm für das Südliche Gerenuk (Litocranius w. walleri), an dem sich auch europäische und andere Zoos beteiligen. 2014 umfasste die AZA-Population 72 Tiere in 17 Institutionen, ferner wurden im Nahen Osten 62 Tiere gehalten, davon 34 Nördliche Gerenuks (L. w. sclateri), und in Europa 4. Für eine langfristige Erhaltung des Bestands der Nominatform wären 150 Tiere erforderlich [1].

Als Altersrekord gibt WEIGL für ein im Busch Gardens, Tampa, geborenes und später im North Carolina Zoo gehaltenes weibliches Gerenuk 17 Jahre und 4 Monate an [8].

Haltung in europäischen Zoos: Gerenuks waren in europäischen Zoos stets selten. Die ersten lebenden Tiere gelangten wohl im Auftrag der Firma HAGENBECK vor rund 100 Jahren nach Europa. Die bis zum 2. Weltkrieg eingeführten Tiere hatten zumeist kein langes Leben oder züchteten nicht. Erst 1957 gelang dem Zoo Frankfurt die Welterstzucht. Ausgehend von einem einzigen Zuchtpaar wurden dort bis 1979 Gerenuks gehalten. Nach dem Aussterben der Frankfurter Gruppe gab es 32 Jahre lang keine Gerenuks mehr in Europa. erst 2012 konnte der Tierpark Berlin aus den USA wieder zwei Paare beschaffen. Aktuell (2023) gibt es außerhalb der beiden Berliner Tiergärten in Europa keine Gerenuks. Für Details siehe Zootierliste.

Forschung im Zoo: Der größte Teil unseres Wissens über die Lebensweise und das Verhalten des Gerenuks wurde an den Tieren gewonnen, die von 1956-1973 im Frankfurter Zoo gehalten und gezüchtet wurden [3; 6; 7].

Mindestanforderungen an Gehege: Nach Säugetiergutachten 2014 des BMEL soll für bis zu 5 Tieren ein Gehege von mindestens 200 m² zur Verfügung stehen. Für jedes weitere Tier kommen 20 m² zur Basisfläche dazu. Zudem wird ein Stall von etwa 3-4 m²/Tier vorgegeben.

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für bis zu 6 Tieren ein Gehege mit Trenn- oder Absperrmöglichkeit vor, dessen Grundfläche 500 m² misst. Für jedes weitere Tier kommen 50 m² zur Basisfläche dazu. Ferner ist ein Stall mit einer Fläche von 5 m²/Tier erforderlich.

Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) ist für 1-5 Tiere ein Außengehege von 500 m² erforderlich, für jedes weitere 50 m² mehr. Zudem ist ein beheizter Stall mit einem Mindestausmaß von 4 m² pro Tier mit einer Mindesttemperatur von 10°C vorgeschrieben. Die Haltung hat in Gruppen mit einem erwachsenen Männchen, mehreren Weibchen und deren Nachwuchs zu erfolgen.

Taxonomie und Nomenklatur

Die Giraffengazelle wurde 1878 von dem nordirischen Naturforscher Sir Victor Alexander BROOKE  als "Gazella walleri" erstmals wissenschaftlich beschrieben. 1886 stellte sie der österreichische Naturforscher und Volksliedsammler Franz Friedrich KOHL in die monotypische Gattung Litocranius. Es werden zwei Unterarten differenziert:

  • Südliche Giraffengazelle (Litocranius walleri walleri): Süd-Äthiopien und mittleres Somalia bis Tansania
  • Nördliche Giraffengazelle (Litocranius walleri sclateri): Dschibuti und nordwestliches Somalia

Die Nördliche Giraffengazelle war 1899 aufgrund morphometrischer Unterschiede vom deutschen Zoologen Oscar Rudolph NEUMANN als eigene Art beschrieben, aber bereits 1902 von Baron Walter ROTHSCHILD als Unterart eingestuft worden, weil die Differenzen zur südlichen Form zwar konstant, aber minimal waren. Dies hatte über ein Jahrhundert Bestand, hielt aber die "Splitter"-Taxonomen der jüngsten Generation nicht davon ab, ohne neue Erkenntnisse die beiden Unterarten zu vollen Arten aufzuwerten. Dieser Unsinn wurde jedoch im Rahmen der Roten Liste von der IUCN nicht mitgemacht [2; 4; 6; 9].

Literatur und Internetquellen

  1. AZA ANTELOPE & GIRAFFE TAG (2014)
  2. GROVES, C.P. & GRUBB, P. (2011)
  3. GRZIMEK, B. (Hrsg. 1970)
  4. IUCN SSC Antelope Specialist Group (2016). Litocranius walleri. The IUCN Red List of Threatened Species 2016: e.T12142A50190292. http://www.iucnredlist.org/details/12142/0. Downloaded on 14 June 2018.
  5. PUSCHMANN, W., ZSCHEILE, D., & ZSCHEILE, K. (2009)
  6. SCHOMBER, H. W. (1966)
  7. WALTHER, F. (1968)
  8. WEIGL, R. (2005) 
  9. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)

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Gelesen 13623 mal Letzte Änderung am Samstag, 22 April 2023 10:07
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