Gibbons und Menschenaffen

Östlicher Gorilla

Berggorillas (Gorilla b. beringei) im Kölner Zoo Berggorillas (Gorilla b. beringei) im Kölner Zoo
© M. Gorgas

Überordnung: EUARCHONTOGLIRES
Ordnung: Affen und Halbaffen (PRIMATES)
Unterordnung: Affen (Simiae / Haplorrhini)
Teilordnung: Eigentliche Affen (Simiiformes)
Überfamilie: Altwelt- oder Schmalnasenaffen (Catarrhini)
Familie: Menschenaffen (Pongidae / Hominidae)
Tribus: Gorillas (Gorillini)

D CR 650

Östlicher Gorilla

Gorilla beringei • The Eastern Gorilla, or Mountain Gorilla • Le gorille de l'Est

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Berggorilla-Mann (Gorilla b. beringei) im Parc des Volcans, Virungaberge, Ruanda © Thomas Kauffels, Kronberg

 

 

 

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Approximative Verbreitung der Östlichen Gorillas (nach WWF). Blau: beringei; rot: graueri

 

 

 

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Berggorillas (Gorilla b. beringei) im Parc des Volcans, Virungaberge, Ruanda © Thomas Kauffels, Kronberg

 

 

 

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Von Thomas Alexander BARNS 1920 erlegter Berggorilla (Gorilla b. beringei) neben 1.75 m großem Tutsi

 

 

 

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Östlicher Gorillamann (Gorilla b. graueri) im Zoo Antwerpen, Aufnahme von 1974 © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

 

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Östlicher Gorillamann (Gorilla b. graueri) im Zoo Antwerpen © Wolfgang Dreier, Berlin

 

 

 

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Östlicher Flachlandgorilla (Gorilla b. graueri) im Außengehege des Antwerpener Zoos, Aufnahmed von 1974 © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

 

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Innengehege für Östliche Flachlandgorillas (Gorilla b. graueri) im Zoo Antwerpen, Aufnahme von 1993 © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

 

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Gorillas sind die größten Menschenaffen, weniger klettergewandt als ihre Verwandten lassen sie sich gut auf Freianlagen präsentieren und friedfertiger als jene ist eine Vergesellschaftung mit vielen anderen Tierarten möglich. Dies alles macht diese selbst vom Aussterben bedrohten Arten zu idealen Boschaftern für den Schutz ihres gefährdeten Lebensraums. Diese Funktion wird jedoch fast ausschließlich vom Westlichen Gorilla wahrgenommen. Die östlichen Formen waren in Zoos weltweit stets sehr selten und werden heute poraktisch nicht mehr gehalten.

Körperbau und Körperfunktionen

Östliche Gorillas haben ein dunkel pigmentiertes Gesicht mit großen Nasenlöchern und kleinen Augen sowie kleinen Ohren, die im Fell verborgen sind, einen etwas gedrungerern Körper, aber relativ kürzere Arme als die ein wenig kleinere westliche Art. Das Fell ist schwarz. Bei älteren Männchen wird der Rücken silbergrau, weshalb sie auch "Silberrücken" genannt werden. Es besteht ein deutlicher Geschlechtsdimorphismus: Die Männer haben stärker entwickelte Überaugenwülste sowie einen hohen knöchernen Scheitel- und Nackenkamm, an dem Muskulatur ansetzt. Sie erreichen eine Kopfrumpf-Länge von 101-120 cm, eine Standhöhe bis 196 cm und ein Gewicht von 120-209 kg im Freiland. Die Weibchen sind deutlich kleiner und erreichen ein Gewicht von nur 60-98 kg [7].

Verbreitung

Östliches Zentralafrika: Ruanda, Uganda und östlichen Demokratischen Republik Kongo [6]. Zwei Unterarten:

Berggorilla (G. b. beringei): in einem Gebiet von 440 km² in den Virunga-Vulkanen, an der Grenze von Ruanda, Uganda und DR Kongo.

Östllcher Flachlandgorilla (G. b. graueri): in der östlichen DR Kongo.

Lebensraum und Lebensweise

Berggorillas bewohnen afromontane Vegetationstypen einschließlich Bambuswälder, Mischwälder und subalpines Grasland in Höhenlagen ab 1'100 m im Bwindi-Impenetrable-Nationalpark und ab 1'850 m in den Virungabergen. Die Östlichen Flachlandgorillas besiedeln dichte Primär- und Sekundärwälder des Tieflands ab 600 m und Übergangswälder bis in den afromontanen Bereich auf einer Höhe von 2'900 m. Die Tiere sind tagaktiv und halten sich tagsüber überwiegend am Boden auf. Ihre Schlafnester befinden sich meist am Boden seltener in den Bäumen. Sie leben in aus mehren erwachsenen Tieren beiderlei Geschlechts und deren Jungen bestehenden Gruppen, die bis 65 Individuen umfassen können. Meist sind es etwa 10, die Kinder nicht eingerechnet. Die Tiere ernähren sich hauptsächlich von Pflanzenmaterial, dessen Zusammensetzung je nach Umgebung sehr unterschiedlich sein kann. Daneben fressen sie auch Ameisen. Zur Deckung ihres Nahrungsbedarfs benötigt eine Gruppe im Jahresverlauf ein Streifgebiet von etwa 16-28 (6-34) km² das sich mit denen anderer Gruppen überlappt. Nach einer Tragzeit von im Mittel 255 Tagen gebären die Weibchen erstmals im Alter von knapp 10 Jahren normalerweise ein einzelnes Junges, das 3-4 Jahre gesäugt wird. Die Dauer der Geburtsintervalle wird ebenfalls mit 3-4 Jahren angegeben. Männer sind bereits als "Schwarzrücken" im Alter von 8-12 Jahren fortpflanzugsfähig. Zu Silberrücken werden sie mit 12 Jahren, voll ausgewachsen sind sie mit 15 Jahren [6; 7].

Gefährdung und Schutz

Obwohl die Bestände der beiden östlichen Gorilla-Formen sehr viel kleiner sind als jene des westlichen Flachlandgorillas und erst noch abnehmen, wurde die Art 2008 nur als stark gefährdet und nicht als vom Aussterben bedroht taxiert, wohl weil einzelne Populationen in Nationalparks relativ gut geschützt sind. Dies wurde 2016 geändert, denn als Folge des Bürgerkriegs hatten von 1995 bis 2016 die Bestände des Östlichen Flachlandgorillas von 16'900 auf nur noch 3'800 Individuen abgenommen. Gegenwärtig gilt: Gestützt auf eine Beurteilung aus dem Jahr 2018 wurde der Berggorilla, der eine kleine, aber stetig wachsende  Population von rund 1'000 Individuen hat, als stark gefährdet eingestuft (Rote Liste: ENDANGERED). Der Östliche Flachlandgorilla dagegen wurde wegen der starken Bestandsabnahme und der nach wie vor auch im Kahuzi-Biega-Nationalpark herrschenden Wilderei als vom Aussterben bedroht (CRITICALLY ENDANGERED) taxiert. Dies gilt auch für die Art als solche [6].

Der internationale Handel ist durch CITES-Anhang I eingeschränkt. Ferner fällt die Art unter Anhang I des Bonner Übereinkommens über wandernde Tierarten.

Zoogestützte Artenschutzprojekte (Beispiele):

  • Die Berggorilla & Regenwald Direkthilfe unterstützt den Bwindi-Impenetrable-Nationalpark bei der Gorillazählung, durch die Fianzierung von Forschungsvorhaben, Beteilung an einem Umwelterziehungsprogramm und einem Mitarbeiter-Gesundheitsprogramm. inre aktivitäten werden durch verscheidene Zoos gefördert, namentlich jene von Heidelberg, Kerkrade, Krefeld und Rostock.
     
  • Der Zoologisch-Botanische Garten Wilhelma in Suttgart sammelt alte Mobiltelefone. Diese werden rezykliert und den Erlös lässt die Wilhelma der Berggorilla & Regenwald Direkthilfe und dem Virunga Nationalpark zukommen. Von Herbst 2009 bis November 2019 insgesamt ein Betrag von über 50.000 €. Ferner unterstützt die Wilhelma die Congohounds, das Spürhundeteam der Gorilla-Ranger im Virunga Nationalpark seit 2012 mit bislang (Stand Januar 2023) 300.000 Euro. [Internetseite Wilhelma].

Bedeutung für den Menschen

Trotz formellem Schutz werden Östliche Gorillas zur Gewinnung von Fleisch gejagt. Früher wurden Jungtiere für den internationalen Tierhandel gefangen. Seit Bestehen von CITES beschränkt sich der internationale "Handel" auf ein bescheidenes Hin-und-Her (vermutlich beschlagnahmter Tiere) zwischen der DR Kongo und Ruanda. Die in der Statistik zu findende Angabe, wonach vier Nachzuchttiere aus Syrien in die Ukraine geliefert wurden, ist unglaubwürdig [2].

Heute besteht die wichtigste wirtschaftliche Bedeutung der Östlichen Gorillas darin, dass sie das Ziel eines internationalen Gorilla-Tourismus sind. Dieser begann in Uganda - mit Walter Baumgärtel, der von 1955 bis 1969 das Hotel Travellers Rest in Kisoro führte. Intensiv betrieben wurde er aber erst ab 1978, als das Mountain Gorilla Project in Ruanda einige Gorillagruppen speziell an Touristen gewöhnte. Etwa zur gleichen Zeit startete der Gorillatourismus in Kahuzi-Biega. Durch die Einnahmen aus den Besuchen soll der Schutz der Gorillas gesichert werden. Von 1973 bis 1989 stieg die Zahl der Virunga-Gorillas von 261 auf 324 an; diese positive Entwicklung wurde auf das Tourismus-Projekt zurückgeführt. In den letzten Jahren besuchten jährlich etwa 50 000 Touristen die Berggorillas. Besuche sind bei 20 Gruppen im Virunga-Gebiet und bei 14 im Bwindi-Park möglich. Grauergorillas können im Kahuzi-Biega-Park, Westliche Gorillas in Bai Hokou, Mondika, Odzala und Loango besucht werden [1].

Haltung

Östliche Gorillas gelangten früher nur vereinzelt in Zoos. Gegenwärtig (2018) lebt noch ein Grauer-Weibchen im Zoo von Antwerpen. Der Antwerpener Zoo erhielt 1957 zwei männliche und 1962 bzw. 1963 je ein weibliches Tier. Am 9. Juni 1968 kam dort "Victoria" als erstes Jungtier zur Welt. Laut dem seit 1967 bestehenden Internationalen Zuchtbuch wurde noch ein zweites geboren. 1963 erhielt der Zoo Hannover ein graueri -Männchen, das nach zehn Monaten an einem Lungenabszess starb. Ferner gab es einige wenige graueri in England, den USA, Israel und Japan [3].

Von den eigentlichen Berggorillas (Gorilla b. beringei) gelangten vermutlich nur sechs Tiere in Zoos: 1922 das Weibchen "Quahalie" nach Antwerpen, 1925 das Männchen "Marzo" ebenfalls nach Antwerpen als Ersatz für die inzwischen verstorbene "Quahalie" sowie "Miss Congo", die in den Neuyorker Bronx-Zoo ging, 1961 das Männchen "Reuben", der kurz nach der Einfuhr im Londoner Zoo starb und schließlich 1969 die beiden Weibchen "Coco" und "Pucker", die als Staatsgeschenk Ruandas in den Kölner Zoo kamen [3; 8]. Die beiden Jungtiere waren schätzungsweise 1965/66 geboren und von einheimischen Jägern gefangen worden. Dem Tode nahe wurden sie konfisziert und Dian FOSSEY zur Pflege übergeben worden, bis sie nach Köln geschickt wurden. Hier lebten sie neun Jahre, bis sie 1978 kurz nacheinander starben. In beiden Fällen wurde als Todesursache eine generalisierte bakterielle Infektion diagnostiziert, die sich als Folge eines, wie vermutet wurde, angeborenen Immundefekts ausbreiten konnte (an die auch beim Gorilla vorkommenden Immunschwäche-Viren (HIV/SIV) dachte damals noch niemand [5]. "Coco" war übrigens anfänglich für ein Männchen gehalten worden und konnte dann mittels des bei den olympischen Spielen in Deutschland zur Geschlechtsbestimmung bei Sportlerinnen verwendeten Haarfollikeltests als Weibchen identifiziert werden [4]. Die Tatsache dass nie ein potenzielles Zuchtpaar in einem Zoo gehalten wurde, erklärt, weshalb es von den Berggorillas keine Zoonachzuchten gibt. Um 2010 wurden mindestens zwei Berggorillas in afrikanischen Schutzstationen gehalten.

Mindestanforderungen an Gehege: Hinsichtlich Säugetiergutachten 2014 des BMEL und Bemerkungen dazu, Schweizerischer Tierschutzverordnung sowie der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs gelten dieselben Angaben wie für den Westlichen Gorilla.

Taxonomie und Nomenklatur

Früher wurde der Gorilla als eine Art mit zwei Unterarten angesehen: Berg- und Flachlandgorilla. Gegenwärtig werden die beiden Formen als eigenständige Arten mit je zwei Unterarten betrachtet (Gorilla b. beringei und G. b. graueri, Gorilla g. gorilla und G. g. diehli) [7].

Friedrich Robert von BERINGE, Hauptmann der kaiserlichen Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika entdeckte als erster Europäer im Jahr 1902 den Berggorilla (Gorilla b. beringei). Dies geschah anläßlich einer Expedition ins Gebiet der Virunga-Vulkane, bei der es um die Festlegung der Grenzen Deutsch-Ostafrikas ging: Er beschreibt dies so:

Von unserem Lager aus erblickten wir eine Herde schwarzer, großer Affen, welche versuchten, den höchsten Gipfel des Vulkans zu erklettern. Von diesen Affen gelang es uns, zwei große Tiere zur Strecke zu liefern, welche mit großem Gepolter in eine nach Nordosten sich öffnende Kraterschlucht abstürzten. Nach fünfstündiger, anstrengender Arbeit gelang es uns, ein Tier angeseilt heraufzuholen.

Es handelte sich um ein großes, männliches Tier, dessen Artzugehörigkeit von BERINGE nicht bestimmen konnte. Er beschloss deshalb, seinen Fund zur Untersuchung an das Zoologische Museum in Berlin zu schicken. Zwar wurden die Haut und eine Hand des Affen auf der Rückreise nach Usumbura von einer Hyäne gefressen. Doch anhand des Schädels und eines Teils des Skeletts, die unversehrt in Berlin ankamen, klassifizierte der am Museum tätige Professor Paul MATSCHIE (1861-1926) das Tier als neue Gorilla-Art, die er nach ihrem Entdecker Gorilla beringei nannte [Gorilla-Journal 24, Juni 2002].

Der im Osten der Demokratischen Republik Kongo lebende, auch Östlicher Flachlandgorilla genannte Grauer-Gorilla (Gorilla b. graueri) ist die größte Primatenform. Er wurde vom österreichischen Afrikaforscher und Großwildjäger Rudolf GRAUER im Rahmen einer vom österreichischen Hofmuseum finanzierten Reise nach Deutsch- und Britisch Ostafrika sowie dem Belgischen Kongo 1910–1911 entdeckt und 1914 ebenfalls von Paul MATSCHIE beschrieben.

Literatur und Internetquellen

  1. BERGGORILLA & REGENWALD DSIREKTHILFE E.V.
  2. CITES TRADE DATA BASE
  3. COUSINS, D. (1974)
  4. GORGAS, M. (1973)
  5. KRÜGER, G.R.F. (1979)
  6. PLUMPTRE, A., ROBBINS, M.M. & WILLIAMSON, E.A. (2019). Gorilla beringei. The IUCN Red List of Threatened Species 2019: e.T39994A115576640. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2019-1.RLTS.T39994A115576640.en und Datenblätter für die beiden Unterarten. Downloaded on 27 April 2021.
  7. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
  8. WINDECKER, W. (1970)

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