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Schaf- und Ziegenartige

Alpensteinbock

Alpensteinbock (Capra ibex) im Tierpark Hellabrunn, München Alpensteinbock (Capra ibex) im Tierpark Hellabrunn, München
© Peter Dollinger, Zoo Office Bern

Überordnung: LAURASIATHERIA
Taxon ohne Rang: CETARTIODACTYLA
Ordnung: Paarzeher (ARTIODACTYLA)
Unterordnung: Wiederkäuer (Ruminantia)
Familie: Hornträger (Bovidae)
Unterfamilie: Ziegenartige: (Caprinae)
Tribus: Ziegenverwandte (Caprini)

D LC 650

EEP Alpensteinbock

Capra ibex • The Alpine Ibex • Le bouquetin des Alpes

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Kapitaler Alpensteinbock (Capra ibex) im Wildpark Bad Mergentheim © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Verbreitung des Alpensteinbocks (Capra ibex). Dunkelblau: letzte autochthone Population; rot: wiederangesiedelte Populationen; schwarz: außerhalb des rezenten Areals angesiedelte Populationen

 

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Junger Etwa 3.5 Jahre alter Alpensteinbock (Capra ibex) im Tier- und Freizeitpark Bodanrück, Allensbach © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Steingeiß (Capra ibex) im Tier- und Freizeitpark Bodanrück, Allensbach © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Subadulter, ca. 2.5 Jahre alter Alpensteinbock (Capra ibex) im Zoo La Garenne, Le Vaud © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Adulter Alpensteinbock (Capra ibex) im Tierpark Dählhölzli, Bern © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Adulter Alpensteinbock (Capra ibex) im Natur- und Tierpark Goldau © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Adulter Alpensteinbock (Capra ibex) im Alpenwildpark Harder, Interlaken © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Adulter Alpensteinbock (Capra ibex) im Parc animalier Les Angles © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Kämpfende Alpensteinböck (Capra ibex) im Tierpark Biel © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Alpensteingeiß (Capra ibex) mit Nachwuchs in Felswand im Tierpark Biel © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Steingeiß (Capra ibex) im Tierpark Dählhölzli, Bern © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Steingeiß (Capra ibex)mit Kitzen in der Wilhelma Stuttgart © Wilhelma (Pressefoto)

 

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Alpensteinbock Capra ibex) und Geiß im Wildpark Pforzheim © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Subadulte Alpensteingeiß (Capra ibex) im Zoo La Garenne, Le Vaud © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Alpensteingeiß (Capra ibex) im Schwarzwaldzoo, Waldkirch © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Alpensteinkitz (Capra ibex) im Wild- und Freizeitpark Bodanrück, Allensbach © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Alpensteinwild (Capra ibex ibex) im Natur- und Tierpark Goldau. Aus diesem Bestand wurden mehrmals Tiere für Wiederansiedlungen zur Verfügung gestellt © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Alpensteinbockkitze (Capra ibex) im Zoo Augsburg © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Alpensteinbockkitze (Capra ibex) im Zoo Augsburg © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Alpensteinbock (Capra ibex), Jährling im MuZoo, La Chaux-de-Fonds © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Alpensteinwild (Capra ibex) im Parc animalier Bois de la Bâtie, Genf © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Freilassung von Steinböcken (Capra ibex) in den Julischen Alpen © Christian Stauffer, Wildnispark Zürich

 

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Steingeissen (Capra ibex) am Niederhorn / Burgfeldstand im Berner Oberland © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

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Sonderbriefmarke Pro Juventute mit Alpensteinbockmotiv (Capra ibex). Schweiz. 40+10 Rappen

 

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Briefmarke mit Alpensteinbockmotiv. (Capra ibex) Schweiz, 85 Rappen

 

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Briefmarke mit Alpensteinbockmotiv (Capra ibex). Tschechoslowakei, 1963, 40 Heller

 

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Briefmarke mit Alpensteinbockmotiv(Capra ibex). Ungarn, 1961, 1 Forint

 

Weitere Bilder auf BioLib.cz

Als einheimische Art, die am Rand der Ausrottung stand und nur dank dem Engagement der Zoos heute mit über 50'000 Tieren wieder den größten Teil des Alpenraums besiedelt, sowie wegen seiner kulturellen Bedeutung ist der Alpensteinbock aus zoopädagogischen Gründen von höchstem Interesse. Er wird daher sehr oft gehalten. Manche Zoos beteiligen sich auch an Wiederansiedlungs- oder Umsiedlungsaktionen, die stellenweise immer noch nötig sind.

Körperbau und Körperfunktionen

Der Alpensteinbock ist ein stämmiger, eindrucksvoller Vertreter der Wildziegen. Es besteht ein deutlicher Geschlechtsdimorphismus. Böcke erreichen im Mittel eine Kopf-Rumpflänge von 160 cm, eine Schulterhöhe von 95 (-105) cm und ein Gewicht von 100 kg, selten 120 kg oder mehr, Geißen im Mittel eine Kopf-Rumpflänge von 130 cm, eine Schulterhöhe von 75-80 cm und ein Gewicht von 40 kg. Die säbelförmigen Hörner der Böcke werden, auf der Vorderseite gemessen, 90 (84-97) cm lang und können einen Basisumfang bis 25 cm haben. Sie weisen Jahresfurchen auf, anhand derer das Alter des Bocks ermittelt werden kann, und haben auf der Vorderseite starke Knoten (Schmuckwülste). Bei den Geißen werden die Hörner im Mittel 30, maximal 35 cm lang, der Basisumfang liegt bei 12-16 cm und Schmuckwülste fehlen. Erwachsene Böcke haben einen kurzen Bart, der bei den Geißen fehlt. Die Tiere haben einen schwarzen Wedel von 10-20 cm Länge. Wie bei anderen Ziegenartigen sind die Beine dunkel und weiß gezeichnet. Im Übrigen ist die Farbe des Fells oberseits im Sommer braun, im Winter mehr grau, wobei die Böcke dunkler sind als die Geißen. Die Schwanzunterseite ist weiß und es ist ein kleiner Spiegel vorhanden. Der Bauch ist ebenfalls weiß oder zumindest heller als die Oberseite und von dieser durch einen mehr oder weniger deutlichen Flankenstreifen getrennt [4; 10; 11; 15].

Verbreitung

Alpenraum: Frankreich, Italien, Schweiz, Liechtenstein, Deutschland, Österreich, Slowenien. Außerhalb der Alpen in Bulgarien angesiedelt [17].

Lebensraum und Lebensweise

Der Alpensteinbock ist an das Leben im Gebirge angepasst. Die Tiere bewohnen steiles, zerklüftetes und felsiges Gelände, bevorzugt in Höhenlagen von 1'600-3'200 m Höhe. Überwiegend halten sie sich oberhalb der Waldgrenze auf, d.h. in der nivalen und alpinen Stufe des Gebirges. Im subalpinen Bereich stehen sie meistens in aufgelockerten, gut besonnten und mit Felsen durchsetzten Koniferenwäldern. Je nach Jahreszeit werden unterschiedliche Gebiete in verschiedenen Höhenlagen aufgesucht. Die Wintereinstände liegen in mittleren Lagen an steilen Hängen, wo sich wenig Schnee festsetzt. Im Frühjahr ziehen die Tiere talwärts, um an schneefreien Stellen zu äsen. Im Sommer  besetzten sie, der Schneegrenze folgend, die höchsten Einstände ihres Streifgebiets. Die Tiere sind überwiegend morgens und gegen Abend aktiv und ruhen über Mittag im Schutz von Bäumen, Sträuchern oder Felsen. Sie sind gesellig. Außerhalb der Brunft leben die Böcke und die Geißen mit ihren Kitzen in getrennten Rudeln. Alte Böcke sind eventuell Einzelgänger. Die Nahrung besteht hauptsächlich aus Gräsern, Kräutern und Stauden, zu einem geringen Teil aus Zwergsträuchern, Holzgewächsen (z.B. Legföhren), Flechten, Moosen und Baumrinde. Die Zusammensetzung variiert saisonal [3; 4; 5; 6; 9].

Die Brunft fällt auf den Zeitraum Ende November- Anfang Januar. Nach einer Tragzeit von 167 (165-170) Tagen kommt es meist im Mai-Juni an einem möglichst unzugänglichen Ort zur Geburt eines Einzelkitzes, eventuell von Zwillingen mit einem Geburtsgewicht von knapp 3 bis 5.5 kg. Die Kitze sind sehr hell gefärbt. Sie stehen sehr schnell auf und sind schon bald in der Lage, der Mutter zu folgen. Innerhalb der Rudel bilden sie Kindergärten. Geißen werden mit 17-32 Monaten geschlechtsreif. Böcke gelangen faktisch erst mit 5.5 Jahren zur Fortpflanzung [4; 10; 11].

Gefährdung und Schutz

Ehemals von der Ausrottung bedroht, gilt der Alpensteinbock seit 1996 und gemäß Neubeurteilungen aus den Jahren 2008 und 2020 heute als sicher (Rote Liste: LEAST CONCERN). Der Bestand wird auf 53000 erwachsene Individuen geschätzt. Dies dank Wiederansiedlungen und konsequentem Schutz. Wegen der geringen Ausbeitungstendenz des Steinbocks ist längst nicht der ganze geeignete Lebensraum ausgeschöpft. Deshalb kommt es nach wie vor zu Ansiedlungsprojekten. Weil der Bestand mehrere Flaschenhälse erlebt hat, ist die genetische Bandbreite der Population gering und die Inzuchtrate hoch. Um dem im Rahmen des Möglichen entgegenzuwirken, werden Steinböcke zwischen bestehenden Kolonien umgesiedelt. Es wird angenommen, dass der Klimawandel, der sich im Alpenraum besonders stark bemerkbar macht, negative Auswirkungen auf die Entwicklung der Bestände haben wird [17].

Der internationale Handel ist durch CITES nicht geregelt. Die Art ist aufgeführt in Anhang III des Berner Übereinkommens über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräumein sowie Anhang V der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie).

Zoogestützte Artenschutzprojekte (Beispiele):

Aus EAZA Zoos gingen im Mittel der letzten Jahre jährlich 6 Tiere in Wiederansiedlungsprojekte [2].

  • WAZA-Projekt 05013 - Ansiedlung des Alpensteinbocks in den Julischen Voralpen – Regionalparkverwaltung, Tiere zur Verfügung gestellt von Wildpark Langenberg, Natur- und Tierpark Goldau und Zoo Salzburg.

  • WAZA-Projekt 05017- Wiederansiedlung des Alpensteinbocks in den Österreichischen Alpen -Alpenzoo Innsbruck in Zusammenarbeit mit andern Zoos in Österreich, Deutschland und der Schweiz sowie den zuständigen Länderbehörden.

  • WAZA-Projekt 05042 - Wiederansiedlung des Alpensteinbocks im Rauris/Hohe Tauern Nationalpark - Tierpark Hellabrunn, München, zusammen mit den Zoos von Helsinki, Nürnberg, Salzburg, Stuttgart und Wien.

Bedeutung für den Menschen / Situation in Mitteleuropa

Ausrottung, Schutz und Wiederansiedlung: Bis ins 16. Jahrhundert war der Alpensteinbock weit verbreitet, von den französischen Alpen über Italien und die Schweiz bis ins Salzburgische und nach Kärnten. Die alpenländische Bevölkerung jagte die Steinböcke wegen ihres Fleisches, ihrer Haut und Trophäen, und weil manchen Körperteilen medizinische Bedeutung zugeschrieben wurde. Die Kleine Eiszeit, besonders ausgeprägt zwischen 1565 und 1629 sowie um 1690, hatte für die Menschen im Alpenraum eine Lebensmittelknappheit zur Folge, was den Jagddruck auf das Schalenwild erhöhte. Die Entwicklung wirksamerer Schusswaffen hatte daher katastrophale Auswirkungen auf die Steinbockbestände im ganzen Alpenraum, und um die Mitte des 19. Jahrhunderts war der Steinbock überall ausgestorben, außer im zwischen dem Piemont und dem Aostatal gelegenen Gran Paradiso-Massiv [3; 11; 13; 21].

1821, als diese letzte Kolonie auf nur 50 bis 60 Tiere zusammengeschrumpft war, erließ der Graf von Turin, Thaon di REVEL, erste Schutzmassnahmen. 1836 wurde der Gran Paradiso zum königlichen Jagdrevier erklärt und König Vittorio Emmanuele II stellte eine grosse Zahl guardie reali  - königliche Wildhüter - ein. Diese konnten die Wilderei zwar nicht ganz verhindern, trotzdem wuchs der Bestand rasch an und umfasste gegen Ende des 19. Jahrhunderts 3'000 Tiere, wovon der König und seine Jagdgäste jährlich etwa 100 bis 120 Böcke erlegten. 1920 schenkte König Vittorio Emmanuele III 2'100 ha seines Reviers dem Staat, und im Dezember 1921 wurde der Gran Paradiso zum ersten Nationalpark Italiens proklamiert. Heute umfasst der Park 70'000 ha. Ihren maximalen Bestand erreichte die Steinbockpopulation des Gran Paradiso im Jahr 1993 mit 4'990 Tieren. Seitdem nahm die Population kontinuierlich ab und lag 2010 bei noch 2'420 Individuen. Die Abnahme ist hauptsächlich durch eine erhöhte Jungtiersterblichkeit bedingt (1981-1990: 42%; 2001-2010: 64%), die möglicherweise mit durch den Klimawandel verursachten Veränderungen der Vegetation zusammenhängt [3; 5; 11; 13; 21]

In der Schweiz bestand ein großes Interesse, den Steinbock wieder heimisch zu machen. Da keine reinblütigen Tiere verfügbar waren, wurde ab 1815 versucht, Steinbock-Hausziegenbastarde auszuwildern, allerdings ohne Erfolg. Das 1875 in Kraft getretene erste eidgenössische Jagdgesetz verpflichtete die Eidgenossenschaft, eine Wiederansiedlung des Steinbocks mit reinblütigen Tieren zu betreiben. 1892 wurde der Wildpark “Peter und Paul” bei St. Gallen eröffnet und danach wurde versucht, reinblütige Steinböcke aus Italien zu erwerben. Nachdem die italienischen Behörden offizielle Ansuchen der Schweiz abgelehnt hatten, entschloss man sich, vom Wilderer Gabriele BÉRARD angebotene illegale Tiere zu erwerben. 1906 kamen die ersten drei Kitze in der Schweiz an und wurden erfolgreich von Hand aufgezogen. Weitere von Gabriele Bérard und seinem Sohn Giuseppe gelieferte Kitze folgten, und schließlich hatte auch der italienische Staat ein Einsehen und genehmigte offiziell die Ausfuhr einer Anzahl Tiere. Insgesamt wurden bis zum Ausbruch des 2. Weltkriegs mindestens 109 Steinböcke aus Italien eingeführt [3; 5; 11; 13; 21].
    
Die mit der Flasche aufgezogenen Kitze verblieben als Zuchttiere im Wildpark „Peter und Paul“ oder im 1913 gegründeten Alpenwildpark Interlaken Harder. Bereits 1911 konnte „Peter und Paul“ Nachzuchten für einen Wiederansiedlungsversuch in den Grauen Hörnern (St. Gallen) zur Verfügung stellen, 1914 für einen weiteren, missglückten Versuch im Piz d’Ela-Massiv (Graubünden), und 1920 wurden die ersten sieben Steinböcke im Schweizerischen Nationalpark ausgelassen. Zwei Geißen verschwanden rasch und tauchten 27 km südlich am Piz Albris bei Pontresina wieder auf. Danach wurden elf weitere Tiere in Pontresina freigelassen. Daraus entwickelte sich die erfolgreichste Kolonie der Schweiz. 1921-24 wurde, mit 15 Tieren aus Interlaken, am Augstmatthorn die erste Kolonie im Berner Oberland begründet. 1928 erfolgte die erste Wiederansiedlung im Wallis, wo sich am Mont Pleureur eine äußerst erfolgreiche Kolonie entwickelte. Bis 1965 waren mindestens 210 in St. Gallen, Interlaken, Tierpark Dählhölzli Bern (Zucht ab 1938), Wildpark Langenberg (Zucht seit 1950), und zwei kleinen Parks in Bretaye und Zermatt gezüchtete Tiere freigelassen worden. Alle 18’400 Steinböcke, die es heute in der Schweiz in freier Wildbahn gibt (Eidg. Jagdstatistik 2017), sind Nachkommen dieser Zootiere!! [3; 5; 8; 11; 13; 21]
    
1938 entwickelten die Wildhüter des Kantons Bern eine Falle, mit der Steinböcke in grosser Zahl gefangen werden konnten, und allmählich wurde die Wiederansiedlung von Zootieren durch Umsiedlungen aus überbevölkerten Wildkolonien ersetzt. Da jedoch vorab Böcke gefangen wurden, bestand immer noch eine Nachfrage nach weiblichen Tieren aus den Zoos [8; 21; 21].

Neben den Wiederansiedlungen im Alpenraum kam es noch zu einer Ansiedlung von Tieren aus dem Tierpark Dählhölzli im Neuenburger Jura, wo der Steinbock bereits in der Altsteinzeit verschwunden war [8; 21].

Tiere aus der Schweiz wurden auch für Wiederansiedlungen in anderen Alpenländern und Ansiedlungen außerhalb des Alpenraums verwendet. Zahlreiche Steinböcke wurden nach Österreich und geringere Anzahlen nach Deutschland, Frankreich und Slowenien geliefert. In Österreich erfolgte die erste erfolgreiche Wiederansiedlung 1924 in Hinterblümbach (Salzburg). 1936 wurde eine Kolonie in der Steiermark begründet und von 1951 an wurden die Tiroler Alpen, Kärnten und Vorarlberg besiedelt. Der Alpenzoo Innsbruck zeichnete für den Erfolg vieler Projekte verantwortlich, aber auch andere Zoos beteiligten sich an den Aussetzungsaktionen, so der Tierpark Hellabrunn München, der Zoo Salzburg, der Tiergarten Schönbrunn und der Natur- und Tierpark Goldau. In Deutschland begann die Wiederbesiedlung 1936 in Berchtesgaden. In Frankreich fand die erste Wiederansiedlung 1959/60 im Massif des Cerces statt, wo Steinwild aus dem Tierpark Bern und den Walliser Alpen ausgelassen wurden. In Slowenien, wo 1903 eine Bastardpopulation gegründet wurde wurden in den letzten Jahren reinblütige Steinböcke aus deutschen Zoos sowie den Schweizer und Italiener Alpen eingeführt [11; 21].

Insgesamt leben heute im Alpenraum wieder über 55'000 Stück Steinwild (Schweiz 18'500, jeweils ca. in Italien 17'000, Frankreich 10'000, Österreich 8'000 (Abschuss 2020/21: 633), Slowenien 400, Deutschland 800 und ein paar in Liechtenstein). An manchen Orten müssen Maßnahme zur Stabilisierung der Bestände getroffen werden. In der Schweiz werden deshalb jedes Jahr im Mittel 1'200 Stück erlegt (1992-2021: 36'047). Trotzdem werden gelegentlich immer noch Steinböcke an- oder umgesiedelt, von 1997-2021 184 Stück, denn Verkehrswege, Siedlungen, Ebenen oder größere Flusstäler behindern die natürliche Ausbreitung [17; 19; 20; 21].

Wirtschaftliche Bedeutung: Bis 2020 verkaufte der Kanton Wallis Lizenzen für Trophäenabschüsse an ausländische Jagdtouristen. Für eine Hornlänge von 1 m waren 13'000 CHF zu bezahlen, für jeden weiteren cm 500 CHF mehr. Hinzu kamen jeweils noch die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Begleitperson in der Höhe von 3-4'000 CHF. Einzelne Jäger sollen für einen Abschuss bis zu 25'000 CHF ausgelegt haben. Es wurden bis zu 120 Lizenzen pro Jahr vergeben, und der Kanton nahm dadurch bis 650'000 CHF ein. Als Folge einer von 70'000 Personen unterzeichneten Petition wurde die Trophäenjagd für ausländische Jäger 2020 verboten, seitdem ist die Ausübung der Steinbockjagd nur noch durch im Wallis wohnhafte Personen mit Jagdpatent des Kantons Wallis oder Jagderlaubnis eines anderen Kontons statthaft. Seitdem weichen die Trophäenjäger nach Österreich aus, wo sie ein Abschuss zwischen 18'000 und 30'000 € kostet [23; 24; 25].

Kulturelle Bedeutung: Im Alpenraum genießt der Steinbock eine gewisse kulturelle und kulturhistorische Bedeutung. Nicht zuletzt deswegen findet er sich als Wappentier, als Hoheitszeichen, in Siegeln und auf Münzen wieder. Er wurde in den Sternenhimmel aufgenommen und war Vorbild in der Literatur und Bildhauerei. Außerdem war sein imposantes Gehörn als Jagdtrophäe äußerst beliebt und manchen Körperteilen sowie den Bezoarkugeln wurden heilende Kräfte zugeschrieben [7]. In Conrad GESNERS Thierbuoch werden namentlich das mit "Peterle weyn" (Petersilienwein) gemischte Blut als Heilmittel gegen Blasensteine und die mit "pfäfferkörnle", Honig und Wein versetzten "bönle oder kaat" als "edle artzney" zur Behandlung von "huffwee und glidsucht" genannt [22].

Haltung

Eine Vergesellschaftung von Steinböcken mit Alpenmurmeltieren, Schneehasen oder in Großvolieren mit Waldrappen, Geiern etc. ist möglich. In verschiedenen Zoos (La Garenne, Innsbruck) gibt es für das Publikum begehbare Gehege. Grundsätzlich sollte man hinsichtlich Gemeinschaftshaltung mit anderen Ziegenartigen wegen der Gefahr der Bastardierung und mit Gemsen wegen der Verletzungsgefahr (die Gemsen sind den Steinböcken überlegen) vorsichtig sein [12].

Das von WEIGL angegebenen Höchstalter im Zoo liegt für mehrere weibliche Tiere bei 20 Jahren und einigen Monaten [14].

Haltung in europäischen Zoos: Der Alpensteinbock wird in etwa 110 europäischen Zoos, Tier- und Wildparks gehalten, davon befinden sich ca. 80 im deutschsprachigen Raum. Für Details siehe Zootierliste. Der Bestand in 25 EAZA-Zoos liegt bei ca. 320 Tieren [2]. Seit 2022 gibt es für die Art ein als "New Style"-EEP  konzipiertes Erhaltungszuchtprogramm, das vom Natur- und Tierpark Goldau koordiniert wird.

Wie Alpensteinböcke gehalten werden (Beispiel):

Zoogestützte Forschung: Alpensteinböcke sind gelegentlich Gegenstand von Forschungsarbeiten oder forschendem Lernen im Zoo. So wurden z.B. Arbeiten über die Gehegenutzung [1; 7] oder die Bestimmung  von  Glukokortikoidmetaboliten [18] im  Kot durchgeführt.

Mindestanforderungen an Gehege: Nach Säugetiergutachten 2014 des BMEL soll für bis zu 5 Tieren ein Gehege von mindestens 250 m² zur Verfügung stehen, für jedes weitere Tier 20 m² zusätzlich. Ein Stall ist nicht erforderlich.

Die Schweizerische Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) schreibt für bis zu 5 Tieren ein Gehege vor, dessen Grundfläche 500 m² misst. Für jedes weitere Tier kommen 50 m² zur Basisflächen dazu. Es sind natürliche oder künstliche Unterstände anzubieten, in denen alle Tiere gleichzeitig Platz finden. Werden die Tiere aufgestallt, ist eine Grundfläche von mindestens 2 m²/Tier vorgeschrieben.

Nach der 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2022) sind für bis zu 10 Tiere 500 m² erforderlich, für jedes weitere 50 m² mehr. Es müssen Unterstände zum Schutz gegen Witterungsverhältnisse wie Regen, Wind, Sonneneinstrahlung und Hitze angeboten werden, so dass alle Tiere bei Bedarf darin gleichzeitig Unterschlupf finden können. Die Haltung hat in Herden zu erfolgen.

Taxonomie und Nomenklatur

Die wissenschaftliche Bezeichnung des Alpensteinbocks, Capra ibex, geht auf die Beschreibung durch Carl von LINNÉ im Jahr 1758 zurück. Natürlich wurde die Art bereits 1563 vom Zürcher Stadtarzt und Naturforscher Conrad GESSNER ausführlich beschrieben und zwar unter der Bezeichnung "Ibex - Steinbock / ybschen / oder ybsch Geyß", die "in den höchsten plätzen und orten der Teütschen Alpen/felsen/schraffen/und wo alles gefroren/yss und schnee ist" wohne [22].

WILSON & REEDER unterscheiden sechs, die Rote Liste der IUCN und das Handbook of the Mammals of the World sieben Steinbock-Arten. Andere Autoren betrachten alle Steinböcke als Unterarten einer einzigen Art, denn alle Formen hybridisieren problemlos und ihre Verbreitungsgebiete überschneiden sich nicht [15; 16; 17].

Literatur und Internetquellen

  1. BRANDAUER, M. (2012)
  2. DAMOIS, P., ROBOVSKÝ, J.,MUELLER, D, PENELLO, M.,ZIMMERMANN,M., VAN DER MEER, R.AND VOORHAM, M. (eds., 2020)
  3. GIACOMETTI, M. (Hrsg., 2006)
  4. GRIMMBERGER, E. & RUDLOFF, K. (2009)
  5. HARDENBERG, A. VON (2011)
  6. HAUSSER, J. et al. (Hrsg., 1995)
  7. KERSCHER, K. (2012)
  8. KUSTER, A. (1966)
  9. LAURO, A. (1989)
  10. MATSCHEI, C. (2012)
  11. MEILE, P., GIACOMETTI, M. & RATTI, P. (2003)
  12. PUSCHMANN, W., ZSCHEILE, D., & ZSCHEILE, K. (2009)
  13. STÜWE, M. & GRODINSKY, C. (1986)
  14. WEIGL, R. (2005)
  15. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
  16. WILSON, D. E. & REEDER, D. M. (2005)
  17. TOÏGO, C., BRAMBILLA, A., GRIGNOLIO, S. & PEDROTTI, L. (2020). Capra ibex. The IUCN Red List of Threatened Species 2020: e.T42397A161916377. https://dx.doi.org/10.2305/IUCN.UK.2020-2.RLTS.T42397A161916377.en . Downloaded on 07 December 2020.
  18. POSAUTZ, C. (2010)
  19. EIDG.JAGDSTATISTIK
  20. STATISTIK AUSTRIA
  21. DOLLINGER, P. (2021)
  22. GESSNER, C., FORRER, K. & HEROLD, J. (1563)
  23. 20 MINUTEN vom 18.12.2019
  24. FOCUS ONLINE vom 26.09.2022
  25. ST. GALLER TAGBLATT vom 22.07.2022

EUR 05 01 02 alpen schweiz steinböcke augstmatthorn pd
Alpensteinböcke im natürlichen Lebensraum. Augstmatthorn, Berner Oberland, ca. 2000 m.ü.M. © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

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