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Hirsche, Hirschferkel und Moschustiere

Moschustier

Sibirisches Moschustier (Moschus moschiferus) im Zoo Leipzig Sibirisches Moschustier (Moschus moschiferus) im Zoo Leipzig
Pressefoto Zoo Leipzig

Überordnung: LAURASIATHERiA
Taxon ohne Rang: CETARTIODACTYLA
Ordnung: Paarzeher (ARTIODACTYLA)
Unterordnung: Wiederkäuer (Ruminantia)
Familie: Moschustiere (Moschidae)

Red list status Vulnerable

EEPSibirisches oder Steppen-Moschustier

Moschus moschiferus • The Siberian Musk Deer • Le cerf porte-musc de Sibérie

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Steppen-Moschustier (Moschus moschiferus) im Zoo Dĕčín © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

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Verbreitung des Steppen-Moschustiers (Moschus moschiferus)

 

 

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Steppenmoschustier (Moschus moschiferus) im Zoo Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

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Steppenmoschustier (Moschus moschiferus) im Zoo Leipzig © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

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Steppenmoschustier (Moschus moschiferus) im Tierpark Berlin © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

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Steppenmoschustier (Moschus moschiferus) in der Forschungsstation Cernogolovka, Russland © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

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Steppen-Moschustier (Moschus moschiferus) im Zoo Dĕčín © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

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Steppenmoschustier (Moschus moschiferus) im Zoo Leipzig © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

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Steppenmoschustier (Moschus moschiferus) im Tierpark Berlin © Wolfgang Dreier, Berlin

 

 

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Steppen-Moschustier (Moschus moschiferus) im Zoo Dĕčín © Nikolaj Usik (http://paradoxusik.livejournal.com). Veröffentlich auf Wikimedia Commons unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.

 

 

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Junges Steppenmoschustier (Moschus moschiferus) im Tierpark Berlin © Wolfgang Dreier, Berlin

 

 

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Junges Steppenmoschustier (Moschus moschiferus) im Zoo Leipzig © Zoo Leipzig (Pressefoto)

 

 

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Junges Steppenmoschustier (Moschus moschiferus) im Zoo Leipzig © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

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Junges Steppenmoschustier (Moschus moschiferus) im Zoo Leipzig © Klaus Rudloff, Berlin

 

 

 

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"Moschusthier" (Moschus moschiferus). Illustration aus BREHMs Thierleben (1882-1887)

 

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Wegen seiner Bedeutung als Lieferant des "Moschus" genannten Drüsensekrets für die Parfumindustrie und die traditionelle orientalische Medizin ist das in seinem Ursprungsgebiet gefährdete Moschustier von zoopädagogischem Interesse. Es ist jedoch schwierig zu halten, und es gibt in Europa nur einen Zoo, in dem eine nachhaltige Zucht existiert. Aus diesem Grund ist es in nur wenigen Zoos zu sehen..

Körperbau und Körperfunktionen

Moschustiere nehmen eine Mittelstellung zwischen den Hirschferkeln und den Hirschen ein. Wie die Traguliden haben sie anstelle eines Geweihs hauerartig verlängerte obere Eckzähne, die beim Bock 5-7 cm aus dem Maul herausragen, eine Gallenblase und einen fadenförmigen Anhang am Penis und es fehlen ihnen die Voraugen- und Fußdrüsen. Andererseits weisen sie einen voll entwickelten Wiederkäuermagen und hirschartige Füße auf. Als besondere Bildung besitzen die Männchen am Bauch einen Beutel, in den die Präputialdrüse vor allem während der Brunft eine salbenartige Masse, den Moschus, absondert [1; 3; 11].

Das Moschustier ist etwas kleiner als das Reh. Es erreicht eine Kopf-Rumpflänge von (65-)80-100 cm, eine Schwanzlänge von 4-6 cm, eine Schulterhöhe von 56-61 (50-709 cm und ein Gewicht von 7-17 kg. Der Rücken ist gerundet, der Rumpf hinten überbaut. Die Zehen sind weit spreizbar. Zwischen dem 3. und 4. Strahl befindet sich eine Spannhaut. Der 2. und 5. Strahl weisen lange, den Boden berührende Afterklauen auf. Das dichte Fell besteht nur aus Grannenhaaren; es ist dunkelbraun eventuell mit leichtem Rot- oder Gelbstich und blassen Flecken auf dem Rumpf. Unterkiefer, Kehle und zwei Längsstreifen auf der unteren Halsseite sind weiß [1; 3; 9; 11].

Verbreitung

Zentral- und Ostasienin drei Unterarten [11].

  • Moschus m. moschiferus: China, Kasachstan, Mongolei, Russland
  • Moschus m. parvipes: China, Nord- und Südkorea, Russland
  • Moschus m. sachalinensis: Sachalin (Russland)

Verschiedene Ansiedlungsversuche außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebiets in der ehemaligen Sowjetunion sowie vor 1969 in England sind fehlgeschlagen [13].

Lebensraum und Lebensweise

Das Moschustier besiedelt gebirgige Taiga mit Nadel- oder Mischwäldern (z.B. Birke und Lärche) und mit Sträuchern bestandene subalpine Hänge. Die Tiere sind meist Einzelgänger, können aber auch in kleinen Familiengruppen auftreten. Sie ernähren sich zur Hauptsache von Flechten, die im Winter bis zu 99% des aufgenommenen Futters ausmachen können, ferner von Gräsern, Kräutern, Blättern und Pilzen. Zum Fressen steigen sie an schrägen Baumstämmen bis auf eine Höhe von 3-4 m über dem Boden hoch. Die Tiere benötigen Streifgebiete von 200-300 ha, ein Teil davon wird von den Böcken als Territorium verteidigt. Die Brunft, bei der die Böcke ihre Eckzähne als Waffen gegen Konkurrenten einsetzen, fällt hauptsächlich auf Dezember. Nach einer Tragzeit von 187 (182-194) Tagen werfen die Ricken im Mai oder Juni 1-3 Kitze. Diese tragen ein stark geflecktes Jugendkleid, werden mit 3-4 Monaten entwöhnt und sind mit 15-17 Monaten geschlechtsreif [1; 8; 11].

Gefährdung und Schutz

Die Bestände des Sibirischen Moschustieres sind in den letzten Jahrzehnten ständig zurückgegangen. Der Grund für den Rückgang ist vor allem die (illegale) Jagd. Man schätzt, dass die Populationsgröße in den nächsten drei Generationen (ca 18 Jahre) um mindestens 30 % abnehmen wird. Die Art wurde deshalb im Rahmen einer Beurteilung aus dem Jahr 2014 als gefährdet eingestuft (Rote Liste: VUNERABLE) [8].

Der internationale Handel ist unter CITES Anhang II geregelt; der Handel mit Populationen aus dem Himalaya (M.m. moschiferus) ist nach Anhang I eingeschränkt.

Bedeutung für den Menschen

Das Moschus genannte Sekret der Präputialdrüse der männlichen Moschustiere findet seit dem 8. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung Anwendung in der Parfumherstellung und in der traditionellen chinesischen und später der islamischen Medizin. Es wurde bereits in der Antike als Salbe nach Europa importiert. Es erzielte in den 1970er Jahren Preise von bis zu 45'000 USD pro kg; diese sind mittlerweile noch gestiegen Von einem getöteten Tier können etwa 25 g Moschus gewonnen werden. Da auch Weibchen und nicht geschlechtsreife Tiere gejagt bzw. in Schlingen gefangen werden, werden oft 4-5 Tiere erlegt, um an eine einzige Moschusdrüse zu kommen. in der Parfumindustrie wird Moschus heute zum Teil durch synthetisch hergestellte Stoffe ersetzt. Das Moschussekret ist aber in der traditionellen Medizin weiterhin sehr beliebt. In jüngerer Zeit werden in China Moschusfarmen betrieben, wo den Tieren jährlich etwa 10 Gramm Sekret entnommen werden kann [1, 3; 6; 7; 8; 11].

Die Mengen der international gehandelten Teile und Erzeugnisse bzw. der ihnen zugrunde liegenden Individuen ist auf der Grundlage der CITES-Handelsstatistiken nicht zu ermitteln, weil die unterschiedlichsten Maßeinheiten angewendet werden (Stück, Beutel, Flaschen, Schachteln, Gewichte). U. a. registrierten die Ursprungsländer von 1977-2017 gegen 10 Tonnen Moschus von Naturentnahmen, ferner China gegen 6 Millionen Stück "derivatives". Jagdtrophäen wurden nur 7 gemeldet, ebenso nur 7 lebende Wildfänge. Im selben Zeitraum wurde weltweit die Ausfuhr von 56 Nachzuchttieren registriert, davon kamen 39 aus Russland bzw. der Sowjetunion [2].

Haltung

Eine Vergesellschaftung von Moschustieren mit Kranichen und manchen Hirscharten ist möglich und wird z.B. im Leipziger Zoo praktiziert [9]. Das Höchstalter wird von WEIGL mit 13 Jahren und 1 Monat für ein im Londoner Zoo geborenes und gehaltenes Tier angegeben. Ein im Leipziger Zoo geborenes Weibchen wurde noch älter. Es lebte von 1986-2002 und wurde damit über 16 Jahre alt [10; 12].

Haltung in europäischen Zoos: Über das erste nach Europa eingeführte Moschustier berichtet BREHM [1]: "Im Jahre 1772 kam ein Moschusthier, nachdem es drei Jahre auf der Reise zugebracht hatte, lebend nach Paris, und hielt dort drei Jahre aus. Es starb an einer Haarkugel, welche sich aus den von ihm selbst abgeleckten Haaren gebildet und vor den Pförtner des Magens gestemmt hatte. ... Man ernährte es mit eingeweichtem Reis, Brosamen, Flechten und Zweigen von Eichen. Es war lebhaft, munter und sehr beweglich, gewissermaßen ein Mittelding zwischen Reh und Gazelle. Immer blieb es furchtsam und scheu, und immer war es harmlos. Der Moschusgeruch, den es verbreitete, war so stark, daß man nur der Nase zu folgen brauchte, um das Thier aufzufinden."

Das Sibirische Moschustier ist der einzige Vertreter seiner Familie, der in Europa gehalten wird. Das erste Moschustier in Deutschland gelangte 1889 in den Berliner Zoo [3]. 1895 glückte in Woburn Abbey die britische (und möglicherweise europäische?) Erstzucht. Die Art wird heute (2023) in nur 6 Zoos gehalten und mIt Ausnahme der Tiere in Russland stammt der ganze europäische Bestand aus der Leipziger Zucht. Für Details siehe Zootierliste. Seit 2020 gibt es für die Art ein New Style EEP, das vom Zoo Leipzig koordiniert wird.

Seit 1980 hält der Zoo Leipzig ununterbrochen Moschustiere. Bisher gab es schon über 100 Geburten. Durch ihre Färbung sind die Jungtiere hervorragend getarnt und man braucht schon etwas Übung, um die scheuen Moschustiere in ihrem naturnahen, mit Bäumen bestandenen Gehege auszumachen. Wenn die gefleckten Jungen geboren werden, haben selbst die erfahrenen Tierpfleger Schwierigkeiten, die abgelegten Kitze zu finden [12].

Mindestanforderungen an Gehege: Das deutschen Säugetiergutachten’96 gab für ein Paar ein Außengehege von 80 m² vor, für jedes weitere Tier 10 m² mehr. Im Säugetiergutachten 2014 des BMEL wurde die Mindestfläche ohne Angabe von Gründen auf 250 m² pro Tier bzw. 500 m² pro Paar angehoben. Im Gegensatz dazu schreibt die 2. Tierhaltungsverordnung Österreichs (Stand 2023) für fünf erwachsene Moschustiere 120 m² vor, in der Schweizerischen Tierschutzverordnung (Stand 01.06.2022) ist die Art nicht explizit erwähnt, per Analogie kann aber geschlossen werden, dass für vier Tiere 150 m² angeboten werden müssen. Erfahrungen mit Gruppenhaltung sind im deutschsprachigen Raum sehr limitiert, da bei uns die Tiere entsprechend der Situation im Freiland einzeln, paarweise oder in Kleinfamilien gehalten werden. In einer chinesischen Forschungsstation wurden aber Moschustiere in größerem Umfang gehalten und gezüchtet. Die Haltung erfolgte in gleichgeschlechtlichen Gruppen von 5-7 Tieren, wobei die Böcke durch agonistisches Verhalten eine stabile Rangordnung etablierten und jeweils von November bis Februar ein Bock in jede Weibchengruppe gesetzt wurde. Jeder Gruppe standen ein Außengehege von 100 m² und individuelle Boxen von 4 m² zur Verfügung [6; 7].

Währenddem die in der österreichischen Verordnung vorgeschriebene Fläche möglicherweise adäquat ist für ein Tier, ein Paar oder eine Kleingruppe hinter den Kulissen, sollte - der Schreckhaftigkeit der Tiere Rechnung tragend - ein Schaugehege deutlich mehr Platz bieten. Vermutlich wären 250 m² als Minimum angemessen.

Das Säugetiergutachten 2014 stellt zwar fest, Moschustiere seien wetterhart und unempfindlich, trotzdem gibt es vor, dass ein Innengehege von mindestens 3 m² pro Tier in mindestens 2 Räumen vorhanden sein müsse (was immer das heißt). Tatsächlich benötigen Moschustiere kein Innengehege, da sie als zentralasiatische Tiere kälteresistent sind. Weil sie aber hitze- und nässeempfindlich sind, sollten ihnen dreiseitig geschlossene Unterstände zur Verfügung gestellt werden, möglichst ein Unterstand pro Adulttier. Wenn schon ein Stall angeboten wird, sollte dieser so konzipiert sein, dass bei der Reinigung die schreckhaften Tiere dem Tierpfleger ausweichen können, entweder durch optische Unterteilung einer ausreichend großen Box oder durch Absperren [9].

Taxonomie und Nomenklatur

Das Moschustier wurde erstmals 1758 von Carl von LINNÉ unter seinem heute noch gültigen Namen wissenschaftlich beschrieben. Lange wurde davon ausgegangen, dass es sich um eine einzige Art mit mehreren Unterarten handle [3; 4]. In der ersten standardisierten CITES-Taxonomie wurde 1982 von 4 Arten ausgegangen [5]. Heute werden 7 Arten unterschieden und die verbleibenden Moschus moschiferus werden in 3 Unterarten aufgeteilt (s. Verbreitung), nach Roter Liste der IUCN in deren 5 [11].

Traditionellerweise wurden die Moschustiere als Unterfamilie (Moschinae) der Geweihträger (Cervidae) eingestuft. Heute gelten sie als eigene Familie [11].

Literatur und Internetquellen

  1. BREHM, A. E. (1882-1887)
  2. CITES TRADE DATA BASE
  3. GRZIMEK, B. (Hrsg. 1970)
  4. HALTENORTH, T. & TRENSE, W. (1956)
  5. HONACKI, J.H., KINMAN, K.E. & KOEPPL, J.W. (1982)
  6. MENG, X., CODY, N., GONG, B. & XIANG, L. (2012)
  7. MENG; X., YANG, H., YANG, Q., FENG, Z., PENG, X. & PERKINS, G. C. (2010)
  8. NYAMBAYAR, B. et al. (2015). Moschus moschiferus. The IUCN Red List of Threatened Species 2015: e.T13897A61977573. http://www.iucnredlist.org/details/13897/0. Downloaded on 25 May 2018.
  9. PUSCHMANN, W., ZSCHEILE, D., & ZSCHEILE, K. (2009)
  10. WEIGL, R. (2005)
  11. WILSON, D. E. et al. eds. (2009-2019)
  12. ZOO LEIPZIG
  13. LONG, J. L. (2003)

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