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D

DOLLINGER, P. (2010a)

Ziele und Aufgaben der Zoos heute

In: Burhenne, V. ,ed.: Zoogeschichte(n) – wilde Tiere für Europa. 128-143. Münster.

Volltext:

Der Begründer der Tiergartenbiologie, der Schweizer Tierpsychologe und Zoodirektor Heini HEDIGER (1973) wies dem modernen Zoo vier Hauptaufgaben zu: Erholung, Belehrung, Forschung und Naturschutz. Er umschrieb diese wie folgt:

  1. Ein Zoo muss der Bevölkerung als Erholungsraum dienen. Er bildet einen psychohygienisch höchst wichtigen Bestandteil des menschlichen Großstadt-Biotopes.
  1. Er hat die volkstümliche Belehrung des breiten Publikums zu fördern. Der europäische Fischotter wird nur deswegen ausgerottet, weil Generationen von uns eingehämmert worden ist, der Fischotter sei der schlimmste Feind der Fischerei, was nachweislich falsch ist….
  1. Ein Zoo hat seinen Tierbestand auch wissenschaftlich auszuwerten und sich an der Forschung aktiv zu beteiligen, und zwar nicht nur hinsichtlich der Rezepte für die optimale Haltung und Züchtung bestimmter bevorzugter Arten, sondern auch im Hinblick auf die weit reichenden Folgen der «Umkehr des Lebensraumes», d. h. der noch viel zu wenig beachteten Tatsache, dass die Wildtiere aus ihren ursprünglichen Biotopen durch die fortschreitende Technik immer mehr verdrängt werden, in immer größerer Zahl aber in den Metropolen in Neo-Biotopen und Parkarealen gehalten werden.
  1. Der Zoo muss sich in den Dienst des Naturschutzes stellen, u. a. auch durch Asylgewährung an bedrohte Tierarten und deren Wiedereinbürgerung.

HEDIGERs Sichtweise prägt das Selbstverständnis der Zoos bis heute (RÜBEL, 2003; ALTHAUS, 2005; SCHRATTER, 2008). Allerdings hat eine gewisse Verschiebung der Gewichtung stattgefunden. Für die Gründung der bürgerlichen zoologischen Gärten im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Aspekt der Erholung ausschlaggebend. Heute legitimieren sich die Zoos hauptsächlich dadurch, dass sie den Naturschutzaspekt in den Vordergrund rücken. Den Boden für diese Entwicklung hat zweifellos Bernhard GRZIMEK gelegt , der nicht nur – wohl als erster Zoodirektor - einen erheblichen Teil seiner Zeit dem in situ-Naturschutz widmete, sondern seine Naturschutzaktivitäten durch Bücher, wie „Serengeti darf nicht Sterben“ (GRZIMEK, 1959) und seine Fernsehsendungen auch ins Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit brachte.

Die Welt-Zoo-Naturschutzstrategie 1993

Programm wurde die Priorität der Naturschutzaufgabe durch die Welt-Zoo-Naturschutzstrategie des Internationalen Zoodirektorenverbandes (IUDZG/CBSG, 1993). Diese altehrwürdige Organisation, die ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert hatte, befand sich um 1990 in einer Krise. Vom früheren Leistungsausweis war wenig übrig geblieben und es erwuchs ihr ein Konkurrenzdruck durch neue, sehr aktive Zoo-Organisationen auf nationaler oder kontinentaler Ebene. Die IUDZG stand deshalb vor der Alternative „Change or become extinct“. Sie entschloss sich für das Weitermachen und leitete eine Reihe von Veränderungen ein, die innerhalb eines Jahrzehnts aus einem – oft als „Old Boys Club“ belächelten - Zoodirektorenverein den heutigen Welt-Zoo- und Aquarienverband (WAZA) mit institutioneller (statt persönlicher) Mitgliedschaft, professioneller Geschäftsstelle und umfangreichem Aufgabenkatalog machten und die regionalen Verbände in das System integrierten, so auch den Verband Deutscher Zoodirektoren e.V. (VDZ).

Die Daseinsberechtigung der Zoos wurde damals zunehmend von Tierschützern und Tierrechtlern infrage gestellt, was bald einmal auch die Haltung von Naturschutzverbänden, Politikern und der Verwaltung beeinflusste und sich in einer Gesetzgebung niederschlug, die von tiefem Misstrauen gegen die Zoos geprägt war (POLEY, 1993). Unter Führung des erneuerten Internationalen Zoodirektorenverbandes sollten sich die Zoologischen Gärten daher weg von der Tiersammlung hin zum Naturschutzzentrum entwickeln und dadurch neues Ansehen gewinnen. Die von der IUDZG auf der Grundlage der Welt-Naturschutzstrategie „Caring for the Earth“ (IUCN/UNEP/WWF, 1991) entwickelte Strategie sollte dafür als Leitlinie dienen.

Die Strategie von 1993 wandte sich auch an ein breiteres Publikum, indem sie die Geschichte der Zoos darstellte, statistische Informationen lieferte und die Aufgaben der modernen Zoos im Sinne HEDIGERs erläuterte, wobei sie dem Naturschutz oberste Priorität einräumte. Sie sah den durch die Zoos zu betreibenden Naturschutz vor allem als ex situ-Aktivitäten, nämlich Erhaltungszucht, Information, Motivation und Forschung. Die Zoos sollten eine Funktion als Arche Noah wahrnehmen und eine Zeitbrücke bauen. Tierarten sollten also im Zoo (ex situ) solange überleben können, bis sich die Lage in ihrem natürlichen Lebensraum (in situ) so weit gebessert hätte, dass eine Wiederansiedlung möglich wäre. Bestandesplanung, Methoden der nachhaltigen Zucht und künstliche Vermehrungstechniken nahmen daher einen breiten Raum ein.

Die Zoogemeinschaft nahm die Strategie, die bald einmal durch das Dokument “Zoo Future 2005” (IUDZG-WZO, 1995) ergänzt wurde, wohlwollend auf, und eine Entwicklung, die bereits in den 1980er Jahren eingesetzt hatte, wurde dadurch beschleunigt. Die Einrichtung zoopädagogischer Dienste wurde Standard in allen größeren Zoos. Das im Rahmen des Europäischen Zoo und Aquarienverbandes EAZA 1988 gegründete Europäische Erhaltungszuchtprogramm (EEP) nahm rasch an Umfang und Bedeutung zu und umfasste im Oktober 2008 koordinierte Zuchtprogramme für 172 Tierarten. Und schon bald einmal konnten Wiederansiedlungsprojekte in Angriff genommen werden, deren Erfolg all jene Zoogegner Lügen strafte, die behauptet hatten, in Gefangenschaft geborene Tiere seien für ein Leben in freier Wildbahn nicht geeignet.

Die Welt-Zoo- und Aquarium-Naturschutzstrategie 2005

Nachdem die Wirklichkeit die alte Welt-Zoo-Naturschutzstrategie in manchen Bereichen überholt und sich auch das politische Umfeld geändert hatte (Biodiversitätskonvention, Agenda 21), beschloss der Weltverband der Zoos und Aquarien 2001 eine neue Strategie zu entwickeln. Diese war geleitet von der Erkenntnis, dass Naturschutz nicht mehr im Elfenbeinturm stattfinden könne, sondern dass auch sozioökonomische Aspekte berücksichtigt und insbesondere die lokale Bevölkerung eingebunden werden müsste. Auch war der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Zeitbrücke vielfach funktioniert hatte und es mittlerweile Wiederansiedlungsprogramme für über 200 Arten gab, und dass sich Zoos und Aquarien nicht mehr darauf beschränkten, einfach Tiere zur Verfügung zu stellen oder Geld für Naturschutzorganisationen zu sammeln und diesen die Ausführung der Projekte zu überlassen, sondern dass sie mehr und mehr selbst im in situ-Naturschutz tätig wurden.

Für den Entwurf eines jeden Kapitels der neuen Strategie wurde eine eigene Arbeitsgruppe bestimmt, und insgesamt leisteten rund 300 Fachleute einen Beitrag zu dem Dokument. Dies verlängerte zwar den Prozess, erhöhte aber zweifellos die Akzeptanz des Endproduktes, das 2005 gleichzeitig auf Englisch und Deutsch veröffentlicht wurde (WAZA 2005).

Die neue Strategie erkennt an, dass es nach wie vor Interessengruppen gibt, die der Haltung von Wildtieren in Menschenhand feindlich gegenüberstehen, und stellt fest, dass Zoos und Aquarien ihre Naturschutzaufgaben nur wahrnehmen können, wenn sie sich dieser Opposition direkt stellen. Berechtigte Kritik müssen sie annehmen; sie müssen besser werden und ihre Aktivitäten so darstellen, dass die Öffentlichkeit sie unterstützt. Sie müssen deutlich machen, dass Zoos und Aquarien eine Naturschutzaufgabe wahrnehmen und gleichzeitig hohe Standards für das Wohlbefinden der Tiere einhalten. Die Strategie strebt an, dass Zoos und Aquarien durch konsequentes Wahrnehmen ihrer Möglichkeiten eine der stärksten Kräfte im weltweiten Naturschutz werden. Das Zauberwort dazu heißt „Integration“, was bedeutet, dass alle Tätigkeiten der Zoos und Aquarien stärker vernetzt und in Beziehung zu nachhaltigen Feldprojekten und in situ-Programmen gesetzt werden sollen.

Naturschutz wird so als durchgängiges Prinzip definiert. Ferner müssen die Werte Nachhaltigkeit sowie Sozial- und Umweltverantwortlichkeit Grundlage der Philosophie jeder Institution sein. Von den Zoos wird gefordert, dass sie ständig daran arbeiten, die Wahrnehmung ihrer vier Hauptaufgaben zu verbessern, und dass sie nachhaltige, energiesparende Verfahren im Betrieb und beim Bauen anwenden und diese „grünen“ Praktiken ihren Besuchern erklären, dass sie die Besucher über die Bedrohung von Arten und Lebensräumen sowie über Schutzmaßnahmen der Zoowelt und anderer Organisationen informieren und klar machen, was die Tierhaltung im Zoo mit Naturschutzprojekten vor Ort zu tun hat, dass sie durch Öffentlichkeitsarbeit zur Bewusstseinsbildung beitragen und die Besucher und die breite Öffentlichkeit in die Debatte über die vielseitigen Gründe der Bedrohung von Lebensräumen und Arten in freier Wildbahn einbeziehen, sie motivieren und versuchen, ihre Unterstützung zu gewinnen, dass sie versuchen, auch die Souvenirläden und die Gastronomie in Naturschutzprogramme einzubinden – zum Beispiel durch den Verkauf von Kunsthandwerk aus Naturschutzgebieten, um mit den Einnahmen die lokale Bevölkerung zu unterstützen.

Der Zoo als Tierhaltungsbetrieb

Währenddem es früher Ziel der Zoologischen Gärten war, möglichst artenreiche Kollektionen zu zeigen, ist in den letzten Jahrzehnten ein klarer Trend zur Reduktion der Tierbestände zu beobachten. Im Gegenzug wurden Gehege zusammengelegt, vergrößert und tiergerechter eingerichtet, Programme zur Verhaltensanreicherung entwickelt und das Leben vieler Zootiere durch die Gemeinschaftshaltung mehrerer Arten interessanter gestaltet. Maßgeblich hiefür sind die ethischen Richtlinien des Weltverbandes der Zoos und Aquarien (WAZA), die verlangen, dass alle Gehege so groß und so ausgestattet sein müssen, dass sie ein natürliches Verhalten zulassen und dass den Tieren Rückzugsmöglichkeiten und, wo erforderlich, Abtrenngehege zur Verfügung stehen. Für viele Tierarten gibt es zudem konkrete Haltungsrichtlinien, die vom Europäischen Erhaltungszuchtprogramm (EEP) herausgegeben wurden und die zumeist erheblich über den gesetzlichen Mindestanforderungen liegen. Denn nur wenn die Zoos ihre Tiere optimal halten, können sie als Naturschutzeinrichtungen glaubhaft sein. Ebenfalls entsprechend den WAZA-Richtlinien bemühen sich die Zoos, wo immer möglich Neuanschaffungen auf in menschlicher Obhut zur Welt gekommene Tiere zu beschränken. Bei Arten, für die es Erhaltungszuchtprogramme gibt, ist der Rat des Zuchtkoordinators für die betreffende Art einzuholen.

Anders als früher sehen die Zoos heute davon ab, möglichst viele Tiere zu züchten, denn die Fortschritte in Tierhaltung und Zootiermedizin haben dazu geführt, dass die Lebenserwartung im Zoo meistens höher ist, als in freier Wildbahn. Es braucht somit weniger Nachzuchttiere, um den eigenen Bestand zu erhalten, und die Platzierung in anderen Haltungen ist oft schwierig, weil dafür nur Einrichtungen infrage kommen, die über geeignete Unterbringungsmöglichkeiten verfügen. Zoos sehen sich deshalb immer wieder dem Problem gegenüber, dass sie Jungtiere nicht an einen guten Platz vermitteln können und sie deswegen einschläfern oder schlachten müssen. Das Töten solch „überzähliger“ Tiere ist naturgemäß wenig populär und seine Notwendigkeit dem Publikum nur schwer zu vermitteln. Durch Haltungsmaßnahmen, wie das vorübergehende Trennen männlicher und weiblicher Tiere oder durch chirurgische oder pharmakologischen Empfängnisverhütung, versuchen die Zoos daher, die Zahl der nicht platzierbaren Tiere gering zu halten. Aber es muss dem Publikum auch klargemacht werden, dass eine zu starke Einschränkung der Geburtenrate nicht nur negative verhaltensbiologische Aspekte hat, sondern letztlich auch keine nachhaltige Zucht zulässt, und dass, ausgehend von einer Naturschutzvision der Zoos, die Nachhaltigkeit im Einsatz von Ressourcen und die Erhaltung der Biodiversität die höhere Priorität haben muss als die Erhaltung von einzelnen Individuen (RÜBEL, 2003). Die Leute müssen verstehen, dass auch in der Natur viel mehr Jungtiere geboren werden, als zur Fortpflanzung gelangen, und dass die nicht zur Erhaltung der eigenen Art nötigen Tiere im Nahrungskreislauf landen und damit zur Erhaltung anderer Arten beitragen.

Der Zoo als Freizeiteinrichtung

Jedes Jahr besuchen In Deutschland rund 60 Millionen Menschen einen Zoo, Tierpark, Wildpark, Vogelpark oder ein Schauaquarium. Damit gehören diese Wildtierhaltungen zu den bedeutendsten Freizeiteinrichtungen. Die Zoos brauchen diese Besucherzahlen, um wirtschaftlich zu arbeiten und weil sie ihren Aufgaben umso besser nachkommen können, je mehr Leute sie erreichen. Damit dies so bleibt, müssen sie sich ständig erneuern, ein gutes Angebot sichern und ein gutes Marketing betreiben.

Die lebenden Tiere in naturnaher Umgebung sind die Motivatoren der Besucher, mit denen der Zoo seine Ziele zu erreichen sucht. Eine moderne, naturnahe Tierhaltung, ist dabei entscheidend (RÜBEL, 2003). Diese muss nicht nur die Bedürfnisse der Tiere möglichst optimal befriedigen, sondern auch der Wahrnehmung des Publikums Rechnung tragen. Ein schwer vergitterter Affenkäfig mag den Tieren zwar sehr viel mehr Klettermöglichkeiten bieten als ein Gehege mit Glasabsperrung oder Wassergraben. Das Gitter vermittelt jedoch den Eindruck eines Gefängnisses und wird daher vom Publikum viel weniger akzeptiert.

Durch die Begegnung mit Tieren will der Zoo die Besucher für die Belange des Natur- und Artenschutzes motivieren, getreu dem VDZ-Motto „Wer Tiere kennt, wird Tiere schützen“. Begegnungen sind umso eindrücklicher, je unmittelbarer sie sind. Bei Tieren, die keine Gefahr für den Menschen darstellen, bietet es sich daher an, das Gehege für das Publikum begehbar zu machen. In großen Ökosystemhallen, in denen der Besucher den Eindruck hat, sich in einer exotischen Landschaft zu bewegen („habitat immersion“), wo die Tiere aber nicht leicht zu beobachten sind, hat sich der Einsatz von Zoo-Rangern bewährt, welche auf die Tiere aufmerksam machen und Erklärungen zu den einzelnen Arten abgeben können. Auch kontrollierte Fütterung durch die Besucher hat einen hohen Erlebniswert und ist bei manchen Tierarten durchaus vertretbar, gegebenenfalls unter unmittelbarer Überwachung durch das Zoopersonal.

Der Zoo als Lernort

Bildung ist eine zentrale Aufgabe der Zoos und wird als solche explizit in der Agenda 21 der Vereinten Nationen genannt. Zoos und Aquarien sind lebende Klassenzimmer, in denen Besucher emotional angesprochen und auf angenehme Art mit biologischen Phänomenen vertraut gemacht werden. Menschen aller Altersgruppen, die einen Zoo oder ein Aquarium besuchen, sollen den Tierbestand durch Entdecken und Staunen über die Vielfalt der Natur erfahren. Dabei soll ihnen ein allgemeines biologisches Wissen vermittelt werden, das sie die Zusammenhänge im Naturschutz verstehen lässt. Einen hohen Stellenwert hat die Arbeit mit Schülern. Größere Zoos betreuen daher Jahr für Jahr Hunderte von Schulklassen. In vielen Zoos finden auch Vorlesungen für Studenten und Volkshochschüler statt. Neben dem formalen Unterricht wird Wissen auch informell dem allgemeinen Publikum vermittelt. Die zoopädagogischen Dienste brauchen eine große methodische Kompetenz, um alle unterschiedlichen Besucher zu erreichen. Durch den Gebrauch des Internets können auch Menschen angesprochen werden, die nicht in den Zoo gehen.

Der Zoo als Forschungsstätte

Zoos haben die Möglichkeit, ihren Tierbestand für Forschung zu Gunsten des Naturschutzes einzusetzen und eine Plattform zu bilden, auf der sich Wissenschaftler und Besucher austauschen können. Diese Möglichkeiten werden allerdings noch nicht überall voll ausgeschöpft. Der VDZ fordert deshalb, dass alle seine Mitglieder Forschungsinitiativen im Naturschutz unterstützen und dass sie Mittel für Forschungsvorhaben sammeln, und die EAZA hat vor kurzem ein Strategiepapier herausgegeben, um die Situation zu verbessern (REID et al., 2009).

Hausinterne Forschung in Zoos kann auch zu neuen Erkenntnissen führen, die für die eigene Institution wichtig sind, wie etwa Untersuchungen in den Bereichen Tierhaltung, Besuchervorlieben oder zoopädagogische Methoden. Im Falle der Veterinärmedizin sind die Zoos in Deutschland, Österreich und der Schweiz insofern gut situiert, als die meisten von ihnen über fest angestellte Zootierärzte verfügen, die nicht nur kurativ tätig sind, sondern auch die Zeit und Gelegenheit haben, sich vertieft mit zootiermedizinischen Problemen zu befassen und entsprechende Arbeiten zu veröffentlichen.

Ebenso wichtig ist, dass die Zoos externen Forschungsgruppen Zugang zu Materialien und Tieren für Untersuchungen in verschiedenen Fachgebieten anbieten. Neben den Universitäten sind es im deutschsprachigen Raum vor allem Leibniz-Institute (namentlich das IZW Berlin), mit denen die Zoos zusammenarbeiten. Eine neue Dimension der Zusammenarbeit eröffnet das 2008 von der Fraunhofer-Gesellschaftins Leben gerufene Projekt „CRYO-BREHM“, in dessen Rahmen aus verschiedensten Geweben von Wildtieren Stammzellen isoliert und bei -145°C aufbewahrt werden - ein Schatz für den Artenschutz, die Forschung und eine spätere Nutzung zum Wohle der Menschheit.

Der Zoo als Naturschutzzentrum

Die Möglichkeiten der Zoos, sich als Naturschutzzentren zu betätigen, sind in ihrer Vielfalt einzigartig: Nur Zoos können Millionen von Menschen motivieren und informieren, Tiere züchten, sie für Auswilderungsprojekte zur Verfügung stellen, sowie ihr Gelände – die 47 VDZ-Zoos in Deutschland bedecken zusammen immerhin eine Fläche von etwa 1050 Hektar - ökologisch aufwerten und dadurch Lebensraum für einheimische Arten schaffen. Dazu können sie in Umweltbildung und -forschung tätig sein, Geld für den Naturschutz sammeln, ihre Einrichtung nach „grünen“ Grundsätzen betreiben, sowie Schutzprojekte finanziell, materiell und personell unterstützen oder selbst durchführen (DOLLINGER, 2005).

Als Beispiel mag das gemeinsame Amphibienschutzprogramm der Zoos und Privathaltern im deutschsprachigen Raum dienen, dessen Grundlage 2007 mit einem Amphibienkurs in Chemnitz gelegt wurde (DOLLINGER, 2008). An diesem Kurs wurden Vertreter von Zoos, Tier- und Wildparks und der Berufsverbände über das weltweite Amphibiensterben informiert und motiviert, sich der Problematik anzunehmen. In der Folge wurde das erworbene Wissen nach dem Schneeballsystem weitergegeben, indem Kurse für Kuratoren, Wildparkleiter, Zootierärzte, Zoopädagogen und Zootierpfleger organisiert wurden. Eine Reihe von Zoos erstellte neue Anlagen für Amphibien oder wertete bestehende auf. Für bislang elf Arten wurden langfristige Zuchtprogramme in die Wege geleitet. Zahlreiche Zoos, Tier- und Wildparks begannen mit lokalen Naturschutzorganisationen zusammenzuarbeiten, um gefährdete Amphibienlebensräume in ihrer Umgebung zu erhalten. In Einzelfällen ging dies mit Wiederansiedlungsprojekten einher. Einige Zoos beteiligten sich an Amphibienschutzprojekten in Ländern der Dritten Welt oder engagierten sich in Forschungsvorhaben. Amphibien wurden ein Thema für die Zooschulen. In einer Auflage von 20'000 Exemplaren wurde dazu ein Lehrmittel herausgegeben (BIRTSCH et al., 2008). Im Rahmen des von WAZA ausgerufenen Jahres des Frosches wurden Poster ausgestellt, Spenden und Unterschriften gesammelt, und über die Internetauftritte des VDZ und einzelner Zoos konnte ein weiteres Publikum erreicht werden.

Der Zoo als Wirtschaftsfaktor

Ein Aspekt des Zoos, der häufig übersehen wird, ist seine Rolle als Wirtschaftsfaktor. Zoos schaffen Arbeitsplätze. Allein die VDZ-Zoos geben rund 4000 Menschen Lohn und Brot. Hinzu kommen zahlreiche Arbeitsplätze in angeschlossenen Betrieben, wie den Zoogaststätten. Von der Wertschöpfung der Zoos profitieren aber auch Dritte, sei es als Zulieferer oder durch Ausgaben der Besucher auf der An- und Abreise. Der Natur- und Tierpark Goldau in der Schweiz hat errechnet, dass seine Wertschöpfung etwa das Drei- bis Vierfache seines Jahresbudgets beträgt und dass von den erzeugten Geldflüssen insbesondere die Standortregion profitiert (WEBER, 2008).

Anders als viele andere kulturelle Einrichtungen müssen die meisten Zoos ihre beträchtlichen Betriebskosten ganz oder zum größeren Teil selbst erwirtschaften. Weil sie dazu Eintrittsgelder erheben, wird ihnen häufig unterstellt, sie seien kommerzielle Einrichtungen. Dies trifft aber für die große Mehrheit der im VDZ organisierten Zoos nicht zu, denn diese werden vom Land oder von Kommunen betrieben, sind gemeinnützige Gesellschaften und als solche oft im Besitz der öffentlichen Hand oder sie gehören Stiftungen oder Vereinen. Relativ wenige könnten von ihrer Rechtsform her Profit machen. Diese fahren aber oft Defizite ein oder reinvestieren den Profit in vollem Umfang in das Unternehmen. Wenn Zoos im gleichen Ausmaß subventioniert würden, wie zum Beispiel städtische Theater, könnten sie getrost auf Eintrittsgebühren verzichten.

Was ist ein guter Zoo?

Die Zoos der Alpenregion haben sich zur Frage „Was ist ein guter Zoo?“ ihre Gedanken gemacht und diese wie folgt zusammengefasst:

Ein guter Zoo ist ein Zoo,

  • in dem sich die Tiere, die Besucher und das Personal wohl fühlen,
  • der wirtschaftlich und nachhaltig arbeitet, und
  • der dem Tier-, Natur- und Artenschutz verpflichtet ist und die Empfehlungen der Welt-Zoo-Naturschutzstrategie bestmöglich umsetzt.

In diesem Sinne sollte es Ziel eines jeden Zoos sein, seine Aufgaben so wahrzunehmen, dass ihm das Prädikat „Guter Zoo“ gebührt!

Literatur:

Althaus, Thomas (2005). Naturschutzaktivitäten der Zoos aus externer Sicht – Aufwand und Nutzen. Verh.-Ber. 2. Rigi-Symposium – Die Bedeutung der Zoos für den Naturschutz. Goldau-Rigi, 17.-19.2.2005: 61-63.

Birtsch, Jürgen & Wolters, Jürgen (2008). Sei kein Frosch – Hilf uns! Materialien und Hintergründe zum weltweiten Amphibiensterben. Stiftung Artenschutz, Münster.

Dollinger, Peter (2005). Die WAZA – eine Naturschutzorganisation? Verh.-Ber. 2. Rigi-Symposium – Die Bedeutung der Zoos für den Naturschutz. Goldau-Rigi, 17. – 19.02.2005: 64-67.

Dollinger, Peter (Hrsg., 2008). Amphibien brauchen unsere Hilfe. Verhandlungsbericht des Amphibienkurses, Chemnitz, 27.-30. Juni 2007. WAZA-Geschäftsstelle, Bern.

Dollinger, Peter (2008). Editorial. Verh.-Ber. 3. Rigi-Symposium – Was ist ein guter Zoo?. Goldau-Rigi, 28.02. – 01.03.2008: 5-7.

Grzimek, Bernhard (1959) Serengeti darf nicht sterben – 367'000 Tiere suchen einen Staat. Verlag Ullstein. Berlin, Frankfurt, Wien.

Hediger, Heini (1973). Bedeutung und Aufgaben der Zoologischen Gärten. Vierteljahresschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich, 118: 319-328.

IUCN/UNEP/WWF (1991). Caring for the Earth – A Strategy for Sustainable Living. Gland, Switzerland.

IUDZG/CBSG (1993). The World Zoo Conservation Strategy – The Role of the Zoos and Aquaria of the World in Global Conservation. IUDZG. ISBN 0-913934-20-8

IUDZG-WZO (1995). Zoo Future 2005 – Formulated at the 1995 Futures Search Workshop of the World Zoo Organization – IUDZG. IUDZG.

Poley, Dieter (1993). Das gesellschaftliche Umfeld der Zoos. In: Poley, D. (Hrsg.) Berichte aus der Arche. Georg Thieme Verlag. Stuttgart. ISBN 3-89373-217-9

Reid Gordon McGregor, Macdonald, A.A., Fidgett, A. L., Hiddinga, B. & Leus, K. (2009). Das Forschungspotential in Zoos und Aquarien – Die Forschungsstrategie der EAZA. Filander-Verlag, Erlangen. ISBN 978-3-930831-70-8

Rübel, Alex (2003). Aufgaben moderner Zoologischer Gärten und Aquarien. Verh.-Ber. 1. Rigi-Symposium – Die Bedeutung von Fortpflanzung und Aufzucht von Zootieren. Goldau-Rigi, 27.02. – 01.03.2003: 23-25.

Schratter, Dagmar (2008). Was ist ein guter Zoo: Innensicht. Verh.-Ber. 3. Rigi-Symposium – Was ist ein guter Zoo). Goldau-Rigi, 28.02. – 01.03.2008: 32-33.

WAZA (2005). Zoos und Aquarien für Naturschutz – Die Welt-Zoo und Aquarium-Naturschutzstrategie. WAZA Geschäftsstelle, Bern. ISBN 3-033-428-8.

Weber, Felix (2008). Value added by a Zoo – The economic relevance of Goldau Animal Park. Proc. 6th Int. Conference on Zoo Marketing and Public Relations, Kwalata 9-12 October 2007: 94-96. WAZA Geschäftsstelle, Bern.

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