Alt- und Neuwelt-Sumpfschildkröten

Schutz der Sumpfschildkröte

Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis)
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Gelegepatenschaften für Europäische Sumpfschildkröten im Donau-Auen-Nationalpark

Tiergarten Schönbrunn

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Durch Patenschaft geschütztes Emys-Gelege im Donau-Auen-Nationalpark © TG Schönbrunn

 

 

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Frisch geschlüpfte Europäische Sumpfschildkröten (Emys orbicularis) im Donau-Auen-Nationalpark © TG Schönbrunn

 

 

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Kennzeichnen einer Sumpfschildkröte © Tiergarten Schönbrunn

Die Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) ist die einzige in Mitteleuropa vorkommende Schildkrötenart. Alle anderen europäischen Schildkröten leben im für sie klimatisch günstigeren Mittelmeerraum. In Österreich ist der Bestand der Sumpfschildkröte stark bedroht. Es gibt nur einen einzigen Bestand von etwa 400 erwachsenen Tieren in den Donau-Auen.

Bereits kurz nach der Gründung des Nationalparks Donau-Auen wurde ein Artenschutzprogramm "Europäische Sumpfschildkröte" ins Leben gerufen. Dieses beinhaltet die Erforschung und die (darauf basierende) Entwicklung von Maßnahmen zum Schutz der letzten heimischen Bestände der Europäischen Sumpfschildkröte. Die aufgefundenen Gelege werden mit Schutzgittern abgedeckt. Sobald sich ein Schlupfloch unter dem Schutzgitter zeigt, wird die verlassenen Gelegehöhle aufgegraben, um festzustellen, wie viele leere Eihüllen sich darin befinden bzw. ob nicht-geschlüpfte Eier verblieben sind. Der Tiergarten Schönbrunn hat dem Nationalpark eine Kooperation angeboten und dabei die Idee der Gelegepatenschaften aufgeworfen. Sämtliche Schutzmaßnahmen und auch deren Koordination bleiben dabei weiterhin in Händen des Nationalparks Donau-Auen. Der Tiergarten hat aufgrund seiner dahingehenden Erfahrung und Infrastruktur den organisatorischen Teil der Patenschaften übernommen. Er sammelt die Spenden und leitet das Geld an das Artenschutzprogramm im Nationalpark weiter. Ferner übernimmt er Gelege zum Ausbrüten, die beschädigt oder ungünstig platziert wurden und versorgt verletzt aufgefundene Tiere. Durch die Präsentation von Sumpfschildkröten schafft er Aufmerksamkeit für das Projekt.

Die Einführung der Patenschaften hat dem Schildkröten-Schutz eine zuvor nie da gewesene Dimension ermöglicht. 2006 wurden nur sieben Gelege dokumentiert und mit Schutzgittern versehen, 2007 waren es bereits  42 Gelege, die von mindestens 30 Weibchen stammten. Es konnte festgestellt werden, dass aus den 18 zuerst geschlüpften Gelegen des Jahres 2007 insgesamt 164 junge Schildkröten die Gelegehöhle Richtung Wasserlebensraum verlassen haben. Die Zahlen stiegen weiter an. 2018 wurden 233 Gelege dokumentiert, 2019 waren es wetterbedingt nur 124 Gelege. Am Brutgeschenen waren mindestens 135 Weibchen beteiligt.

Literatur und Internetquellen:

  1. AU-BLICK 2015 Nr. 39: 1-12
  2. SCHINDLER, M. (2020) JAHRESBERICHT 2019
  3. TIERGARTEN SCHÖNBRUNN: ARTENSCHUTZPROJEKT SUMPFSCHIDKRÖTE

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Die Wiederansiedlung der Europäischen Sumpfschildkröte in der Schweiz

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Europäische Sumpfschidkröte (Emys orbicularis) im Tierpark Goldau © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

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Die 2013 eröffnete Die 2013 eröffnete Sumpfschildkrötenanlage im Tierpark Goldau © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

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Sumpfschildkröten auf ihrer Anlage im Tierpark Goldau © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

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Der Wiederansiedlungsort, das Naturschutzgebiet Vieille Thielle (Alte Zihl) © Peter Dollinger, Zoo Office Bern

 

 

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Die Schildkröten wurden unter Mitwirkung von Schulkindern vermessen, gekennzeichnet und besendert © David Marchon

 

Die europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) war früher eine in Mitteleuropa weit verbreitete Art, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch in der Schweiz noch an zahlreichen Stellen vorkam [1]. Intensive Bejagung – die Schildkröte galt, wie der Biber als „Fisch“ und konnte so als Fastenspeise genutzt werden – und die Zerstörung ihrer Lebensräume - Weiher, Sümpfe, Langsame Fliessgewässer mit natürlicher Vegetation - haben zum Verschwinden der Sumpfschildkröte in vielen Regionen geführt. So auch bei uns, wobei hier der Rückgang durch extrem harte Winter in den 1880er- und 90er-Jahren beschleunigt wurde. Die Sumpfschildkröte ist das erste Reptil der Schweiz, welches aus diesem Land verschwunden ist [2]. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts wurden aber immer wieder Schildkröten unterschiedlichster Herkunft ausgesetzt. Ab den 1950er-Jahren konnte sich so im Reservat von Moulin-de-Vert (GE) ein permanenter Bestand entwickeln, ebenso im Tessin. Dies hat zu einer Änderung des Status auf der Roten Liste in der Schweiz geführt. Die Sumpfschildkröte gilt nun als "Vom Aussterben bedroht". Gemäss den Kriterien der IUCN sind nun umgehend Massnahmen zum Schutz dieser Art zu treffen, u.a. mittels Schutz bestehender Populationen und mit der Wiederansiedlungen von Tieren.

1999 wurde als Initiative der Schildkrötenschutz- und Auffangstation Chavornay das "Projekt Emys" ausgearbeitet. Damit sollen die Aktivitäten verschiedener Interessengruppen - Behörden, Naturschützer, Wissenschafter und Terrarianer - auf einen gemeinsamen Nenner gebracht und Synergien geschaffen werden. Ziel von "Projekt Emys" ist die Förderung von Feuchtgebieten, die Erhaltung bestehender und die Ansiedlung neuer, überlebensfähiger Sumpfschildkröten-Populationen in verschiedenen geeigneten Gebieten der Schweiz mittels in Menschenobhut gezüchteten Sumpfschildkröten der einheimische Unterart Emys orbicularis orbicularis, Haplotyp IIa.

Das Projekt wird von der KARCH koordiniert. Es vereint verschiedene Partnerorganisationen, kantonale Dienststellen sowie Spezialisten, welche sich die Aufgaben von der Zucht über die Auswilderung bis zum anschliessenden Monitoring teilen. zooschweiz hat einen namhaften Beitrag (50'000 €) an die Testphase des Projekts geleistet und ein Faltblatt herausgegeben, um bei den Zoobesuchern für das Projekt zu werben. Beim Papiliorama Kerzers entstand eine Zuchtstation, und weitere Mitgliedzoos zeigten Sumpfschildkröten in Schauanlagen. Die ersten beiden Schauanlagen, beim Papiliorama Kerzers und dem Natur- und Tierpark Goldau, wurden im Frühsommer 2013 eröffnet. Seit 2016 werden auch im Tierpark Bern  10-20 Junge Schildkröten aufgezogen, und 2021 wurden die ersten Tiere in der Nähe von Genf ausgewildert.

Nachdem im Rahmen des Projekts bereits 2010 und 2011 erste Wiederansiedlungen im zuvor renaturierten Marais de Pré-Bordon in der Gemeinde Jussy im Kanton Genf erfolgt waren, wurden am 21. Mai neun mit Sendern versehene Sumpfschildkröten im Naturschutzgebiet Vieille Thielle in der Gemeinde Cressier (Kanton Neuenburg) ausgesetzt. Weitere Auswilderungen sind im Seeland und im Kanton Tessin sind erfolgt oder geplant. So wurden 2021 18 im Vorjahr im Tierpark Bern geschlüpfte Sumpfschildkröten bei Genf ausgewildert. Dies ist nötig, weil die meisten geeigneten Lebensräume Platz für nur wenige Schildkröten bieten und die Tiere kaum größere Distanzen überwinden können. Bis 2020-2030 sollen daher mehrere Populationen begründet werden, die sich nachhaltig fortpflanzen und auch dem Genotyp entsprechen, der früher in der Schweiz vorhanden war. Die wissenschaftliche Betreuung der Auswilderung wird von der Universität Basel gewährleistet.

Literatur und Internetquellen:

  1. FISCHER-SIGWART, H. (1893)
  2. HOTZ, H.-J. & BROGGI, M. (1982)
  3. PROJEKT - SIGS
  4. SWISSEMYS
  5. TIERPARK BERN: DIE SCHWEIZER SUMPFSCHILKRÖTE KEHRT ZURÜCK

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Wiederansiedlung der Sumpfschildkröte in Hessen

Opel-Zoo Kronberg, Zoo Frankfurt, Tiergarten Nürnberg

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Sich sonnende Europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) im Opel-Zoo, Kronberg © Martin Becker, Opel-Zoo

 

 

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Im Naturschutzgebiet Kühkopf-Knoblochsaue am Rhein werden seit 2009 Nachzuchttiere ausgewildert. Bild: AG Sumpfschildkröte

Die Europäische Sumpfschildkröte ist in Deutschland stark bedroht; in den Roten Listen einzelner Bundesländer wird sie sogar als „ausgestorben oder verschollen“ eingestuft. Früher wurde sie als Delikatesse bejagt und gehandelt. Selbst in der Fastenzeit war sie begehrt, da sie – wie auch der Biber – als im Wasser schwimmend nicht als Fleisch eingestuft wurde. Heutzutage fehlen ihr die passenden Lebensräume, da geeignete Gewässer trocken gelegt und notwendige Flächen durch den Ausbau des Straßennetzes zerschnitten wurden. Mit dem nicht heimischen Waschbär ist zudem ein neuer Fressfeind aufgetaucht und sie wird von ausgesetzten, nicht heimischen Wasserschildkröten verdrängt.

Um die letzten Bestände der Sumpfschildkröte  in Hessen zu retten und wieder überlebensfähige Bestände aufzubauen, hat eine AG Sumpfschildkröte 1999 ein umfangreiches hessenweites Hilfsprogramm ins Leben gerufen - gerade noch rechtzeitig. Sukzessive verbessert sich die Situation der Sumpfschildkröte in Hessen. Am 4. April 2014 wurde der erste Schlüpfling im Projektgebiet Reinheimer Teich gefunden. Mittlerweile werden Schildkröten auch in anderen gebieten angesiedelt, z.B. an der Fulda bei Schlitz im Vogelsbergkreis [4; 5].

Der Opel-Zoo beteiligt sich seit 2013 an diesen Wiederansiedlungsprojekten und hat dafür extra Anlagen umgebaut, in deren Schutz die jungen Schildkröten heranwachsen können, bis sie groß genug sind, in die Natur entlassen zu werden. Zusätzlich hält er auch Zuchtpaare, deren Nachwuchs in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft Sumpfschildkröte ebenfalls in freier Wildbahn wieder angesiedelt wird, namentlich im Bereich des Naturschutzgebiets Kühkopf-Knoblochsaue am Rhein. Bis 2021 konnte der Opel-Zoo 39 Tiere beisteuern. Im Zoo Frankfurt nachgezogene Schildkröten wurden an der renaturierten Nidda ausgewildert. Seit 2020 ist auch der Tiergarten Nürnberg an dem Projekt beteiligt [1; 2; 3].

Literatur und Internetquellen: 

  1. PM OPEL-ZOO vom 16.08.2016
  2. PM TIERGARTEN NÜRNBERG vom 04.09.2021
  3. GIESSENER ALLGEMEINE vom 10.08.2011
  4. ARTENSCHUTZPROJEKT SUMPFSCHILDKRÖTE
  5. REGIERUNGSPRÄSIDIUM GIESSEN: PM vom 23.05.2021 - Sumpfschildkröte erobert ihre Lebensräume Stück für Stück zurück

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© Peter Dollinger, Zoo Office Bern hyperworx